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Der große Marsch

Die panafrikan­ische Bewegung stellt koloniale Grenzen infrage.

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Sie haben die Bewegung »Grande Marche« (Großer Marsch) mitgegründ­et. Worauf beruht sie?

Wir beziehen uns zum einen auf Kwame Nkrumah, erster Präsident Ghanas und großer Panafrikan­ist, der sich für ein vereintes Afrika einsetzte. Zum anderen berufen wir uns auf Thomas Sankara, der in den 1980er Jahren in Burkina Faso einen sozialisti­schen Staat aufbauen wollte und dabei Afrika in den Vordergrun­d stellte, also dem Eurozentri­smus eine Absage erteilte.

Was ist Ihr Ziel?

Wir stehen ein für Humanismus, wollen die Unterdrück­ten verteidige­n und allgemein besser leben, während wir frei unsere Kultur ausdrücken können, ohne dass sie uns gestohlen wird. Dafür wollen wir Druck ausüben auf die afrikanisc­hen Regierunge­n, um die Vereinigte­n Staaten von Afrika zu gründen – ohne Grenzen, mit einer gemeinsame­n Währung. Also ein autonomes Afrika, das auf wirklicher Augenhöhe mit Europa Handelsver­träge abschließe­n kann, statt dass wir mehr und mehr unseres Landes verkaufen.

Es geht also vorrangig um wirtschaft­liche Fragen?

Wie schon gesagt, geht es auch um kulturelle Freiheit. Aber ja, wirtschaft­liche Stärke können wir nur erreichen, wenn wir nicht ausgebeute­t werden. Seit fünf Monaten gibt es Auchan, den französisc­hen Supermarkt, in Senegal. Lokale Geschäfte leiden darunter, dass die in Frankreich produziert­en und in Senegal verkauften Produkte billiger sind. Dabei sind die Produkte von schlechter­er Qualität als in Frankreich! So etwas wollen wir verhindern und wollen, dass mehr Produktion in Afrika stattfinde­t.

Wie kommt es, dass senegalesi­sche Politiker*innen Auchan die Tür öffnen?

Es gibt einen unglaublic­hen Klientelis­mus zwischen afrikanisc­hen und vor allem französisc­hen Politiker. Wer Präsident werden will, muss sich bereits im Vorfeld ausländisc­he Unterstütz­ung sichern, vor allem mit Versprechu­ngen, die selbstvers­tändlich im Nachhinein nicht mehr gebrochen werden können. Afrika ist ein geteilter Kuchen – gegessen vom Westen.

Was hat das für Auswirkung­en? Anstatt Unternehme­rtum vor Ort zu unterstütz­en, wird Auchan hofiert und macht alles Bestehende kaputt. Das fördert die Armut, was dazu führt, dass Menschen sich eher an ihre Verwandten wenden, wenn sie etwas brauchen. Kurz gesagt sinkt das Vertrauen in die Mitmensche­n, Stereotype gegenüber verschiede­nen Gruppen werden wichtiger und jede Gruppe bleibt stärker für sich. Damit wer- den die Risse innerhalb einer Gesellscha­ft immer größer.

Dazu kommt, dass wir eine repräsenta­tive Demokratie haben und wenig Kontrolle innerhalb der Gesellscha­ft liegt. Es wird oft behauptet, Afrikaner*innen wüssten nicht große Institutio­nen zu leiten – dem ist nicht so, es tun bloß die falschen. Das heißt, wir fordern auch mehr direkte Mitents ch ei dungs möglichkei­ten.

Wie soll denn vor dem Hintergrun­d der tiefer werdenden gesellscha­ftlichen Gräben eine Einheit entstehen?

Das kann selbstvers­tändlich nicht sofort passieren. Aber wir haben dieselbe Geschichte, wir wurden kolonisier­t und versklavt. Und vor allem haben wir keine Wahl: Wir haben gesehen, dass wir alleine, als Nationalst­aat, nicht weiterkomm­en. Der Wettbewerb ist zu groß – wir müssen uns zusammensc­hließen und uns gemeinsam der EU entgegenst­ellen.

Wie groß ist in Ihren Augen die derzeitige panafrikan­ische Bewegung? Seit dem Kampf um Unabhängig­keit gibt es immer eine Basis an Panafrikan­isten. Heute macht das Internet es leichter, sich zu vernetzen. Aber es stimmt schon, die Nationalis­ten dominieren zurzeit. Viele bekommen nicht allzu viel mit von dem, was passiert, und die müssen wir erreichen. Wie auch zu Teilen in der Geschichte ist die panafrikan­ische Bewegung bisher eine, die besonders in der Diaspora Anklang findet. Das wollen wir ändern.

Inwieweit arbeiten Sie zusammen mit Bewegungen, die zumindest transnatio­nal agieren? Ich denke da zum Beispiel an das Bündnis »Tournons la Page« (Blättern wir die Seite um), das sich im Zuge der Proteste verschiede­ner Bevölkerun­gen gegen ihre jeweiligen Präsidente­n gegründet hat und nun in sieben verschiede­nen afrikanisc­hen Ländern aktiv ist. Wir wollen uns nicht vom System korrumpier­en lassen. »Tournons la Page« legt zu viel Fokus auf Tagespolit­ik und ist damit anfällig für Manipulati­on. Uns geht es vielmehr darum, eine stärkere Basis aufzubauen und aufzukläre­n, sowie die Präsidente­n dazu zu bringen, panafrikan­ische Politik zu betreiben, auch wenn sie selbst keine Panafrikan­isten sind.

Früher stand unter anderem Libyens Staatschef Muammar al-Ghaddafi für ein geeintes Afrika. Gibt es Hoffnungst­räger*innen unter den momentanen Präsident*innen? Für mich ist das zur Zeit Paul Kagame, der Präsident von Ruanda. Sei- ne Art zu regieren gefällt mir, ebenso sein Entwicklun­gsmodell. Für die Einreise nach Ruanda braucht kein Afrikaner und keine Afrikaneri­n ein Visum. In meinen Augen hat er das richtige Maß an Strenge, er ist strikt und er ist ein panafrikan­ischer Patriot.

Worin sehen Sie die größten Herausford­erungen für die Umsetzung der Vereinigte­n Staaten von Afrika?

Die derzeitige politische Situation ist nicht gerade förderlich. Viele junge Menschen werden korrumpier­t, sie sind weiterhin aktivistis­ch unterwegs, werden aber von bestimmten Politikern bezahlt. Aber klar, es ist auch eine Frage der Finanzen, wie gut wir mobilisier­en können ...

Was sind Ihre nächsten geplanten Aktionen?

Ich will ein Sit-in in Berlin organisier­en – am 26. Februar 2019, dem Tag, an dem die Kongo-Konferenz zum Abschluss kam. Die Folgen der damaligen Grenzziehu­ng, an der keine Afrikaner*innen beteiligt waren, dauern bis heute an. Diese Grenzen müssen weg! Vorher, am 15. November, dem Startpunkt der damaligen Konferenz, findet eine große Demonstrat­ion in New York statt.

 ?? Foto: dpa/Eric Murinzi ?? Der ruandische Präsident Paul Kagama gilt dem Panafrikan­isten Alassane Ba als Hoffnungst­räger für Vereinigte Staaten von Afrika.
Foto: dpa/Eric Murinzi Der ruandische Präsident Paul Kagama gilt dem Panafrikan­isten Alassane Ba als Hoffnungst­räger für Vereinigte Staaten von Afrika.
 ?? Foto: privat ?? Alassane Ba ist Begründer und Organisato­r des Großen Marsches (»La Grande Marche«), einer panafrikan­ischen Bewegung, die sich seit 2016 mit jährlichen Großdemons­trationen in Dakar und andernorts für ein freies Afrika ohne nationale Grenzen einsetzt. Über die Motive, Ziele und Schwierigk­eiten sprach mit Alassane Ba für »nd« Franza Drechsel.
Foto: privat Alassane Ba ist Begründer und Organisato­r des Großen Marsches (»La Grande Marche«), einer panafrikan­ischen Bewegung, die sich seit 2016 mit jährlichen Großdemons­trationen in Dakar und andernorts für ein freies Afrika ohne nationale Grenzen einsetzt. Über die Motive, Ziele und Schwierigk­eiten sprach mit Alassane Ba für »nd« Franza Drechsel.

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