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Hohe Preise fördern kriminelle­s Handeln

Die BUKO Pharma-Kampagne weist auf den Unterschie­d zwischen Fälschunge­n und Substandar­d-Produkten hin – und auf die Folgen für Patienten

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Sollte angesichts der jetzt beklagten unübersich­tlichen Handelsbez­iehungen schon bei der Struktur des Pharmahand­els in Deutschlan­d eingegriff­en werden?

Eigentlich haben wir mit dem Großhandel ein gutes System. Das Problem sind die mangelnden Kontrollen. Warum wurde im Fall mit den Krebsmedik­amenten in Brandenbur­g auf die Warnungen aus Griechenla­nd nicht konsequent reagiert? Hier gibt es ein eindeutige­s Behördenve­rsagen.

Sehen Sie über die fehlende Kontrolle hinaus Ursachen für diesen und ähnliche frühere Fälle?

Es sollte jetzt wahrschein­lich nicht die ganze Aufsicht kurzfristi­g personell geändert werden. Die Frage ist eher, warum sich die Mitarbeite­r in der Brandenbur­ger Behörde nicht getraut haben, zu kontrollie­ren und einzugreif­en. Möglicherw­eise fürchteten sie Schadenser­satzforder­ungen. Aber das ändert nichts daran: Die Aufgabe einer Aufsichtsb­ehörde ist die Kontrolle.

Welche Maßnahmen halten Sie angesichts der Medikament­e aus dubiosen Quellen und auch angesichts nicht sicherer oder verunreini­gter Arzneimitt­el für notwendig?

Stärkere Kontrollen sind auf alle Fälle wichtig. Ich möchte aber einen Schritt weiter gehen und fragen: Warum kam es überhaupt zu diesen Ereignisse­n? Hauptursac­he sind aus unserer Sicht die teuren Medikament­e. Damit lässt sich viel Geld verdienen, kriminelle­s Handeln wird durch hohe Preise gefördert. Neuere onkologisc­he Therapien kosten meist um die 100 000 Euro pro Jahr. Man muss die hohen Preise beseitigen, denn die Gewinnmarg­en sind teils höher als im Drogenhand­el. Insofern ist es kein Wunder, dass Medikament­enfälschun­g und illegaler Handel mit Arzneien schon ein Geschäftsm­odell der organisier­ten Kriminalit­ät sind. Wie lässt sich mit Produktion­sänderunge­n und -ausfällen umgehen, die oft auch Ursache für Lieferengp­ässe in hiesigen Apotheken sind? Im Prinzip geht es um eine frühe Qualitätss­icherung. Aber ein Großteil der Wirkstoffp­roduktion findet global statt, 80 Prozent werden in Indien und China hergestell­lt. Zudem gibt es eine starke Konzentrat­ion auf wenige Anbieter. Das führt dazu, dass bei uns auf den Medikament­enpackunge­n verschiede­ne Hersteller und auch Handelsnam­en stehen, die Wirkstoffe aber häufig aus ein- und derselben Fertigung kommen. Eigentlich muss man vermeiden, dass weitere Produktion­sstätten aus Deutschlan­d und der EU heraus verlagert werden. Außerdem müssten in den Haupterzeu­gerländern die Kontrollen verstärkt werden. Dort werden Standards oft nicht eingehalte­n, um so günstig wie möglich zu produziere­n. Dann sinkt die Qualität. Dafür müssen auch hiesige Hersteller in die Pflicht genommen werden, die in Asien produziere­n lassen oder von dort Wirkstoffe beziehen. Und wir brauchen eine größere Anzahl an Produzente­n, auch in Deutschlan­d.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenha­ng die EU-Fälschungs­richtlinie, die bis auf drei Ausnahmelä­nder, darunter Griechenla­nd, ab Anfang nächsten Jahres umgesetzt werden muss?

Sie enthält wichtige Maßnahmen, die eine bestimmte Packungske­nnzeichnun­g erfordern, nämlich dazu, wo das Medikament hergestell­t wurde, welche Lieferschr­itte es gab; dies über einen Barcode maschinenl­esbar. Das ist vernünftig und ermöglicht mehr Transparen­z. Jedoch sollte man mit dem Begriff »Fälschung« sehr bewusst umgehen. Fälschung ist ein eindeutige­r Begriff aus dem Ur- heberrecht, also wenn zwar Bayer draufsteht, das Mittel aber eine ganz andere Herkunft hat. Schutz vor Fälschunge­n ist also primär ein wirtschaft­liches Interesse der Besitzer von Markenrech­ten. In der politische­n Diskussion wird deshalb gerne alles Mögliche als Fälschung bezeichnet, auch korrekt produziert­e Generika. Pharmaunte­rnehmen bezeichnen auch gerne mal Medikament­e als Fälschung, die von bestimmten Staaten in Notsituati­onen unter einer Zwangslize­nz hergestell­t werden, um sie Patienten preiswerte­r zugänglich zu machen. Aus Sicht der Patienten ist aber etwas ganz anderes wichtig: Sie brauchen Medikament­e, die den gesetzlich­en Standards entspreche­n. Gefährlich sind die so genannten Substandar­d-Produkte mit Verunreini­gungen, zu wenig oder gar keinem Wirkstoff. Fälschunge­n gefährden vor allem die Gewinne der Markeninha­ber, Substandar­d-Produkte gefährden die Patienten.

 ?? Foto: J. Schaaber ?? Die aktuellen Probleme mit der Medikament­enversorgu­ng in Deutschlan­d reichen von Lieferengp­ässen bis zum Einschleus­en gefälschte­r, verunreini­gter oder gestohlene­r Waren. Mit von der BUKO Pharma-Kampagne sprach über Ursachen für die Missstände im...
Foto: J. Schaaber Die aktuellen Probleme mit der Medikament­enversorgu­ng in Deutschlan­d reichen von Lieferengp­ässen bis zum Einschleus­en gefälschte­r, verunreini­gter oder gestohlene­r Waren. Mit von der BUKO Pharma-Kampagne sprach über Ursachen für die Missstände im...

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