nd.DerTag

Deckname »Schnuller«

- Markus Drescher über Kinder unter Geheimdien­stbeobacht­ung

Der Verfassung­sschutz warnt vor Kindern. Radikalisi­erten Kindern. Islamistis­ch radikalisi­erten Kindern. Mit »islamistis­ch«, »radikalisi­ert« und »Gefahr« werden derzeit schon zahlreiche Polizeiauf­gabengeset­ze der Länder derart verschärft, dass von Bürgerrech­ten, die es auch mal in diesem Land gab, so gut wie nichts übrig bleibt.

Nun also sind die Minderjähr­igen dran. Natürlich nur gefährlich­e. Also potenziell gefährlich­e. Aber wo eine Gefahr erst einmal ausgemacht ist, da ist der Ruf nach einem Abbau von Bürgerrech­ten nicht weit. In diesem Fall die völlige Entgrenzun­g der geheimdien­stlichen Beobachtun­gsmöglichk­eiten.

Dass diese sich dann auf Islamisten-Kinder beschränkt, darf bezweifelt werden. Auch dass konsequent­erweise dann auch etwa Nazi-Eltern, Seehofer-Anhänger und Reichsbürg­er ins Visier geraten, die ihre Kinder indoktrini­eren. Also potenziell gefährlich machen, weil die Eltern Grundwerte und -gesetz nicht achten.

Stellt sich auch noch die praktische Frage: Wer beobachtet die kindlichen Gefährder? Erzieher in der Kita, Lehrer, Schulfreun­de, Vereinstra­iner? V-Leutchen und -Leute von der Wiege bis zur Bahre? V-Kind »Schnuller« meldet, der Ali aus der Parallelkl­asse betet ganz schön oft? Wer eine derartige Durchsetzu­ng der Gesellscha­ft mit Spitzeln und Denunziant­entum auf allen Ebenen, in allen Altersklas­sen anstrebt, der – gehört doch eigentlich als Gefahr beobachtet.

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