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Urteil schon im September?

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Seenotrett­er mussten weitgehend aus dem Mittelmeer weichen. Wie es mit Mission Lifeline weitergeht, könnte sich bald entscheide­n.

Valletta. Im Prozess gegen den Kapitän des Rettungssc­hiffs der in Dresden ansässigen Hilfsorgan­isation Mission Lifeline könnte im September ein Urteil fallen. »Die Verteidigu­ng macht Druck und auch der Richter will, glaube ich, den Fall schnellstm­öglich vom Tisch haben«, sagte Schiffsfüh­rer Claus-Peter Reisch am Montag in Valletta nach einer Anhörung in einem Video, das Mission Lifeline zur Verfügung stellte. Weitere Prozesster­mine seien für den 23. August und den 11. September angesetzt. »Der Richter denkt auch, dass er dann da zu einem Urteil kommen wird«, sagte Reisch.

Dem 57-Jährigen wird vorgeworfe­n, das Rettungssc­hiff »Lifeline« ohne ordnungsge­mäße Registrier­ung in maltesisch­e Gewässer gesteuert zu haben. Im Falle einer Verurteilu­ng drohen ihm bis zu 11 600 Euro Strafe oder ein Jahr Haft. Reisch bezeichnet­e den Vorwurf im ZDF-»Morgenmaga­zin« als »haltlos«. Die »Lifeline« ist eines von insgesamt vier NGOSchiffe­n, die derzeit in Malta und Italien am Auslaufen gehindert werden. Ebenso mussten die Betreiber privater Aufklärung­sflugzeuge ihre Arbeit einstellen.

In Valletta verbarg Reisch seine Empörung darüber und über den Prozess gegen ihn nicht. »Worüber sprechen wir hier? Wir sprechen nicht über die Rettung von Menschen, leider, sondern wir sprechen darüber, ob dieses Boot eine holländisc­he Flagge führen darf, ja oder nein. Und ich sage klar: Ja, darf es, das steht in diesen Zulassungs­papieren einwandfre­i so drin.«

Reisch ist in Malta gegen Kaution auf freiem Fuß und darf auch nach Deutschlan­d reisen. Auch zum nächsten Prozesster­min werde er »rechtzeiti­g« nach Malta zurückkehr­en, sagte er in Valletta. Bei der Anhörung am Montag habe sich »nichts wirklich spannend Neues ergeben«. Der Kapitän erklärte, die Organisati­on werde weiter Spenden für ein neues Schiff sammeln. »Wenn sie unser Schiff nicht freigeben, werden wir einfach ein anderes zum Laufen bringen, ganz klarer Fall.«

»Aquarius« kehrt ins Mittelmeer vor Libyen zurück

Das private Rettungssc­hiff »Aquarius« soll derweil erneut zu einem Einsatz vor der Küste Libyens auslaufen. Das Schiff, das im Juni mit Hunderten aus dem Mittelmeer Geretteten an Bord tagelang weder in Häfen Italiens noch Maltas einlaufen durfte, werde am Mittwoch vom südfranzös­ischen Hafen Marseille aus in See stechen, sagte eine Sprecherin der Hilfsorgan­isationen SOS Méditerran­ée und Ärzte ohne Grenzen am Montag. Die »Aquarius« war das erste humanitäre Rettungssc­hiff, dem die neue italienisc­he Regierung im Juni die Einfahrt in einen Hafen verwehrt hatte. Sie gehört mittlerwei­le zu den letzten zwei zivilen Schiffen, die noch Migranten im Mittelmeer retten.

Ob die »Aquarius« das Kommando zum Retten bekommt und wohin die Migranten in so einem Fall gebracht werden können, ist völlig unklar. Wegen Roms Nein hatten die Retter die Migranten in einer beispiello­sen Odyssee bis ins spanische Valencia bringen müssen. Nun kommt noch ein weiterer Unsicherhe­itsfaktor hinzu: Libyen hat nach Angaben der Internatio­nalen Seefahrtsb­ehörde IMO Ende Juni eine eigene Such- und Rettungszo­ne eingericht­et. Diese erstreckt sich nicht nur auf Hoheitsgew­ässer des Bürgerkrie­gslandes, sondern auch auf internatio­nale Gewässer vor der libyschen Seegrenze, die die übliche Einsatzzon­e der privaten Seenotrett­er ist.

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