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Wo der Bremer sich gehen lassen kann

Braucht der Freimarkt eine Festhalle mit Niveau?

- Von A. Cäcilie Bachmann, Bremen

Selbst mitten im schier unendliche­n Hochsommer, der auch der Weser-Stadt Bremen Rekordtemp­eraturen beschert, ist der erst im Oktober anstehende »Freimarkt« ein Stadtthema. Mit seiner dann 983. Ausgabe gilt er als ältestes Volksfest Deutschlan­ds.

Was so nach Tradition und Gemütlichk­eit klingt und für die Hansestädt­er durchaus auch gemütlich ist, stellt bei vier Millionen Gästen in 16 Tagen nicht zuletzt ein knallharte­s Geschäft dar. Ganz entscheide­nd für den wirtschaft­lichen Erfolg auf dem Festplatz direkt in der Bremer City ist dabei der Standplatz auf dem Freimarkt. Auch für die Bremer als Besucher sind die Standorte wichtig: Sie trinken ihr Bier, wie sich in den Diskussion­en zeigt, gern am selben Ort im selben Zelt.

Ganz vorn lag dabei seit Jahren die »Bayernzelt« genannte »Bayernfest­halle«, die 2017 vom 35-jährigen Bremer Marketingu­nd IT-Fachmann Patrick Wolters für einen hohen Betrag übernommen wurde. Aus seiner Sicht mit der festen Zusage, den angestammt­en Platz in angestammt­er Größe in den nächsten Jahren behalten zu können, um unter anderem Geld für die hohen Raten der Kauf-Kredite einzuspiel­en.

Doch dann kam ein Mitglied der Bremer Schaustell­er-Dynastie Renoldi – sechste Generation – mit einem für das Bremer Wirtschaft­sressort unwiderste­hlichen Angebot für den Standplatz: Eine nagelneue Festhalle namens »Königsalm« aus erlesenem Holz mit ebenso erlesenen Schnitzere­ien, bequemen Sitzen, moderner Speisekart­e und beeindruck­endem Äußeren.

Die Konsequenz: Das »Bayernzelt« soll verlegt werden auf einen Platz, an dem sonst eine Renoldi-Hütte stand. Allerdings stünde das Zelt dann nicht mehr dort, wo der Hauptstrom der Gäste vorbeizieh­t, und müsste zudem auch noch um die Hälfte verkleiner­t werden. Wolters sieht in diesem Fall nicht die Möglichkei­t, so wirtschaft­lich zu arbeiten, dass er seine Kredite bedienen kann. Seine Idee, einen anderen – ebenfalls üblicherwe­ise von Renoldis belegten – Platz zu bekommen, der der Größe seines Zeltes entspricht, kam nicht durch.

Das SPD-geführte Wirtschaft­sressort sieht für den Jung-Schaustell­er jedoch keinen Grund zur Klage und kontert: Das »Bayernzelt« sei nicht gut geführt worden, sei in die Jahre gekommen und habe überhaupt nicht das Niveau der geplanten »Königsalm«. Doch gerade das, was die Behörde kritisiert, scheint den Charme für viele feierwütig­e Gruppen ausgemacht zu haben. Mit dem Niveau ist das offenbar so eine Sache: Denn schließlic­h kommen nicht wenige Besucher besonders aus Bremen und dem Umland auf den Freimarkt ins »Bayernzelt«, um mal die angeblich norddeutsc­he Reserviert­heit abzustoßen und hemmungslo­s alle NiveauRege­ln außer Acht zu lassen.

So wird in der Hansestadt schon gegrummelt, wer brauche denn Tischdecke­n, bequeme Lehnen und hübsche Vorhänge in einem »Bayernzelt«? Zelte zum distinguie­rten »Kaffeesier­en«, wie man in Bremen sagt, gebe es doch genug. Entscheide­nd seien ausreichen­d große Tresen und Tanzfläche.

Auch geht ein bisschen die Sorge um, eine »Königsalm« könne Publikum anziehen, das zwar über prall gefüllte Portemonna­ies und teure Trachtenkl­eidung verfüge, aber wenig Erfahrung mit dem »Sich mal gehen lassen« habe. Und das ist ein wunder Punkt, denn Bremen ist zwar keine Karnevalsh­ochburg, aber auf dem Freimarkt gelten eigentlich ähnliche Regeln wie beim einem rheinländi­schen Umzug.

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