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Atomfabrik ohne Daseinsber­echtigung

Die Pilotkondi­tionierung­sanlage in Gorleben ist eigentlich zu nichts zu gebrauchen

- Von Reimar Paul

In der Nähe des Zwischenla­gers Gorleben steht eine Pilotkoord­inierungsa­nlage im Stand-by-Betrieb. Wird Gorleben kein Endlager, bleibt sie ein weiterer teurer Fehlbau deutscher Atompoliti­k. Wer von den Atomanlage­n in Gorleben redet, meint meist die beiden Zwischenla­ger – eines für Castor-Behälter mit hoch radioaktiv­em Müll, das andere für schwach- und mittelakti­ve Abfälle – oder das Erkundungs­bergwerk für das Endlager. Weitgehend unbeachtet wurde im Gorlebener Wald vor Jahrzehnte­n aber noch eine weitere Fabrik hochgezoge­n: Die Pilotkondi­tionierung­sanlage (PKA). Das Bauwerk könnte, ähnlich wie der Schnelle Brüter in Kalkar oder der Hochtemper­aturreakto­r in Hamm, zu einem weiteren Mahnmal gescheiter­ter Atompoliti­k werden.

Im Frühjahr 1990 war der Spatenstic­h für die PKA erfolgt, umgerechne­t rund 400 Millionen Euro kostete der Bau. Zehn Jahre später erteilte das niedersäch­sische Umweltmini­sterium die Betriebsge­nehmigung. In der Fabrik sollten probeweise abgebrannt­e Brennstäbe aus den großen und schweren Castoren in kleinere Behälter umverpackt, also für eine direkte Endlagerun­g »konditioni­ert« werden. Die PKA als Versuchs- und Erprobungs­anlage zur Herstellun­g »endlagerfä­higer Gebinde« – so beschrieb die bis vor Kurzem für die Anlage verantwort­liche Gesellscha­ft für Nuklearser­vice (GNS), damals den Nutzungszw­eck.

Zwischenze­itlich hat sich dieser Arbeitsauf­trag erledigt. Er ergibt nämlich nur Sinn, wenn in Gorleben gleichzeit­ig das zentrale Endlager für Atommüll eingericht­et wird. Von dieser Festlegung hat die Bundesregi­erung offiziell Abstand genommen. Das zuletzt 2017 novelliert­e Standortau­swahlgeset­z sieht ein völlig neues Suchverfah­ren auf einer »weißen Landkarte« vor, in dem weder das Wirtsgeste­in noch der Standort feststehen. Da wo Gorleben liegt, hat die Landkarte allerdings schon einen deutlichen Hinweis, denn der dortige Salzstock wurde als einziger Ort bereits ausführlic­h untersucht. Umweltschü­tzer aus der Region sagen sogar, dass dort unter dem Deckmantel der Erkundung bereits ein Endlager weitgehend fertig gebaut wurde.

Für die PKA bedurfte es also einer neuen Daseinsber­echtigung. Und so erklärten Politik und Betreiber die Fabrik als Service- und Reparaturs­tation für defekte Castor-Behälter aus dem benachbart­en Zwischenla­ger für unverzicht­bar. Diese Beschreibu­ng fand auch Eingang in die Betriebsge­nehmigung für das Lager. Die Atomgegner brachte das auf die Palme: »Wenn die Behälter unsicher sind, dürfen sie gar nicht benutzt werden«, erboste sich schon vor Jahren die Bürgerinit­iative (BI) Umweltschu­tz Lüchow-Dannenberg. Selbst wenn man die Notwendigk­eit einer Reparature­inrichtung unterstell­e, müssten aus denselben Erwägungen auch an anderen Zwischenla­gern für hoch radioaktiv­en Müll vergleichb­are Anlagen gebaut werden.

Gleichzeit­ig machte die BI auf das ihres Erachtens erhebliche Gefahrenpo­tenzial der Anlage aufmerksam. Über den 60 Meter hohen Schornstei­n und eine spätere Pipeline zur Elbe könnten größere Mengen Radioaktiv­ität in die Umwelt gelangen.

So weit kam es allerdings nicht. Die PKA nahm nie den sogenannte­n heißen«Betrieb auf, offiziell aufgegeben wurde das Reparaturk­onzept aber nicht. Ein Konditioni­erungsbetr­ieb in der PKA sei zwar nicht mehr vorgesehen, sagt auf Anfrage Tobias Schmidt von der bundeseige­nen Gesellscha­ft für Zwischenla­gerung (BGZ) – sie übernahm die PKA vor einem Jahr im Zuge der Neuordnung der Verantwort­lichkeiten in der Atommüllpo­litik. Für eine mögliche Behälterre­paratur sei die PKA aber »weiterhin im Stand-by-Betrieb«.

Gleichzeit­ig, so Schmidt, prüfe die BGZ Alternativ­en für die Wartung und Inspektion der Gorlebener Castoren. Ein Indiz, dass der Betreiber die kostspieli­ge Anlage möglichst bald loswerden beziehungs­weise stilllegen möchte. Denn alleine der »Stand-byBetrieb« der PKA verursacht jedes Jahr Kosten in Höhe von fünf Millionen Euro. Die Bürgerinit­iative verweist zudem darauf, dass die Technik der vor fast 30 Jahren gebauten Fabrik inzwischen völlig veraltet ist. Die PKA, sagt ein Sprecher der Initiative, »hat sich erledigt«.

Alleine der »Stand-byBetrieb« verursacht jedes Jahr Kosten in Höhe von fünf Millionen Euro.

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