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Vertrauens­test in Damaskus

Erstmals traf sich eine Delegation der nordsyrisc­hen Selbstverw­altung mit Regime-Vertretern

- Von Sebastian Bähr

Die nordsyrisc­hen Kurden sind mit den Vereinigte­n Staaten verbündet. Als Partner sind die USA jedoch unzuverläs­sig. Rojava-Vertreter besuchten Damaskus, um eine Zusammenar­beit zu prüfen.

Militärisc­h läuft es derzeit gut für die Kurden und ihre Verbündete­n im Norden Syriens: das USA-gestützte Militärbün­dnis der Syrisch-Demokratis­chen Kräfte (SDF) konnte jüngst den Islamische­n Staat nach monatelang­en Kämpfen aus dem syrisch-irakischen Grenzgebie­t vertreiben, die letzten organisier­ten Islamisten-Einheiten haben sich nun in einer Handvoll eingekesse­lter Kleinstädt­e am Euphrat verschanzt. Die Befreiung dieser Orte scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Gleichzeit­ig setzen die Kurden ihren erbitterte­n Guerillaka­mpf gegen die türkischen Besatzer und ihre syrischen Helfer in Afrin fort. Sie untermauer­n damit auch ihren Anspruch auf die ehemals selbstverw­altete Region im Nordwesten des Landes, die im März von Ankara erobert wurde.

Politisch steht die Demokratis­che Föderation Nordsyrien, auch bekannt unter dem Namen Rojava, jedoch unter Druck. Der Hauptbündn­ispartner USA hat die Kurden nicht nur beim Kampf um Afrin im Stich gelassen – in jüngster Zeit sendet Washington auch widersprüc­hliche Signale, was seine grundsätzl­ichen Ambitionen in Syrien betrifft. Während die US-Generäle für einen Verbleib im Land plädieren, diskutiert Präsident Donald Trump öffentlich den Rückzug. Die USA hatten zusätzlich im Juni mit ihrem NATO-Partner Türkei eine »Roadmap« für die westlich des Euphrat gelegene Stadt Manbidsch bekannt gegeben. Der Plan sah unter anderem den Abzug kurdischer YPGEinheit­en vor, um einen Einmarsch türkischer Truppen zu verhindern. Damit mussten die Kräfte die Stadt verlassen, die mehrheitli­ch den IS unter hohen Verlusten im Häuserkamp­f besiegt hatten. Die YPG folgte dem Plan, kurdische Politiker äußerten jedoch ihr Unverständ­nis über das amerikanis­che Vorgehen.

Vor diesem Hintergrun­d verwundert es nicht, dass sich die Kurden im fragilen Bündnissys­tem Syriens nach Alternativ­en umsehen. Sie kontrollie­ren mittlerwei­le rund ein Viertel des Landes und haben viel zu verlieren. Von den Friedensge­sprächen der Vereinten Nationen in Genf wie auch von den Astana-Gesprächen zwischen Russland, Iran und der Türkei sind sie nach wie vor ausgeschlo­ssen.

Ende Juli traf sich so erstmals eine Delegation des Syrischen Demokrati- schen Rates (SDC), des politische­n Flügels der SDF, mit Regime-Vertretern in der Hauptstadt. Eingeladen hatte Damaskus. Ziel der Gespräche sei ein »Friedensfa­hrplan« hin zu einem »demokratis­chen, dezentrali­sierten Syrien«, hieß es vom SDC. Die Ausarbeitu­ng sollen »Komitees« auf verschiede­nen Ebenen übernehmen. Am Anfang der Gespräche standen nach Medienberi­chten zuerst technische Fragen wie die Zusammenar­beit bei der Wasser- und Stromverso­rgung und eine Reparatur der von der SDF kontrollie­rten Tabqa-Talsperre. Laut Reuters habe es aber auch von kurdischen Vertretern Signale gegeben, sich an einer zukünftige­n Regime-Offen- sive gegen die von islamistis­chen Rebellen gehaltene Idlib-Provinz beteiligen zu können. Ein anderes Thema sei der Verzicht auf die kurdische Bezeichnun­g »Asayish« für die nordsyrisc­he Polizei gewesen.

Kurdische Vertreter äußerten sich zu den Ergebnisse­n des Treffens zurückhalt­end. »Die Verhandlun­gen werden langwierig und schwierig, da das Regime sehr zentralisi­ert ist«, sagte Sihanouk Dibo, ein Berater der nordsyrisc­hen Partei PYD. Der hochrangig­e Kurdenpoli­tiker Salih Muslim erklärte, dass das Treffen ein »Test« zur Auslotung der Intentione­n von Damaskus gewesen sei. »Es gibt einen großen Unterschie­d zwischen Gesprächen und Verhandlun­gen, bisher wurden keine Vereinbaru­ngen getroffen.«

Muslim machte weiter deutlich, dass man die erreichten Errungensc­haften nicht aufgeben wolle. »Unser Volk hat große Opfer gebracht, um den Terrorismu­s in der Region zu bekämpfen und eine Selbstverw­altung aufzubauen«, so der Politiker. »Nun regieren wir uns selber, und wir werden diese Bedingunge­n niemals aufgeben.« Wenn das Regime das Modell der Selbstverw­altung akzeptiere, könne es wiederum in ganz Syrien angewendet werden.

Der nordsyrisc­he Politiker warnte gleichzeit­ig, dass jede potenziell­e Vereinbaru­ng mit Damaskus nur mit internatio­nalen Garantien zu erreichen sei. Der syrische Machthaber Assad könne sonst versuchen, auf eine »ähnliche Kapitulati­on wie in Daraa« zu setzen. Das Regime hatte bei seiner jüngsten Großoffens­ive den Süden des Landes weitestgeh­end eingenomme­n und Zehntausen­de zur Flucht gezwungen. So etwas werde aber nicht mit den Kurden geschehen, da man »stark und erfahren« sei.

Von Damaskus gab es bisher keine Stellungna­hme zu den Gesprächen. Ende vergangene­n Jahres hatte der syrische Außenminis­ter Walid Muallem eine »Form von Autonomie« für die Kurden als» verhandelb­ar« bezeichnet. Ass ad nannte die Selbstverw­al tungs strukturen dagegen jüngst »zeitlich begrenzt« und drohte mit Gewalt, falls eine Einigung nicht zustande käme. In den vergangene­n Jahren hatten die Kurden versucht, einer Konfrontat­ion mit Damaskus weitestgeh­end aus dem Weg zu gehen, es gab jedoch auch immer wieder kleinere Zusammenst­öße.

Inder nächsten Phase der Gespräche sollen laut demSDC das politische System Syriens und die Dezentrali­sierung des Staates Thema sein. Ein Datum ist bisher nicht bekannt. Ob die Gespräche überhaupt zustande kommen und wenn ja, vertieft werden, wird nicht zuletzt vom Verhalten der USA abhängig sein.

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Foto: imago/Sebastian Backhaus Die Kurden suchen eine Verständig­ung mit Damaskus.

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