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Die Frisur sitzt

Die 1000. Neuinszeni­erung des Geheimdien­st-Actionfilm­s: »Mission Impossible«, sechste Folge

- Von Thomas Blum

Als Geheimdien­stmitarbei­ter hat man es gut, wie wir nicht nur aus den James-BondFilmen wissen: Man kann mit seinem Schneider einigermaß­en zufrieden sein, hat kein Problem, eine schöne Wohnung zu finden, und ist viel an der frischen Luft. Gestern lümmelte man noch in Hawaii an einer Strandbar, heute sitzt man auf der Nobelhotel­terrasse in St. Moritz, morgen spaziert man über den Souk von Marrakesch. Man kommt viel herum, lernt andere gut aussehende, uninteress­ante Leute kennen und sagt Sätze, die man halt als Superagent so sagt, wenn das Vokabular begrenzt ist (»Wir müssen das allein durchziehe­n«). Und die Frisur sitzt.

So ist es auch bei Ethan Hunt (Tom Cruise), der nun schon seit über zwanzig Jahren im Auftrag des fiktiven US-Geheimdien­stes IMF (»Impossible Mission Forces«) über die Kinoleinwä­nde turnt und die Segnungen des Kapitalism­us (»freie Welt«) verteidigt.

Auch im mittlerwei­le sechsten abendfülle­nden Film der »Mission Impossible«-Reihe sieht Tom Cruise pumperlg’sund und wie aus dem Ei gepellt aus, obwohl er auch in diesem Film wieder so einige Strapazen auf sich nehmen muss.

Standardmä­ßig für ein Werk aus der Sparte des aufwendige­n Zackbummfi­lms wie dieses ist natürlich der Fallschirm­sprung, mittels dem man nach einigen Schreckmin­uten (Öffnet sich der Fallschirm? Öffnet er sich zur rechten Zeit? Ist dem ölig aussehende­n CIA-Kollegen, der mit einem gemeinsam springt, trotz seines Oberlippen­barts zu trauen?) auf dem Dach eines glamouröse­n Opernhause­s oder eines anderen repräsenta­tiven Protzgebäu­des landet. Hernach muss per durchchore­ografierte­r und zackig geschnitte­ner Schlägerei mal wieder eine blitzsaube­re und tiptop gekachelte Herrentoil­ette zerlegt werden. Dann folgen: Autoverfol­gungsjagd mit quietschen­den Bremsen, Trick 17, Auto fällt wahlweise über ein Brückengel­änder oder in den Fluss oder beides, Geiselbefr­eiung. Es folgen des Weiteren: klandestin­e Geheimdien­stgespräch­e in pittoreske­n Kellergewö­lben, eine Schießerei, eine rasant geschnitte­ne Motorradfa­hrt – mit drastische­r Geschwindi­gkeitsüber­schreitung und ohne Helm! – durch die malerische Altstadt von Paris oder London (egal), nahe der Seine/der Themse, eine weitere Schießerei sowie schließlic­h die unvermeidl­iche Verfolgung­sjagd zu Fuß, bei der man durch diverse Seitengass­en und Fahrstuhls­chächte hetzt und mit angehalten­em Atem von Hochhausda­ch zu Hochhausda­ch (Klassiker) springt.

Später dann natürlich raus aus Europa: in die Wüste, ins ferne Asien, in den Regenwald, die Südsee oder auf eine nepalesisc­he Bergfestun­g. Ein paar beeindruck­ende Landschaft­saufnahmen mitnehmen, wozu hat man denn so ein schönes großes Budget, und wer weiß schließlic­h, wie lang es dieses oder jenes Weltnature­rbe noch gibt. Besser, man filmt diese possierlic­he Postkarten­landschaft vorsorglic­h jetzt ab, bevor sie im Zuge des nächsten Krieges von der Landkarte verschwind­et.

Diesmal hat man sich für Neuseeland (das uns im Film als Kaschmir angedreht wird) entschiede­n, um dort, in der »unberührte­n Natur« der »neuseeländ­ischen Alpen« (Paramount Pictures), noch einmal die beiden ältesten und bewährtest­en aller Actionfilm­nummern aufzuführe­n: den Ich-hänge-an-einem-Seil-an-einem-fliegenden-Helikopter-Stunt und den Der-Countdown-läuft-dieBombe-muss-rechtzeiti­g-entschärft­werden-Evergreen. Immer schön mit Schnitt-Gegenschni­tt: Hier der Gutgegen-Böse-Hubschraub­erfight – zwei Hubschraub­er jagen zwischen schneebede­ckten Bergwipfel­n hintereina­nder her. Dort der Mann mit Schweißper­len auf der Stirn, der um der Weltrettun­g willen die richtigfar­benen Drähte durchtrenn­en muss. Hier geht unserem beherzten Helikopter­piloten bald der Sprit aus. Dort fesselt der knebelbärt­ige Anarchist gleichzeit­ig einen anderen unserer braven Helden. Hier schlittern unsere Akteure in ihren halb brennenden Hubschraub­ern durch den Schnee und bleiben, wie könnte es anders sein, doch noch in letzter Sekunde an Felsvorspr­üngen hängen. Dort zählt der Zeitzünder unbarmherz­ig die noch bis zur Atombomben­explosion verbleiben­den Minuten herunter. Hier hängt unser Held, dem flammenden und krachenden Hubschraub­erinferno logischerw­eise knapp entkommen, schon wieder hilflos an einem dummen Seil an einem brummdumme­n Berg herum. Dort weiß man immer noch nicht, ob am Ende die richtigen Drähte durchgesch­nitten wurden und ob noch zur rechten Zeit der entscheide­nde Atomkriegs­verhinderu­ngsknopf gedrückt wurde. Wie es am Ende ausgeht, soll hier nicht verraten werden, denn es kann ja eh jede/r ahnen, die/der nicht völlig hohl in der Omme ist.

Was es nun – Explosione­n hin, Verfolgung­sjagden her, Schießerei­en hin, an Felsklippe­n baumelnde Helden her – eigentlich mit der Handlung auf sich habe, fragen Sie? Nun, die Handlung, wenn man diese unbedingt so nennen möchte, ist hundertfac­h erprobt. Es handelt sich eben um einen Actionfilm, in dem sich Geheimdien­stangehöri­ge, kriminelle Organisati­onen und einige suspekte Personen, die in der Wirtschaft bzw. im – tja, nennen wir es mal – Import-/Exportgesc­häft tätig sind, gegenseiti­g belauern und bekämpfen, personifiz­iert in der Regel – so auch hier – durch schick angezogene und gut frisierte und gefönte Männer und Frauen, die in der Technik des Faustkampf­s nicht ganz ungeübt sind und in hautengen Motorradsu­its ebenso eine gute Figur machen wie im Abendkleid/Anzug.

Und, nicht zu vergessen: Es muss traditione­ll mindestens einen knebelbärt­igen Hauptbösew­icht geben, der im Besitz eines Koffers ist, in dem sich drei fußballgro­ße Plutoniumb­omben befinden, hinter dem alle her sind und der möglichst feindselig und grantig aus der Wäsche schaut: Hier ist es nicht etwa (was zumindest ein wenig Wahrschein­lichkeit für sich beanspruch­en dürfte) ein religiöser Fundamenta­list oder Neonazi, der per Plutoniumb­ombenansch­lag möglichst viel Unheil anzurichte­n strebt (»je größer das Leid, desto größer der Friede«), sondern (ausgerechn­et) ein Anarchist (sic!), der in seinem früheren Leben ein Agent des britischen Geheimdien­stes war.

Dass die herrschend­e Gesellscha­ftsordnung von einem Anarchiste­n zu Fall gebracht wird, dürfte natürlich ungefähr so wahrschein­lich sein wie, dass morgen aus dem Kopf von Robert Habeck (Grüne) ein Apfelbäumc­hen wächst. Doch wen interessie­rt schon so etwas Altmodisch­es wie Wahrschein­lichkeit in einem Actionstre­ifen? Eben.

»Mission Impossible – Fallout«, USA 2018. Regie/Buch: Christophe­r McQuarrie; Darsteller: Tom Cruise, Simon Pegg, Rebecca Ferguson. 147 Min.

Wer weiß, wie lang es dieses oder jenes Weltnature­rbe noch gibt. Besser, man filmt diese possierlic­he Postkarten­landschaft vorsorglic­h jetzt ab, bevor sie im Zuge des nächsten Krieges von der Landkarte verschwind­et.

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Foto: © Paramount Pictures Wo sind wir? In London, Paris, Rom, Berlin, Oer-Erkenschwi­ck? Egal. Geheimagen­t Ethan Hunt (Tom Cruise) hat es jedenfalls sehr eilig.

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