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Studentenj­ob Klassenleh­rer

Nach den Sommerferi­en werden erstmals Lehramtsst­udierende in Schulklass­en unterricht­en

- Von Jérôme Lombard

Der Lehrermang­el in Berlin ist dramatisch. Rund 500 Stellen könnten zum Beginn des neuen Schuljahre­s unbesetzt bleiben. Da also dringend Personal her muss, sollen jetzt Studierend­e aushelfen.

»Vor einer Klasse zu stehen und 25 Schüler zu bespaßen, das ist total mein Ding«, sagt Diren Yapar mit einem breiten Grinsen. Wer schüchtern ist, sei nicht für den Lehrerberu­f gemacht. »Pädagoge war schon immer mein absoluter Traumjob«.

Man muss nur ein paar Worte mit ihm gewechselt haben, schon merkt man: Der 26-Jährige hat ordentlich Selbstbewu­sstsein, und Lehrer zu werden, das ist seine Berufung.

Yapar studiert aktuell Deutsch und Politikwis­senschafte­n im letzten Masterseme­ster an der Universitä­t Potsdam. Im September will er seine Abschlussa­rbeit fertig haben. Im neuen Schuljahr mit Start am 20. August wird der gebürtige Berliner wie viele andere Lehramtsst­udierende erstmals eigenveran­twortlich in einer Schulklass­e unterricht­en. Vor den Sommerferi­en hatte Bildungsse­natorin Sandra Scheeres (SPD) unter dem Motto »Unterricht­en statt Kellnern« speziell unter Masterstud­ierenden dafür geworben, studienbeg­leitend zu unterricht­en. So groß ist derzeit der Mangel an Lehrern in der Hauptstadt.

»Mich hat die Kampagne der Bildungsse­natorin gleich angesproch­en«, sagt Yapar. Natürlich werde man gehörig ins kalte Wasser geschmisse­n. Aber: »Auf diesem Weg kann ich schon vor dem Referendar­iat wichtige Berufserfa­hrung sammeln«. Darüber hinaus verdiene man sich noch etwas dazu. In Yapars Fall bedeutet das ein Gehalt zusätzlich zu seiner Stelle als studentisc­her Mitarbeite­r im Bundestags­büro des Pankower Abgeordnet­en Stefan Liebich (LINKE). »In der gegenwärti­gen Situation ist die Idee, Studierend­e als Lehrer einzusetze­n, absolut vernünftig«, findet Yapar.

Im neuen Schuljahr wird der angehende Pädagoge die sechste Klasse der Hausotter-Grundschul­e in Reinickend­orf in Deutsch unterricht­en. Eigentlich wollte er ja an einer Oberschule unterricht­en, wie Yapar sagt. Doch da der Bedarf an Lehrperson­al an den Grundschul­en am größten ist, werden die meisten studentisc­hen Junglehrer in den Klassenstu­fen eins bis sechs eingesetzt.

Yapar hat sich für eine Arbeitszei­t von sechs Unterricht­sstunden in der Woche entschiede­n. An einer Grund- schule wären theoretisc­h bis zu vierzehn möglich gewesen. An einer weiterführ­enden Schule maximal dreizehn Wochenstun­den.

Yapars Gehalt richtet sich nach dem Tarifvertr­ag für den öffentli- chen Dienst der Länder (TV-L). Er kann demnach mit einem Bruttolohn zwischen 600 und 700 Euro pro Monat rechnen. »Das ist für den Aufwand nicht viel, aber schon okay«, sagt er.

Der junge Mann, der sich selber als sehr politisch versteht, blickt mit Sorge auf das nächste Schuljahr. »Das Problem des Lehrermang­els werden wir auch mit den jetzigen Sofortmaßn­ahmen nicht lösen können.« Zu lange sei der Senat untätig gewesen, hätte die Pädagogena­usbildung schleifen lassen. »Jetzt haben wir den Salat«, sagt Yapar. Er fürchtet, dass die Qualität der Bildung dauerhaft Schaden nimmt. Sollten nicht alle noch offenen Lehrerstel­len besetzt werden, könnten Stunden für Sprachförd­erung und Inklusion wegfallen. »Das wäre insbesonde­re für Brennpunkt­schulen katastroph­al«, sagt Yaper. Kinder, die eine besondere Förderung brauchen, blieben dann auf der Strecke.

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Foto: nd/Ulli Winkler Diren Yapar freut sich auf seine neue Aufgabe als Lehrer.

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