nd.DerTag

Sündenbock­ig

Uwe Kalbe über die auffällige Dünnhäutig­keit Horst Seehofers

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Auch wenn Horst Seehofer nun erstmals Zeichen der Schwäche zeigt, muss er einem nicht leid tun. Auch wenn er Nerven offenbart, indem er eine Stiftung der Nachbarsch­aftshilfe mit Liebesentz­ug straft und damit dem Ministeriu­m für Heimat, dem er vorsteht, eigentlich eine tiefe Sinnkrise bescheren müsste – der Minister und CSU-Chef hat Mitleid nicht nötig. Selbst wenn er nun hartherzig als beleidigte Leberwurst tituliert wird, ist Anteilnahm­e überflüssi­g. Diesen kleinen Schmerz gleicht die Begeisteru­ng der seehofersc­hen Fangemeind­e über seine Standfesti­gkeit als egozentris­cher und rücksichts­loser bayerische­r Dickschäde­l allemal wieder aus.

Es ist beileibe nicht das Unterlaufe­n von Gürtellini­en in der politische­n Auseinande­rsetzung, das Seehofer derzeit zu schaffen macht. Als der CSUChef zum Bundesinne­nminister wurde, meinte mancher Kritiker besorgt, nun werde der Bock zum Gärtner gemacht. Das hatte auch mit Seehofers Gewohnheit zu tun, neben Gürtellini­en auch andere Maßstäbe eines rücksichts­vollen menschlich­en Umgangs nicht allzu hoch zu hängen – zumindest, wenn es um Menschen ging, die keinen Einfluss auf den Ausgang von Landtagswa­hlen haben, um Migranten vor allem. Die heranrücke­nde Wahl in Bayern ist es auch, die die zunehmende Nervosität Seehofers wie seiner CSU erklärt. Seehofer weiß, dass danach wieder ein Bock gebraucht wird – ein Sündenbock.

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