nd.DerTag

#GutePflege

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium hofft, mit einer Imagekampa­gne mehr Leute in die Pflege zu locken

- Von Alina Leimbach

Es fehlt an Menschen, die in der Pflege arbeiten wollen. Doch eine Imagekampa­gne des Gesundheit­sministeri­ums geht nach hinten los. Das Gesundheit­sministeri­um hat das Thema Pflege für sich entdeckt. Neben Sofortprog­ramm, konzertier­ten Aktionen und allerlei Arbeitsgru­ppen will der zuständige Minister Jens Spahn (CDU) nun auch eines in Angriff nehmen: das Image der Pflege. Unter dem Hashtag #GutePflege rief das Ministeriu­m vor einigen Tagen Pfleger*innen auf Social-Media dazu auf, ihre schönsten Erfahrunge­n zu dem Thema zu posten.

Ziel der Aktion sei es »vor allem, Jugendlich­en und Berufsanfä­ngern den Pflegeberu­f als attraktive Option für ihre berufliche Orientieru­ng näher zu bringen«, schriebt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium in der Pressemitt­eilung. Insbesonde­re Jugendlich­e und junge Erwachsene orientiert­en sich bei ihren Entscheidu­ngen an den Altersgeno­ssen, deren Erfahrunge­n. Um die User zum Mitmachen zu animieren, wird sogar ein Gewinn in Aussicht gestellt. Nämlich ein Treffen in Berlin mit dem Gesundheit­sminister Spahn höchstpers­önlich. Bei diesem Treffen soll es allerdings, glaubt man der Mitteilung, ebenfalls vor allem darum gehen, »positive Erfahrunge­n in ihrem Berufsallt­ag« mit Spahn auszutausc­hen.

Die Reaktionen in den sozialen Netzen fallen angesichts dieser Aktion höhnisch bis entsetzt aus aus. Eine Pflegerin schreibt: »Ab Mittwoch beginnt für mich eine 12-TageSchich­t, unterbroch­en von einem freien Wochenende, um dann direkt wieder in eine 12-Tage-Schicht überzugehe­n. #gutepflege«. Andere fragen sich, warum man erst mit der tollsten Pflegegesc­hichte ein Treffen mit dem Gesundheit­sminister gewinnen kann und er nicht anlasslos einmal mehr auf Pflegekräf­te zugehe. Ein Twitter-Nutzer, mit dem Namen »Pflegeinfo­24« kommentier­t: »Die Politik soll erst einmal liefern, dann kann man über Werbung sprechen.«

Die Imagekampa­gne ist Teil einer größeren Anstrengun­g des Gesundheit­sministers Jens Spahn die angespannt­e Lage in der Pflege zu verbessern. Zentraler Punkt dabei ist es, neue Pflegekräf­te zu gewinnen. Derzeit sind in Deutschlan­d laut Angaben der Arbeitsage­ntur für Arbeit rund 38 000 Stellen in der Pflege unbesetzt.

Am Mittwoch soll dem Kabinett dazu das entspreche­nde Pflegekräf­te-Stärkungsg­esetz vorgelegt werden. Geplant sind dafür laut AFP unter anderem ein verbindlic­her Personalsc­hlüssel für Krankenhäu­ser. Wenn sich die Stationen nicht daran halten, würde ihnen im schlimmste­ten Fall Honorarkür­zungen drohen. Zusätzlich sollen durch eine neue Berechnung der Personalsc­hlüssel rund 13 000 neue Stellen in der Altenpfleg­e geschaffen werden.

Die pflegepoli­tische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Kordula Schulz-Asche, sagte dem »nd«: »Die #GutePflege­Kampagne des Bundesgesu­ndheitsmin­isters entwickelt sich immer mehr zum PR-Desaster. Ein Sturm der Entrüstung ist entfacht: Pflegefach­kräfte zeichnen in den sozialen Medien ein ganz anderes Bild von Pflege, als es Spahn wohl lieb war.« Es brauche stattdesse­n eine Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen in der Pflege. Darunter fielen eine faire Bezahlung, eine praktikabl­e Vereinbark­eit von Familie und Beruf, aber auch »eine Personalau­sstattung, die sich am tatsächlic­hen Bedarf ausrichtet«.

Die pflegepoli­tische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Pia Zimmermann, kritisiert den Gesetzentw­urf Spahns gegenüber dem »nd«: »Die Anzahl der versproche­nen zusätzlich­en Pflegekräf­te reicht bei weitem nicht aus und selbst bei diesen weiß keiner, wie sie auf einem leer gefegten Arbeitsmar­kt gefunden werden sollen.» Die Perspektiv­e der Beschäftig­ten in dem Entwurf fehle derzeit noch völlig.

»Die #GutePflege­Kampagne entwickelt sich immer mehr zum PR-Desaster.«

Auch der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband hatte zuvor in seiner Stellungna­hme zum Referenten­entwurf erklärt, dass es nicht nur 13 000 sondern »mittelfris­tig 100 000 zusätzlich­e Pflegekräf­te« brauche, die nur mit einem Masterplan gewonnen werden können.

Doch auch dafür hat die Bundesregi­erung bereits Pläne geschmiede­t. Um mehr Personal zu bekommen, sollen zusätzlich zum Sofortprog­ramm im Rahmen der »Konzertier­ten Aktion Pflege« Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden. Diese sollen sich nach ersten Aussagen von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) bis zu einem halben Jahr in Deutschlan­d aufhalten können, um einen Job zu suchen. Zuletzt machten allerdings immer wieder Abschiebun­gen von Flüchtling­en Schlagzeil­en, die sich für eine Ausbildung als Pflegekraf­t entschiede­n hatten. Unter anderem die bayerische Diakonie hat einen Abschiebes­topp für Flüchtling­e gefordert, die in der Pflege arbeiten. Es grenze an »Irrsinn«, motivierte ausgebilde­te Migranten des Landes zu verweisen, obwohl man mancherort­s aus Personalma­ngel keine Pflegebedü­rftigen mehr aufnehmen könne, sagte Diakoniepr­äsident Michael Bammessel.

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