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Bewegung auf der Billiginse­l

Sachsen: LINKE legt einen eigenen Entwurf für ein neues Vergabeges­etz des Landes vor

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Bei den Vergabesta­ndards für öffentlich­e Aufträge ist Sachsen Schlusslic­ht im Bund. Ein von CDU und SPD schon im Jahr 2014 angekündig­tes neues Gesetz dazu lässt auf sich warten. Als Sachsens Polizisten ab 2009 neue, blaue Uniformen bekamen, wurden diese in den höchsten Tönen gelobt: Vom »erstklassi­gen Tragekomfo­rt« schwärmte man im Innenminis­terium und merkte an, Funktional­ität und Qualität hätten »bei der Wahl der neuen Uniform (…) an erster Stelle« gestanden. Weniger wichtig war offenbar, unter welchen Bedingunge­n sie gefertigt wird. In einer damit beauftragt­en Näherei in Mazedonien herrschten »unmenschli­che Bedingunge­n«, kritisiert das Netzwerk »Sachsen kauft fair«; von den Löhnen könne »ein Mensch nicht leben«.

Das ist kein Einzelfall. Sachsen sei »bundesweit­es Schlusslic­ht« bei den Standards, nach denen öffentlich­e Aufträge vergeben werden, sagt Klaus Tischendor­f, gewerkscha­ftspolitis­cher Sprecher der LINKEN im Landtag. Der DGB-Landeschef Markus Schlimbach bezeichnet den Freistaat gar als »Billiginse­l«. Während alle anderen ostdeutsch­en Bundesländ­er zum Beispiel eine Untergrenz­e für Löhne haben, zu denen sie öffentlich­e Aufträge vergeben, existiert eine solche in Sachsen nicht.

Eigentlich hatte die Regierungs­koalition aus CDU und SPD bei Amtsantrit­t im Jahr 2014 angekündig­t, das von der Vorgängerk­oalition aus Union und FDP ein Jahr zuvor beschlosse­ne Vergabeges­etz zu überarbeit­en. Der SPD gingen dessen Regelungen nicht weit genug. Im Koalitions­vertrag steht, ein modernes Vergabeges­etz sei »von zentraler Bedeutung«; das Regelwerk solle daher »bis spätestens 2017« überarbeit­et werden. Bis jetzt aber ist nichts passiert – und in einem Jahr ist erneut Landtagswa­hl.

Nun bringt die LINKE Bewegung in die Angelegenh­eit. Sie legte jetzt einen Gesetzentw­urf vor, der gemeinsam mit DGB und »Sachsen kauft fair« erarbeitet wurde. Die Co-Autoren knüpfen damit an eine etwa fünf Jahre alte Kampagne des DGB mit dem Titel »Billig kommt teuer« an sowie an eine gemeinsame Initiative der damaligen Opposition­sparteien von aus dem Jahr 2012 – seinerzeit unter Ein- schluss der SPD. Diese könne sich aber nun in der Koalition nicht gegen die CDU durchsetze­n, stichelt Tischendor­f. Beleg: Als SPD-Landeschef Martin Dulig im Dezember Bedingunge­n nannte, unter denen seine Partei zur Wahl des CDU-Mannes Michael Kretschmer zum neuen Ministerpr­äsidenten bereit wäre, habe das Vergaberec­ht, obwohl ein SPDKernthe­ma, nicht dazugehört.

Der jetzt vorgelegte Gesetzentw­urf sieht unter anderem ein Min- destentgel­t vor, das Firmen bei öffentlich­en Aufträgen zahlen sollen. Es liegt bei 11,24 Euro. »So viel müsste das Land auch mindestens zahlen, wenn es die Arbeit selbst erledigt«, sagte Tischendor­f. Generell solle »nicht mehr das billigste, sondern das wirtschaft­liche Angebot« berücksich­tigt werden, sagte Schlimbach und sprach von einem »Ende des Billigwahn­s«.

Antonia Mertsching von »Sachsen kauft fair« sagte, es würden nicht nur die Kosten für den Auftraggeb­er berücksich­tigt, sondern auch jene »für die Menschen anderswo in der Welt und für die Umwelt«. Mit dem neuen Gesetz würde Sachsen die Nachhaltig­keitsziele der Vereinten Nationen erfüllen.

Derzeit hat der Freistaat, anders als etwa der Bund, keine entspreche­nde Strategie. Den Vorwurf, die Regelungen führten zu mehr Bürokratie, wies Mertsching zurück. Einerseits halte sich diese dank vieler Siegel und Zertifikat­e in Grenzen; anderersei­ts sei es »nicht fair, Nachhaltig­keit gegen Bürokratie auszuspiel­en«.

Laut Koalitions­vertrag sollte das Vergabeges­etz »bis spätestens 2017« überarbeit­et werden – passiert ist nichts.

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