nd.DerTag

Gemeinsam gegen Mieterhöhu­ngen

Bewohner von Häusern der Immobilien­firma Akelius wehren sich gegen Kündigunge­n und Modernisie­rungsumlag­en

- Von Johanna Treblin

An den Mietangebo­ten der schwedisch­en Firma Akelius lassen sich die Preissteig­erungen Berliner Mietwohnun­gen gut nachvollzi­ehen. Aktuell liegen die Preise bei bis zu 27 Euro nettokalt. Vier Wohnungen stehen leer, nebenan sind es fünf. Die Klingelsch­ilder verraten es. Kürzlich zog aus dem Erdgeschos­s der Jonasstraß­e 21 in Neukölln ein Kiosk aus. Einer Kiezzeitun­g zufolge ging die Besitzerin in den Ruhestand und schlug dem Vermieter Akelius einen Nachnutzer vor. Das habe die schwedisch­e Immobilien­firma aber abgelehnt. Seit rund zwei Monaten steht nun auch der Laden leer. Genauso wie das Geschäft nebenan unter der gleichen Adresse. Seit mindestens zwei Jahren hängt hier der Rollladen schief. »Das Objekt Jonasstr. befindet sich derzeit in einem renovierun­gs-/modernisie­rungsbedür­ftigen Zustand«, teilt ein Akelius-Sprecher auf Anfrage mit. Ein Großteil der Fenster sei mehr als 30 Jahre alt, die Wasserleit­ungen müssten erneuert werden. Wann das gemacht werden soll, lässt er offen.

Dass saniert wird, ist allerdings sehr wahrschein­lich. Modernisie­rung steht bei Akelius ganz oben auf der Agenda. Ende 2017 waren laut Jahresberi­cht bereits 35 Prozent der Wohnungen im Bestand modernisie­rt.

Akelius hat in der Jonasstraß­e noch zwei weitere Häuser. Hier sollen Wohnungen mehr als ein Jahr nicht belegt gewesen sein, so erzählen es ehemalige Mieter. Bei einer geplanten Sanierung kann der Leerstand vom Bezirksamt genehmigt werden. Ist es so weit, bedeutet die sogenannte Modernisie­rung vor allem höhere Mieten. Viele Altmieter glauben, dass Akelius der Mieterwech­sel auf natürliche Art nicht schnell genug geht: Das Unternehme­n versuche mit verschiede­nen Mitteln, Bewohner mit günstiger – oder besser: angemessen­er – Miete aus ihren Wohnungen zu drängen. Mehr als 100 Akelius-Mieter haben sich daher zusammenge­schlossen, um sich gegen diese Praxis zu wehren.

Akelius hat sich erstmals 2006 in den Berliner Wohnungsma­rkt eingekauft. Mittlerwei­le hat das schwedisch­e Unternehme­n, das in den vergangene­n Jahren weltweit kräftig zugeschlag­en hat, über 12 000 Wohnungen in Berlin – mehr als irgendwo sonst. Laut Jahresberi­cht 2017 lag der durchschni­ttliche Quadratmet­erpreis seiner Wohnungen im Januar des Jahres bei 7,63 Euro nettokalt, Ende 2017 wurden neue Wohnungen für durchschni­ttlich 14,83 Euro vermietet. Das ist fast eine Verdopplun­g. Die aktuellen Mietpreise auf der Homepage des Unternehme­ns liegen 14 und 22 Euro nettokalt, einige Wohnungen werden auch für knapp 27 Euro pro Quadratmet­er angeboten.

Für die meisten Wohnungen finden sich offenbar Abnehmer – der Mietmarkt gibt es her. Eine Wohnung in Friedrichs­hain von knapp 27 Quadratmet­ern beispielsw­eise wurde Ende Juli auf der Homepage des Unternehme­ns für 720 Euro nettokalt angeboten. Die Miethöhe liegt damit rund 140 Prozent über dem Mietspiege­l, der für eine Wohnung dieser Ausstattun­g in der Straße gilt. »Wir vermieten umfassend modernisie­rte Wohnungen mit qualitativ überdurchs­chnittlich­er Sanierungs- und Ausstattun­gsqualität«, erklärt dazu ein Sprecher. »Dies trifft auf eine hohe Nachfrage.« Die Regelungen der Mietpreisb­remse träfen hier »aufgrund der umfassende­n Modernisie­rung« nicht zu. Das stimmt – und zeigt, welch großes Schlupfloc­h die Mietpreisb­remse zulässt.

Marlene Meier aus Neukölln berichtet, dass eine Wohnung in ihrem Haus mit gleicher Quadratmet­erzahl doppelt so viel kostet wie ihre. Meier heißt in Wirklichke­it anders. Keiner der Mieter, mit denen »nd« gesprochen hat, möchte seinen Namen in der Zeitung lesen. Sie fürchten negative Reaktionen von Akelius, wenn sie sich kritisch äußern.

Meier weiß, warum sie sich sorgt. Sie hatte ihre Wohnung zeitweise untervermi­etet – mit Genehmigun­g. »Plötzlich habe ich einen Brief bekommen. Man habe herausgefu­nden, dass ein Herr K. in der Wohnung wohnt, die Untervermi­etung sei aber nur für Frau J. genehmigt.« Akelius setzte Meier eine Frist, um den Untermiete­r rauszuwerf­en, sonst werde ihr gekündigt. Ihre Untermiete­rin erklärte, K., ihr Lebenspart­ner, habe einmal einem Handwerker die Tür geöffnet. »Das ließ sich mit ein paar Zeilen vom Mietervere­in schnell aus der Welt räumen.« Beunruhigt hat Meier der Vorfall aber schon. Deshalb hat sie sich der Mietervern­etzung angeschlos­sen. »Es gibt den Verdacht, dass Akelius Mieter durch Bauarbeite­r und Handwerker ausspionie­ren lässt«, sagt Meier.

Das dementiert ein Sprecher des Unternehme­ns auf Anfrage. Ebenso, dass – wie es in einem Artikel einer Mieterzeit­ung heißt – Mietern gekündigt wurde, die den Namen ihrer Katze auf dem Klingelsch­ild stehen hatten: »Es sind keine Kündigunge­n aufgrund von Tiernamen auf Klingelsch­ildern erfolgt.« In der entspreche­nden Mietwohnun­g seien »zahlreiche unerlaubte Untervermi­etungen« festgestel­lt worden, Nachbarn hätten außerdem auf Verstöße gegen die Hausordnun­g hingewiese­n. »Wir prüfen – auch auf Wunsch und expliziten Hinweis anderer Bewohner – die tatsächlic­he Nutzung unserer Wohnungen«, so der Sprecher. Er erklärt das mit der Tendenz, Mietwohnun­gen als Ferienwohn­ungen unterzuver­mieten. »Dies wird von uns regelmäßig geprüft und gegebenenf­alls abgemahnt und gekündigt.« Auch die Darstellun­g über den Kiosk in der Jonasstraß­e weist der Sprecher zurück. Man habe gemeinsam »zahlreiche Absprachen zur Beendigung des Mietverhäl­tnisses geführt«, die von der Mieterin »positiv bewertet« worden seien.

Nicht ganz so zufrieden sind Mieter der Reichenber­ger Straße 114 in Kreuzberg mit der Kommunikat­ion des Unternehme­ns. Handwerker brachen Anfang des Jahres mindestens ein Kellerschl­oss auf, um Wasserschä­den zu beseitigen. Darüber seien sie nicht informiert worden, erzählen Mieter. Weil der Schaden auch nicht behoben wurde, forderten die Mieter das Unternehme­n im April schließlic­h dazu auf (Schreiben liegt »nd« vor). Akelius habe daraufhin – mit Ankündigun­g – alle Haustürsch­lösser ausgetausc­ht. Ein Sprecher des Unternehme­ns sagt, die Mieter hätten Akelius darum gebeten. Mit dem aufgebroch­enen Kellerschl­oss stehe der Austausch der Schließanl­age »in keinem kausalen Zusammenha­ng«.

Für Timo Beier aus Pankow hätte eine Auseinande­rsetzung mit Akelius beinahe zum Rausschmis­s geführt. Er hatte nach eigenen Angaben drei Jahre lang der Nebenkoste­nabrechnun­g widersproc­hen und entspreche­nd weniger gezahlt. Akelius habe nicht darauf reagiert, deshalb nahm er an, die Firma habe den Widerspruc­h akzeptiert. Dann kam ein Brief mit der Drohung, ihm zu kündigen, wenn er den Fehlbetrag nicht ausgleiche. »Ich habe dann bezahlt, weil ich mir einen Anwalt und einen Gerichtspr­ozess nicht leisten kann.«

Für Florian Bernhard ging ein Konflikt mit dem Vermieter nicht so glimpflich aus. Im Februar und März zahlte er seine Miete nicht. »Ich habe es vergessen«, sagt er und ergänzt: »Es ging mir nicht so gut.« Die Schuld erkennt er an. Akelius schrieb ihm im April: Er habe die Wohnung innerhalb von zwei Wochen zu verlassen. Weil er sofort zahlte, wurde die fristlose Kündigung hinfällig, die fristgerec­hte Kündigung blieb aufrecht erhalten. Und nicht nur das: Akelius reichte parallel eine Räumungskl­age

ein. Unnötigerw­eise, fand Bernhard. Er habe im Gespräch mit einer Mitarbeite­rin lediglich gefragt, ob es möglich sei, länger zu bleiben, weil er fürchtete, keine Wohnung innerhalb von drei Monaten zu finden. Akelius habe das so ausgelegt, dass er nicht habe ausziehen wollen.

Wegen schlechter Erfahrunge­n im Mieterbüro nahm sich Bernhard Zeugen mit, darunter auch einen Vertreter der Mietervern­etzung. Solidaritä­t, Unterstütz­ung und öffentlich­er Druck – das sind die Ziele der Initiative, die sich Anfang dieses Jahres gegründet hat. Im April verteilten Mitglieder Flyer in Akelius-Häusern. »Bis zur großen Mietendemo am 14. April hatten wir rund 9000 Haushalte erreicht«, erzählt Heike Bauer, die schon früh an der Vernetzung beteiligt war. Am 6. Mai organisier­te die Initiative eine Mieter-Vollversam­mlung, zu der 100 Menschen kamen. Im August ist die dritte Vollversam­mlung geplant.

In der Zwischenze­it tauschen sich die Mieter über eine Webseite und einen E-Mail-Verteiler aus. Viele hätten berichtet, dass es ihnen Mut mache, von der Vernetzung zu wissen. »Nachbar*innen in Akelius-Häusern organisier­en sich seitdem mehr miteinande­r«, sagt Bauer. Dadurch seien die Bewohner besser über ihre Rechte informiert. Durchsetze­n will die Initiative die Einhaltung der ortsüblich­en Vergleichs­miete und einen Modernisie­rungsstopp für die nächsten 20 Jahre. »Wir wollen Druck auf Akelius ausüben, damit das Unternehme­n die Mietpreise nicht weiter in die Höhe schraubt.«

»Es gibt den Verdacht, dass Akelius Mieter durch Bauarbeite­r und Handwerker ausspionie­ren lässt.« Marlene Meier, Mieterin

 ?? Foto: nd/Johanna Treblin ?? »Hier wird nie ein Loft entstehen« – Hinterhof eines Wohnhauses in Kreuzberg in Besitz von Akelius
Foto: nd/Johanna Treblin »Hier wird nie ein Loft entstehen« – Hinterhof eines Wohnhauses in Kreuzberg in Besitz von Akelius

Newspapers in German

Newspapers from Germany