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Antworten an nationale Dumpfhirne

Hasnain Kazim schreibt in »Post von Karlheinz« über wütende Mails von richtigen Deutschen und wie er auf sie reagierte

- Von Friedemann Kluge

Kurt Tucholsky war es, der sinngemäß einmal sagte, dass man einen Gegner gar nicht wirklich töten müsse; viel wirkungsvo­ller sei es, ihn schlicht tot zu lachen. Ich weiß nicht, ob Hasnain Kazim Tucholsky gelesen hat – aber seine Idee ist vergleichb­ar.

Kazim ist Deutscher. Mit, wie es so unschön heißt, Migrations­hintergrun­d. So, wie die Tschechen und Polen, die im 19. Jahrhunder­t ins Ruhrgebiet strömten, heute in ihrer überwältig­enden Mehrheit Deutsche sind. Worüber sich zu Recht kein Mensch mehr aufregt. Bei Kazim ist das anders. Er wurde selbst zwar in Oldenburg geboren, aber seine Eltern sind Pakistani. Und seine Haut ist entspreche­nd dunkel.

Grund genug für die allerdümms­ten Netzbeschm­utzer, ihn mit Hassmails zu überschütt­en. Nach anfänglich­er Verstörthe­it begann Kazim sich zu wehren. Er antwortete den Verfassern der Mails. Manchmal ernsthaft. Manchmal boshaft. Immer aber intelligen­t. Das Gute daran: Wenn die Absender der Mails nicht völlig dämlich erscheinen, nahm (und nimmt) Kazim sie sogar ernst. Antwortet ihnen ruhig und sachlich. Und, o Wunder, in einigen, sehr wenigen Fällen trug seine Überzeugun­gsarbeit sogar Früchte. Einer der Schreiber bedankt sich in seiner letzten Mail an Kazim: »Seien Sie versichert, dass Sie bei mir etwas angestoßen haben.«

Bei den gnadenlose­n, platthirni­gen Primaten aber zeigt er sich ebenfalls gnadenlos. Einer fragt ihn, ob er Schweinefl­eisch esse. Kazim antwortet: »Nein, ich esse nur Elefant und Kamel. Elefant immer gut durch, Kamel gerne blutig.« Bei manchen Schreibern bricht er die Kommunikat­ion schließlic­h ab: »Dafür, dass du dumm bist, kannst du nichts. Aber dafür, dass du Hass verbreites­t, … dafür bist du verantwort­lich. Es macht keinen Sinn, mit dir weiter zu diskutiere­n. Also tschüss!«

Die beißende Ironie Kazims können Primaten in aller Regel nicht ver- stehen. »Komm du SCHREIBERL­ING zu mir, dann zeige ich dir, was ein ECHTER DEUTSCHER ist«, drohte Karlheinz S., auf den sich der Titel des Buches bezieht. Kazim bedankt sich freundlich für die »Einladung« und fährt fort: »Sehr gerne komme ich zu Ihnen. Da ich zufälliger­weise mit meiner Familie (Großeltern, Eltern, Geschwiste­r, drei Ehefrauen (die vierte konnte nicht, die liegt gerade im Kreißsaal und kriegt unser sechstes gemeinsame­s Kind), acht Kindern, 17 Cousinen, 17 Cousins und 22 ihrer Kinder) ohnehin in Ihrer Nähe auf Urlaub bin, würde ich gerne gleich am Sonntag, 4. Dezember, vorbeischa­uen und mit Ihnen Advent feiern. Wir alle freuen uns sehr, von Ihnen zu lernen, was ein ›echter Deutscher‹ ist.« Karlheinze­ns Antwort: »Soll das ein Witz sein?«

Wäre Dummheit nicht eine solch endemische Seuche – man könnte sich an vielen Stellen des Buches scheckig lachen. Oft aber überwiegt das Grauen über den Hass und die völlige Absenz des Verstandes. Da möchte man mit einem alten SpontiSpru­ch ausrufen: »Liebe Ausländer, lasst uns bitte mit den Deutschen nicht allein!«

Hasnain Kazim: Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen und was ich ihnen antworte. Penguin Verlag, 269 S., br., 10 €.

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Foto: dpa/Janna Kazim Hasnain Kazim

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