Denk ich an Chaironeia ...
Im
nächsten Jahr könnte Mazedonien das 29. Mitglied der EU werden. Auch der Weg in die NATO ist nach Beilegung des Namensstreits mit Griechenland frei. Allerdings muss der zwischen Athen und Skopje ausgehandelte Kompromiss, dass sich der nördlicher gelegene, seit 1991 unabhängige Balkanstaat fortan Republika Severna Makedonija (Republik Nordmazedonien) nennt, erst durch einen Volksentscheid bestätigt werden. Denn für die mit der Umbenennung notwendig gwordene Verfassungsänderung bedarf es in Mazedonien im Gegensatz zur Bundesrepublik eines Referendums, des erklärten Willens des Souveräns. Was passiert, wenn das Volk nicht mit Ja stimmt? Nichts Schlimmes. Dass die ehemalige jugoslawische Teilrepublik dann eventuell nicht Mitglied der westlichen Militärallianz wird, wäre nur zu begrüßen. Je weniger Europäer der NATO angehören, desto entspannter die Lage auf dem Kontinent, zumal vor der Haustür Russlands.
Es verwundert nicht, dass Moskau die Namensänderung kritisierte. Es überrascht auch nicht, dass Mazedoniens Premierminister Zoran Zaev bereits unkte, griechische Geschäftsleute mit engen Beziehungen zu Russland würden seine Bürger bestechen, damit sie vor dem Referendum »gewalttätige Akte« begehen. Merkwürdig allerdings ist das Beharren der griechischen, zumal sozialistisch angeführten Regierung auf Umtaufe des nördlichen Nachbarlandes.
Es war einmal vor vielen Hunderten von Jahren, da galten den Griechen die Mazedonier als Barbaren, die zu nichts tauglich seien, außer zur Eroberung und Ausbeutung als Arbeitssklaven. Die tatsächlich im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung nicht auf glei-
Zweimal besiegten die Mazedonier die Griechen.
cher kultureller Stufe mit ihnen stehenden, teils noch archaischen Sitten frönenden nordischen Stämme kehrten den Spieß um. Am 2. August 338 v. u. Z. besiegte der makedonische König Philipp II. bei Chaironeia die Griechen unter Athens Führung. Mit Ausnahme von Sparta auf der Peloponnes unterwarfen sich die griechischen Stadtstaaten Philipp, der mit seinem Triumph die Grundlage für das spätere Imperium seines Sohnes Alexander schuf. Haben die heutigen Griechen – abgesehen von deren fraglicher, von Forschern bezweifelter ethnischen Verwandtschaft mit den Makedoniern – diese Schmach vergessen? Weshalb pochen sie aufs alleinige Besitzrecht von »Mazedonien«, den Namen ihrer einstigen Bezwinger? Irrwitz der Geschichte.
Als Alexander 20-jährig den Thron erbte, versuchten die Griechen, das makedonische Joch abzuschütteln, worauf der junge Imperator sofort reagierte. Grausam sein Strafgericht in Theben: 6000 Einwohner wurden gemeuchelt, 30 000 in die Sklaverei verkauft und alle Gebäude, bis auf das Wohnhaus des Dichters Pindar, zerstört. Die Abschreckung erreichte ihr Ziel, die griechischen Stadtstaaten gaben ihren Widerstand auf und marschierten an Alexanders Seite nach Persien, um das Reich des Dareios zu erobern, Orient und Okzident zu vereinen. Zur Feier seines Siegs rief Alexander, der schon zu Lebzeiten den Beinamen »der Große« erhielt, den von ihm zusammengeschlossenen Makedoniern, Griechen und Persern zu: »Möge Gott uns das Gute schenken und das Beste gewähren, koinonia und homonoia, Partnerschaft und Eintracht!« Warum ist das heute nicht möglich?