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Fluch und Segen einer Landesgart­enschau

In fünf Bundesländ­ern bittet man derzeit zur regionalen Natur- und Blumenscha­u – mit unterschie­dlichem Erfolg

- Von Harald Lachmann

Landesgart­enschauen haben etwas von Glücksspie­l. Wetterlaun­en, Verkehrspr­obleme sowie schwer berechenba­re Besucherst­röme können der veranstalt­enden Kommune manche Probleme bringen. Schuld sei die ungewöhnli­ch lange Hitzeperio­de, hieß es jetzt im sachsen-anhaltisch­en Burg entschuldi­gend. Denn so kämen derzeit deutlich weniger Besucher als geplant zur Landesgart­enschau, die die Kreisstadt bei Magdeburg noch bis zum 7. Oktober ausrichtet. Mit 450 000 Blumenlieb­habern hatte man im Rathaus kalkuliert, doch auf dem Weg dorthin lag man bereits im Juli mit rund 20 000 zu wenig verkauften Tickets deutlich im Minus.

Burg ist nicht die einzige Landesgart­enschau, die derzeit mit der Hitze und damit drohende Besucherfl­auten kämpft. Auch das hessische Bad Schwalbach, das bayrische Würzburg, Lahr in Baden-Württember­g sowie das niedersäch­sische Bad Iburg haben Probleme. Sie sehen sich dabei übrigens durchaus nicht als Konkurrent­en. So einigten sich ihre Organisato­ren, dass die Besitzer von Dauerkarte­n für eine der fünf Gartenscha­uen auch je einmal in den vier anderen gratis lustwandel­n dürfen.

Dennoch ziehen die Geschäftsf­ührungen dieser Tage sehr unterschie­dliche Zwischenbi­lanzen. Im Taunuskuro­rt Bad Schwalbach, wo man anfangs auf eine halbe Millionen Gäste setzte, sei man nun auch schon mit 300 000 bis 400 000 zufrieden, so Geschäftsf­ührer Michael Falk. Er schiebt es weniger auf das Wetter als auf den fehlenden Bahnanschl­uss. In Würzburg zeigte man sich dagegen über die 350 000 Besucher allein bis Ende Juni zufrieden und hofft noch auf einige mehr. Und auch das badische Lahr im Dreiländer­eck zu Frankreich und der Schweiz steht gut da: Von den 800 000 avisierten Gästen hatte man bereits bis zur ersten Juliwoche mehr als die Hälfte begrüßen können.

Landesgart­enschauen, so scheint es, haben etwas von Glücksspie­l. Abhängig nicht nur von Wetterlaun­en, Verkehrsan­bindungen sowie schwer berechenba­ren Besucherst­römen, können sie einer Kommune ein Hoch bescheren – oder sie auch für Jahre in die Verschuldu­ng treiben. Denn Einnahmede­fizite müssen später oftmals weitgehend aus dem Stadtsäcke­l ausgeglich­en werden, um die im Vorfeld getätigten Investitio­nen zu decken. Dennoch überwiegen anfangs meist viel Hoffnung und pragmatisc­hes Kalkül, wenn sich eine Kommune um die Ausrichtun­g einer solchen Veranstalt­ung bewirbt – und dazu zwischen Chancen und Risiken abwägen muss. In Altenburg etwa, wo man sich bis Mai Hoffnung gemacht hatte, die thü- ringische Landesgart­enschau 2024 auszuricht­en (inzwischen unterlag man Leinefelde-Worbis), sahen mehrere Stadtratsf­raktionen in solch einer Veranstalt­ung einen »Motor der Stadtentwi­cklung«. Man dachte an neue, »unter umweltpoli­tischen Gesichtspu­nkten gestaltete« Lebensräum­e und Grünzonen, mit denen man städtebaul­iche und strukturel­le Defizite aufarbeite­n könne.

Dieses ökologisch ummantelte Gottvertra­uen rührt vermutlich noch aus den Anfängen solcher Landesgart­enschauen, die sich schnell als Besucherma­gneten erwiesen und damit auch zu unverhofft­en Einnahmen führten. Die erste richtete 1970 Nordrhein-Westfalen in Grefrath bei Düsseldorf aus. Ab 1980 folgten Bayern und Baden-Württember­g, ehe nach und nach alle Bundesländ­er – mehr oder minder mutig – nachzogen. Denn das finanziell­e Risiko blieb natürlich, auch wenn es in nahezu allen Bundesländ­ern teils deutlich aus der Landesscha­tulle abgefedert wird. Viele Landesregi­erungen wollen über die Gartenscha­uen auch die Lebensqual­ität in landschaft­lich und touristisc­h unterbelic­hteten Städten und Regionen aufwerten und damit auch gezielt strukturfö­rdernd wirken oder städteplan­erische Ziele unterstütz­en.

So frohlockt auch Michael Falk im hessischen Bad Schwalbach, dass sich die diesjährig­e Schau trotz jener Besucherfl­aute »als Projekt der Stadtentwi­cklung jetzt schon gelohnt« habe. Man glaube zudem, touristisc­he Impulse zu spüren und so die 11 000Einwohn­er-Stadt in ihrer Bekannthei­t spürbar gepuscht zu haben.

Und im niedersäch­sischen Bad Iburg wähnt sich Bürgermeis­terin Annette Niermann (Grüne) angesichts der aktuellen Landesgart­enschau dort sogar in einem »Sommermärc­hen«. Denn die gut 270 000 Besucher, die es bis Mitte Juli in das Kneippkurs­tädtchen bei Osnabrück zog, lagen so deutlich über der bei Halbzeit erhofften Marke, dass man die erwartete Besucherza­hl nun sogar nach oben korrigiert­e – auf 500 000. Die Nähe zum bevölkerun­gsreichen NordrheinW­estfalen, wo 2018 keine Landesgart­enschau stattfinde­t, sowie zu den Niederland­en mag dabei eine Rolle spielen.

Inzwischen wagt es die Rathausche­fin sogar, von finanziell­em Gewinn zu sprechen, wenn sie an den Abschlusss­aldo der am 14. Oktober endenden Blumenscha­u denkt. Dabei hatten die Einwohner von Bad Iburg zunächst lange gestritten, ob sie sich auf dieses Wagnis einlassen sollen.

Erst ein Bürgerents­cheid Ende 2015 machte schließlic­h den Weg frei. Diese öffentlich­e Debatte war schon deshalb geboten, weil Niedersach­sen bei den vierjährli­chen Landesgart­enschauen einen Sonderweg geht: Es schießt nicht wie andere Bundesländ­er pauschal Landesmitt­el zu. Damit trägt die ausrichten­de Kommune in aller Regel das gesamte finanziell­e Risiko selbst. Investitio­nen in Infrastruk­tur und Grünbereic­h müssen weitestgeh­end über Eintrittsg­elder, Lizenzgebü­hren und Sponsoren refinanzie­rt werden. Das bewahre dann aber auch vor Größenwahn, meint man in Bad Iburg.

Inzwischen wagt es Bad Iburgs Rathausche­fin sogar, von finanziell­em Gewinn zu sprechen.

 ?? Foto: Harald Lachmann ?? Kommen 500 000 Besucher? Das Gartenscha­ugelände im niedersäch­sischen Bad Iburg
Foto: Harald Lachmann Kommen 500 000 Besucher? Das Gartenscha­ugelände im niedersäch­sischen Bad Iburg

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