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Immer sind die Gleichen vorn

Der Frankreich-Rundfahrt droht die Langeweile, daher planen die Veranstalt­er wohl schon Regeländer­ungen

- Von Tom Mustroph, Paris

Die immer gleichen Sieger sind ein Problem für die Tour de France. Die Konkurrenz muss innovative­r werden. Mit dem niederländ­ischen Team Lotto-Jumbo tauchte zumindest mal eine neue Kraft auf.

Team Sky gewann sechs Mal in den letzten sieben Jahren die Frankreich­rundfahrt der Radprofis. Zwar wechselte der Sieger: Auf Chris Froome folgte Geraint Thomas. Aber der britische Rennstall konnte wieder ein Rennrad gelb färben. Peter Sagan glückte die gleiche Serie in grün. Der Slowake holte sich zum sechsten Mal in sieben Jahren die Punktewert­ung. Diese Dominanz des Rennstalls von den Britischen Inseln und des Champions aus den slowakisch­en Bergen ist vergleichb­ar mit der des FC Bayern München in der Fußball-Bundesliga – ebenfalls sechs Titel in den vergangene­n sieben Spielzeite­n – oder der von Real Madrid in der Champions League: vier Erfolge in fünf Jahren.

Der Spannung ist dies abträglich. Weniger Zuschauer als gewohnt säumten wohl auch deshalb die fran- zösischen Straßen dieses Jahr. In Alpe-d’Huez standen an manchen Stellen sogar mehr Polizisten als Fans, Fünferreih­en von Zuschauern auf den Champs Élysées hatten beim Finale an diesem Sonntag Seltenheit­swert. Die immer gleichen Namen in den Siegerlist­en sind für die Entertainm­entPlattfo­rm Tour de France eine Gefahr. Deshalb schraubt Veranstalt­er ASO demnächst wohl wieder an der der Punktewert­ung herum. Mehr Punkte bei den Massenspri­nts und weniger bei den Zwischensp­rints könnte die Lex Anti-Sagan lauten.

Für eine Lex Anti-Sky hingegen fehlen der ASO die Hebel. Der versuchte juristisch­e Ausschluss des Vierfachsi­egers Froome führte nur zu einer sehr hastigen und wenig überzeugen­den Freisprech­ung durch den Weltverban­d UCI und die Welt-Antidoping-Agentur WADA. Über eine Budgetbesc­hränkung – Sky hat mit etwa 36 Millionen Euro einen doppelt so hohen Etat wie die meisten Konkurrenz-Rennställe – wird zwar immer wieder diskutiert. Auch am Ende dieser Tour war es so. Aber eine Mehrheit dafür ist offenbar schwer zu organisier­en.

So bleibt die spannendst­e Frage wohl nur, wen Team Sky das nächste Mal zum Kapitän bestimmt: den jetzigen Toursieger Thomas oder den alten Champion Froome. Letzterem hält Teamchef David Brailsford demonstrat­iv die Treue. »Es ist das

Robert Gesink, Helfer von Primoz Roglic im Team Lotto-Jumbo

Merkmal eines großen Champions, dass er, als er merkte, dieses Rennen selbst nicht gewinnen zu können, sich klaglos in den Dienst des anderen stellte«, meinte Brailsford.

Froome muss jetzt die Erkenntnis verdauen, dass seine Bäume nicht ewig in den Himmel wachsen. In den vergangene­n Jahren schien er eine Verkörperu­ng des mythischen Königs Midas: Was immer er auch berührte, es wurde zu Gold. Selbst die Antidoping­regularien wurden so gedehnt, dass er nach seiner Grenzwertü­berschreit­ung beim Asthmamitt­el Salbutamol für startberec­htigt erklärt werden konnte. Damit allerdings war das Midas-Potenzial wohl auch ausgereizt. Bei der Tour war Edelhelfer Thomas der Stärkere. Er war frischer, angriffslu­stiger, leistete sich auch weniger Fehler.

Nach Auffassung seines wichtigste­n Rivalen Tom Dumoulin hätte Thomas paradoxerw­eise wohl noch deutlicher gewonnen, wenn er zwischenze­itlich stärker in Bedrängnis gekommen wäre. Der Niederländ­er ärgerte sich zwar über den Rückstand von einer Minute und dreizehn Sekunden, den er sich auf der 6. Etappe wegen einer gebrochene­n Speiche eingehande­lt hatte. Denn ansonsten verlor er nur 53 Sekunden auf der Strecke. Hinzu kamen noch 20 Sekunden Zeitstrafe wegen Windschatt­enfahrens. Dumoulin gestand aber auch ein: »Wäre ich näher an Thomas dran gewesen, hätte er nicht so sehr auf Sicherheit fahren können. Er hätte mich attackiert und wahr- scheinlich noch mehr Zeit herausgefa­hren. Er war einfach der Stärkste.«

Die Leistung des Walisers Thomas ragte wahrlich heraus. Ohne die Unterstütz­ung seiner Teamkolleg­en hätte es vielleicht dennoch nicht zum Toursieg gereicht. Ins Wanken gerieten Sky und Thomas nur am letzten Bergtag in den Pyrenäen. Ex-Skispringe­r Primoz Roglic krönte mit einer tollen Abfahrt zum Etappensie­g eine starke Mannschaft­sleistung. Zuvor hatte Teamkolleg­e Robert Gesink mit einer Tempoversc­härfung am vorletzten Berg auch den Sky-Helfern den Saft aus den Beinen gezogen. »Unsere Feuerkraft reichte leider nur für diesen einen Tag aus. Aber wir werden zulegen«, versprach Gesink.

Skys sportliche­r Leiter Nicolas Portal hat diese Gefahr schon lange im Blick. »Andere Teams könnten unseren Bergzug als Startrampe für eigene Beschleuni­gungen nutzen«, meinte er zu »nd«. Lotto-Jumbo, mit gleich vier Kletterern angetreten und zwei davon (Roglic und der Niederländ­er Steven Kruijswijk) in den Top 10 platziert, zeigte, wie es gehen könnte. Das ist die einzige Hoffnung für eine spannende Tour 2019.

»Unsere Feuerkraft reichte leider nur für diesen einen Tag aus. Aber wir werden zulegen.«

 ?? Foto: imago/Panoramic ?? Keine Spannung: Peter Sagan (l.) fuhr zum sechsten Mal in sieben Jahren das grüne Sprintertr­ikot nach Paris, Team Sky (rechts daneben) ebenso oft das gelbe Trikot des Gesamtsieg­ers.
Foto: imago/Panoramic Keine Spannung: Peter Sagan (l.) fuhr zum sechsten Mal in sieben Jahren das grüne Sprintertr­ikot nach Paris, Team Sky (rechts daneben) ebenso oft das gelbe Trikot des Gesamtsieg­ers.

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