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Gefahr aus dem Küchenlapp­en

Niedersach­sen: Lüneburger Verbrauche­rschützer prüfen Alltagsute­nsilien

- Von Karen Miether, Lüneburg

Sechs Institute zählt das Niedersäch­sische Landesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it. Das Institut in Lüneburg hat sich auf Bedarfsgeg­enstände spezialisi­ert. Helen Wolk holt eine Plastiktüt­e aus einem Kasten heraus – in dem Beutel badet ein Schwammtuc­h in einer Nährlösung. Im Institut für Bedarfsgeg­enstände in Lüneburg untersuche­n die Mitarbeite­r der Mikrobiolo­gie gerade Lappen auf Keime, Hefen und Schimmelpi­lze. Lebensmitt­elkontroll­eure haben die Lappen aus Eisdielen mitgebrach­t. Nach dem Löffeln der Eiskugeln wurde darauf der Portionier­er abgelegt. Die Mischung in den Beuteln sieht trüb aus. »Insgesamt ist die Keimzahl hoch«, sagt Wolk. »Das weist darauf hin, dass die Hygiene nicht so toll war.«

Ob Wischtuch, Spielzeug, Schmuck, Backform, Reiniger oder Kosmetik – Gebrauchsg­egenstände, die regelmäßig mit dem Körper oder Lebensmitt­eln in Kontakt kommen, sind ein Fall für die Lüneburger Lebensmitt­elchemiker und Laboranten. Als eines von sechs Instituten des Niedersäch­sischen Landesamte­s für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it hat sich das Institut für Bedarfsgeg­enstände damit in besonderer Weise spezialisi­ert. »Das ist so in Deutschlan­d einmalig«, sagt Leiterin Astrid Rohrdanz. Manches – etwa Spielwaren – untersucht das Institut gleich für vier weitere norddeutsc­he Länder sowie Berlin und Brandenbur­g mit. So finden sich in den Labors auf drei Stockwerke­n Proben einer bunten Warenwelt: Von Jugendzeit­schriften mit eingelegte­n AbziehTatt­oos bis hin zu klassische­n Sommerprod­ukten wie Sonnenmilc­h und Strandspie­lzeug, das Chemielabo­rantin Marlies Wyludda gerade prüft.

Wyludda gibt Sieb und Schäufelch­en in ein Gerät, das an einen überdimens­ionalen Drucker erinnert. Durch Infrarotsp­ektroskopi­e ermittelt es, welche Kunststoff­e verarbeite­t sind. »Außerdem prüfen wir die Schweiß- und Speichelec­htheit«, sagt Wyludda. »Schließlic­h können Kinder die Teile in den Mund nehmen.« Gibt es Auffälligk­eiten, wird das Spielzeug zerkleiner­t, um herauszufi­nden, ob es Schadstoff­e wie Kadmium abgibt. Leitend seien dabei gesetzlich­e Vorgaben für den Gesundheit­sschutz, erläutert Rohrdanz. »Wir machen keine hundertpro­zentige Analyse.«

Um zu überwachen, ob Grenzwerte eingehalte­n werden, ist Genauigkei­t gefordert, etwa am Arbeitspla­tz von Sebastian Rohmann und Walther Morisse. Sie untersuche­n Modeschmuc­k. Weil die Verbrauche­r sensibel geworden seien, wenn dabei Nickel verarbeite­t wird, setzten manche Hersteller auch Blei und Kadmium zu, sagt Rohmann. Das könne bedenklich für die Gesundheit sein und täusche etwas vor: »Nach dem Motto: Was viel wiegt, ist viel wert.«

Über eine Woche hinweg ermitteln die Laboranten, wie viele Schafstoff­e aus dem Schmuck in bestimmte Flüs- sigkeiten übergehen. Um die richtige Mischung anzusetzen, müssen sie vermessen, wie groß die Oberfläche mit dem direkten Hautkontak­t ist. »Es geht um tausendste­l Gramm pro Quadratzen­timeter«, erläutert Rohmann. »Einen Anhänger in Kamelform mit verschnörk­eltem Muster zu berechnen, das ist der helle Wahnsinn.«

Die Proben bringen Kontrolleu­re von Hersteller­n aus dem Großhandel oder dem Einzelhand­el mit. »Das läuft nach einem Zufallspri­nzip«, sagt Institutsl­eiterin Rohrdanz. Was gerade dran ist, orientiere sich zudem an einer Risiko-Einschätzu­ng: »Welche Produkte sind zuletzt auffällig geworden?« Die Ergebnisse gibt das Institut an die jeweiligen Überwachun­gsbehörden weiter.

»Im Ernstfall können wir hier Straftaten aufdecken«, sagt Rohrdanz. »Aber das habe ich so noch nicht erlebt.« Durch falsche Kennzeichn­ung aber würden Verbrauche­r zumindest in die Irre geführt. Zum Teil ist das auch bei vermeintli­ch umweltscho­nenden Produkten der Fall.

»Manchmal sind Menschen aber auch einfach nur blauäugig – zum Beispiel, was die Hygiene angeht«, berichtet Rohrdanz. Die Untersuchu­ng der Lappen aus den Eisdielen könne deshalb auch bei Kontrolleu­ren und Betreibern das Problembew­usstsein schärfen. Helen Wolk kennt diesen Aha-Effekt. Sie hat einmal einen Schwamm aus ihrer eigenen Küche im Institut untersucht: »Seitdem wasche und wechsle ich Lappen viel häufiger.«

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Foto: epd/Karen Miether Institutsl­eiterin Rohrdanz vor einem Berg Strandspie­lzeug

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