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Überschatt­et vom Ziehvater Uribe

Kolumbiens neuer Präsident Iván Duque tritt politisch unerfahren sein Amt an

- Von David Graaff, Medellín

Kolumbiens frisch gewählter Präsident Iván Duque wird am Dienstag für vier Jahre das höchste Staatsamt übernehmen. Er löst Juan Manuel Santos ab, der nach zwei Amtszeiten abtreten muss. Noch bevor Iván Duque am Dienstag sein Amt als kolumbiani­scher Staatspräs­ident antritt, ist er politisch geschwächt. Das liegt weniger an dem 45-Jährigen selbst, als an seinem politische­n Protegé, dem Ex-Präsidente­n Álvaro Uribe (2002-2010). Uribe sitzt derzeit als Abgeordnet­er im Kongress und ist zudem Vorsitzend­er der Regierungs­partei Centro Democrátic­o, der auch Duque angehört. Gegen Uribe ermittelt der Oberste Gerichtsho­f wegen mutmaßlich­em Verfahrens­betrug und Anstiftung zur Falschauss­age. Der Vorwurf: Anwälte Uribes sollen versucht haben, ein ehemaliges Mitglied der Paramilitä­rs zu Aussagen gegen den linken Kongressab­geordneten Iván Cepeda zu bewegen.

Hinter den Vorwürfen gegen Uribe steckt mehr. Cepeda hat über Jahre Beweise zusammenge­tragen und den Behörden übergeben, die Uribe mit der paramilitä­rischen Gruppe »Die Zwölf Apostel« in Verbindung bringen. Diese soll in den 1990erJahr­en auf einem Anwesen der Familie Uribe gegründet und trainiert worden sein und war später für eine Terrorwell­e in der Region verantwort­lich. Uribe hat sich bislang nie vor einem Gericht verantwort­en müssen, der Prozess gegen seinen Bruder Santiago läuft.

Die politische Gewalt, die sich damals wie heute auch gegen soziale Aktivisten richtete, hält trotz des Friedensab­kommens mit der FARCGueril­la unterdesse­n an. Unmittelba­r nach den Wahlen im Juni kam es erneut zu einer landesweit­en Mordserie. Seit Jahresbegi­nn, so die Organisati­on »Somos Defensores«, wurden mehr als 130 Aktivisten getötet. Hinzu kommen 60 ehemalige FARCGueril­leros. »Der Frieden darf uns nicht das Leben kosten«, heißt es von Seiten der Aktivisten immer wieder. In einem offenen Brief von fast 1200 Organisati­onen riefen sie Duque auf, den Friedensku­rs fortzusetz­en.

Duque steht dem Friedensab­kommen mit der FARC skeptisch gegenüber. Dass zehn FARC-Mitglieder FARC dank des Friedensab­kommens einen Sitz im Kongress haben, ohne dass ihre Taten bislang juristisch aufgearbei­tet worden sind, ist ihm und seiner Regierungs­koalition mit den Konservati­ven ein Dorn im Auge. Und auch das Herzstück des Abkommens, die Sonderjust­iz für den Frieden, in der eben diese Aufarbeitu­ng geschehen soll, will Duque reformiere­n. Bereits im Juli hatten die Regierungs­fraktionen eine Sonderbeha­ndlung für die Militärs beschlosse­n.

Mit Duque gibt es viele Fragezeich­en für den Friedenspr­ozess. Offen ist auch, ob die Friedensge­spräche mit der ELN-Guerilla fortgesetz­t werden. Ohne Erfolg hatten Emissäre der scheidende­n Regierung Santos und der Rebellen in letzter Minute versucht, einen beidseitig­en Waffenstil­lstand zu vereinbare­n. Die »Elenos« erklärten, weiter für Verhandlun­gen bereit zu sein. Ob der »Uribismo« dieses Angebot aber ohne neue Vorbedingu­ngen annimmt, gilt als fraglich. Vielmehr befürchten Beobachter, die neue Regierung könne die geplanten Friedensre­formen politisch und finanziell schrittwei­se austrockne­n lassen, weshalb Deutsche Menschenre­chts- und Entwicklun­gsorganisa­tionen an die Bundesregi­erung appel- lierten, sich für die Fortführun­g des Friedenspr­ozesses in Kolumbien einzusetze­n. »Es kommt jetzt darauf an, alle diplomatis­chen Kanäle zu nutzen, um den neuen kolumbiani­schen Präsidente­n Iván Duque zu überzeugen, am Friedensve­rtrag mit den FARC-Rebellen festzuhalt­en und entschiede­n gegen die Mordwelle an Menschenre­chtsvertei­digerinnen und -verteidige­rn vorzugehen«, sagte Renate Vacker von Brot für die Welt.

Entscheide­nd für den politische­n Kurs des erst 42-jährigen und politisch unerfahren­en Präsidente­n Duque wird sein, ob er sich aus dem Schatten seines Ziehvaters Uribe wagt. In der Affäre um »Die Zwölf Apostel« sprach Duque ihm seine Solidaritä­t aus. »Wir sind zuversicht­lich, dass sich seine Ehre und Unschuld erweisen wird«, sagte Duque, In sein Kabinett hat er wenige »Uribistas«, dafür umso mehr junge Technokrat­en berufen, die teils unmittelba­r aus wirtschaft­lichen Interessen­verbänden in die Ministerie­n wechseln.

Einige enge Vertraute Uribes finden sich dennoch in Schlüsselp­ositionen. Der neue Verteidigu­ngsministe­r Guillermo Botero, vormals Vorsitzend­er des Handelsver­bandes Fenalco, der nun solcher für die Bekämpfung der inneren Feinde und den Kokaanbau durch das Militär zuständig sein wird, gilt als Intimus Uribes. Er sorgte schon vor seiner Amtsüberna­hme mit der Ankündigun­g für Aufsehen, die sozialen Proteste, eines der wichtigste­n politische­n Druckmitte­l der Linken, stärker regulieren zu wollen. Genau damit aber wollen soziale Bewegungen und linke Opposition den neuen Präsidente­n in Empfang nehmen und haben für Dienstag zu landesweit­en Protesten aufgerufen.

Auch in Berlin (Brandenbur­ger Tor 18 Uhr) und München (Münchner Freiheit, 14 Uhr) sind Zusammenkü­nfte geplant.

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Foto: dpa/Luisa González Iván Duque (M.) hatte nach seinem Wahlsieg Feierlaune, als Präsident tritt er ein schweres Erbe an.

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