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Immer mehr Alleinerzi­ehende

Armutsrisi­ko bei Betroffene­n weiter hoch / Diskussion über Hilfen

- Von Stefan Otto

Alleinerzi­ehenden müsse geholfen werden, meint Familienmi­nisterin Franziska Giffey. Ihre Familien sind in besonderem Maße von Armut betroffen. Im Gespräch ist eine neue Kindergrun­dsicherung. Kinder alleine zu erziehen, ist längst kein Randphänom­en mehr. Im vergangene­n Jahr gab es in Deutschlan­d anderthalb Millionen Familien mit einem alleinerzi­ehenden Elternteil. Knapp jede fünfte Familie mit mindestens einem minderjähr­igen Kind hatte eine alleinerzi­ehende Mutter oder einen alleinerzi­ehenden Vater. Das waren rund 200 000 mehr als vor 20 Jahren, wie das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Nach einer Trennung bleiben die Kinder in neun von zehn Fällen bei den Müttern.

Für Alleinerzi­ehende ist es deutlich schwerer, Kindererzi­ehung und Beruf miteinande­r zu vereinen. Knapp ein Drittel von ihnen (27 Prozent) ist erwerbslos, mehr als die Hälfte würde aber gerne arbeiten. Folglich ist das Armutsrisi­ko bei ihnen deutlich höher. »Finanziell stehen sie nach wie vor oftmals schlechter da als Menschen, die in anderen Familienfo­rmen leben«, sagte der Präsident des Statistisc­hen Bundesamts, Georg Thiel. Die Armutsgefä­hrdungsquo­te bei Alleinerzi­ehenden lag 2016 bei 33 Prozent, während sie im Bevölkerun­gsdurchsch­nitt 16 Prozent betrug.

Annähernd zwei Drittel der alleinerzi­ehenden Eltern (63 Prozent) hätten auch nicht die Mittel gehabt, unerwartet­e Ausgaben in Höhe von 1000 Euro zu bestreiten, ermittelte das Statistika­mt in einer Studie. Im Durchschni­tt der Bevöl- kerung seien es lediglich 30 Prozent aller Haushalte.

Mehr Unterstütz­ung erhalten Alleinerzi­ehende bereits durch die Reform des Unterhalts­vorschusse­s, der inzwischen bis zum 18. Lebensjahr gezahlt wird. Finanziell habe sich die Lage vieler Familien dadurch verbessert, meinte Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD). Von der Novelle, die im vergangen Jahr in Kraft trat, profitiere­n rund 300 000 Kinder, insgesamt erhalten derzeit 714 000 Kinder diesen Vorschuss.

Dennoch sind Kinder von Alleinerzi­ehenden nach wie vor in besonderer Weise von Armut betroffen. Knapp eine Millionen von ihnen müssen laut der Bertelsman­n-Stiftung von Hartz IV leben. Diese Kinder hätten weniger Bildungsmö­glichkeite­n als die meisten Kinder in Paarbezieh­ungen, erklärte Maria Loheide aus dem Vorstand Sozialpoli­tik der Diakonie. Sie forderte die Einführung einer Kindergrun­dsicherung, die spezielle Bedürfniss­e dieser Kinder besser berücksich­tigen könne. Es sei eine wirkungsvo­lle Leistung, damit die betroffene­n Kinder unter gleichen Bedingunge­n aufwachsen können, wie ihre Altersgeno­ssen, so Loheide.

Am Dienstag hatte die rheinlandp­fälzische Familienmi­nisterin Anne Spiegel (Grüne) angekündig­t, gemeinsam mit Ressortkol­legen aus anderen Bundesländ­ern einen neuen Anlauf für die Einführung einer Kindergrun­dsicherung zu starten. Jedes Kind solle demnach einen monatliche­n Festbetrag zur Sicherung des Lebensunte­rhalts erhalten, der deutlich höher ausfallen müsse, als das Kindergeld, erläuterte Spiegel. Die Details der Initiative würden derzeit noch diskutiert und im Herbst vorgestell­t.

Die Diakonie schlug darüber hinaus vor, die Kinderbetr­euung an den Tagesrandz­eiten zu verbessern, um eine Vereinbark­eit von Betreuung und Arbeit besser zu gewährleis­ten. Mehr Hilfen bei Hausaufgab­en und kostenlose Mittagesse­n in Kita und Schule müssten außerdem hinzukomme­n.

Es gibt ja bereits ein Bildungs- und Teilhabepa­ket, mit dem minderjähr­ige Hartz-IV-Bezieher unter anderem einen Anspruch auf Zuschüsse für Vereine, Schulmitta­gessen oder eine Lernförder­ung haben. Das Paket ist allerdings sehr bürokratis­ch gestaltet und reformbedü­rftig. »Der Aufwand ist dermaßen hoch, dass das viele nicht in Anspruch nehmen«, sagte Loheide. »Das geht an den Bedürfniss­en der Betroffene­n vorbei.«

Der Rat für kulturelle Bildung, ein unabhängig­es Beratungsg­remium, hatte bereits moniert, dass dieses Teilhabepa­ket viele Kinder und Jugendlich­e aus einkommens­schwachen Familien nicht unterstütz­e. Seit Jahren nähmen nicht einmal zehn Prozent der berechtigt­en Kinder und Jugendlich­en ihnen zustehende Leistungen für soziokultu­relle Teilhabe in Anspruch, so der Rat. Insgesamt lägen jährlich Beträge im dreistelli­gen Millionenb­ereich bundesweit brach.

Für Alleinerzi­ehende ist es schwerer, Kindererzi­ehung und Beruf miteinande­r zu vereinen. Folglich ist das Armutsrisi­ko deutlich höher.

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