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Nicht nur eine Sorge weniger

- Johanna Treblin über ein neues Projekt gegen Obdachlosi­gkeit Foto: nd/Ulli Winkler

Es hat lange gedauert, bis der Ansatz auch in Berlin angekommen ist. Die Idee von Housing First, was in etwa so viel heißt wie: »Zuerst die Wohnung«, wurde bereits in den 90er Jahren in New York entwickelt. Mittlerwei­le haben auch Finnland und Großbritan­nien ähnliche Projekte gestartet, und auch in Deutschlan­d gibt es Vorbilder. Längst gibt es Studien, und ein »Housing First Guide Europe« findet einen fundierten Überblick und macht konkrete Umsetzungs­vorschläge.

Seit vier Jahren ist die Hilfsorgan­isation Neue Chance im Gespräch mit der Sozialverw­altung, auch in Berlin ein Projekt zu starten. Der Wechsel von einem CDUSenator zu einer LINKEN Senatorin hat es nun endlich möglich gemacht.

Endlich, weil Studien zeigen, dass acht von zehn Menschen mit Hilfe von Housing First dauerhaft aus der Obdachlosi­gkeit geholt werden konnten. Das liegt erstens an der niedrigen Einstiegsh­ürde, zweitens daran, dass die Teilnehmer nicht bei ersten Schwierigk­eiten wieder aus der Wohnung geworfen werden und drittens daran, dass ein fester Wohnsitz stabilisie­rend wirkt. Es ist nicht einfach nur eine Sorge weniger – sondern die größte Sorge fällt weg. Studien belegen, dass in Housing-First-Projekten der Drogenkons­um und Alkoholabh­ängigkeite­n sinken und die Lebensqual­ität insgesamt verbessert wird.

Mit einem Modellproj­ekt für 40 Personen kann die Obdachlosi­gkeit auf Berlins Straßen natürlich nicht beseitigt werden. Aber diesen 40 Menschen wird konkret geholfen. Und wenn das Modellproj­ekt erfolgreic­h ist, wird es hoffentlic­h weiter ausgebaut.

Dafür muss allerdings auch ein anderes Problem angegangen werden: die steigenden Mieten. Denn je mehr diese in die Höhe schießen, desto teurer werden soziale Projekte wie diese für den Senat. Er täte also gut daran, endlich wirksame Maßnahmen gegen die Preisschra­ube umzusetzen und Schlupflöc­her, die beispielsw­eise die Mietpreisb­remse umgehen, zu schließen.

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