Zwischen Hoffen und Bangen
Die Bandgeschwindigkeit im Eisenacher Opel-Werk soll zunächst nicht gedrosselt werden
In Eisenach sind zwar die Werksferien für die Opelaner vorbei, normal wird die Produktion aber nicht gleich wieder laufen. Daran ist auch der wochenlange Streik beim Zulieferer Halberg Guss schuld. Nach dem Ende der Werksferien sind die Beschäftigten des Eisenacher Opelwerks am Montag wieder an ihren Arbeitsplätzen erschienen. Sie seien »gemäß Schichtplan zu internen Informationsveranstaltungen im jeweiligen Produktionsbereich ins Werk gekommen«, sagte ein Unternehmenssprecher auf nd-Anfrage. »Wie jedes Jahr nach der Sommerpause« habe man sie über die Planungen für ihren Bereich informiert. »Weitere Informationen werden wir zu gegebener Zeit bekanntgeben«, so der Sprecher. In den Opel-Werken Rüsselsheim und Kaiserslautern hatten die Werksferien bereits früher geendet.
Im Eisenacher Werk mit derzeit 1850 Beschäftigten werden die Modellreihen Adam und Corsa gefertigt. Das Management hatte hier den Beginn der Werksferien im Juli vorgezogen. Auslöser waren offensichtlich Lieferschwierigkeiten in Folge des Streiks der IG Metall beim Autozulieferer Neue Halberg Guss (NHG), der mit seinen Motorenteilen auch das Eisenacher Opel-Werk beliefert. Zwar wurde der Arbeitskampf bei NHG am Montag vergangener Woche nach sechs Wochen ausgesetzt – dort sollen am Dienstag die Schlichtungsverhandlungen fortgesetzt werden –, doch die Arbeitsniederlegungen wirkten sich auch auf verschiedene Autobauer aus.
Die alte Lieferkette und Versorgung von Opel mit den für die Endmontage der Fahrzeuge dringend benötigten Komponenten ist nämlich noch längst nicht wiederhergestellt. Denn bei NHG standen in der vergangenen Woche nach Insiderangaben zunächst reine Instandhaltungsschichten an. Eine Rückkehr zu regulärer Produktion im »normalen« Umfang ist in Gießereibetrieben wie NHG mit seinen Schmelzöfen aus technischen Gründen nicht auf Knopfdruck möglich und könnte noch weitere zwei Wochen dauern.
So ist es kein Zufall, dass Opel in der vergangenen Woche ankündigte, die Geschwindigkeit der Fertigungslinien in seinen Autofabriken deutlich zu verringern – auch wenn die offiziellen Verlautbarungen dies nicht direkt in Verbindung mit dem NHG- Streik bringen. Für Eisenach sollte die Produktion von 37 auf 30 Pkw pro Stunde herabgesetzt werden, im polnischen Werk Gliwice sollen statt bisher 40 nur noch 25 Autos vom Montageband rollen. Nach Insiderangaben wurde die Reduzierung der Bandgeschwindigkeit allerdings ohne Absprache mit dem Betriebsrat angeordnet.
Wie der Mitteldeutsche Rundfunk am Montag berichtete, soll die Eisenacher Pkw-Produktion ab der kommenden Woche wieder auf dem alten Niveau von 37 Pkw pro Stunde und in zwei Schichten laufen. Weil sich die Zulieferbetriebe jedoch in den vergangenen Wochen auf eine gedrosselte Produktion und einen Einschichtbetrieb in Eisenach eingestellt hatten, dauert es nun offenbar eine weitere Woche, bis alle Teile für die volle Produktion wieder in ausreichender Zahl vorhanden sind. Somit ruhen die Bänder in Eisenach noch bis zum kommenden Wochenende. Der Zweischichtbetrieb soll mit der Frühschicht am 13. August beginnen. Dem Vernehmen nach sollen Ersatzprodukte für die bisher von NHG gelieferten Teile zum Einsatz kommen. Diese Meldung wurde von Opel nicht dementiert.
Die Meldung über die gedrosselte Bandgeschwindigkeit hatte zunächst neue Besorgnis um die Opel-Standorte ausgelöst. So verlangten nach Angaben von Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (LINKE) die Rathauschefs der drei deutschen OpelStädte bei einem Treffen von der Geschäftsführung und der Pariser PSA- Konzernzentrale klare Informationen über strategische Planungen. Erst vor zwei Wochen hatte Opel-Chef Michael Lohscheller eine Rückkehr in die Gewinnzone und eine »Ertragswende« gemeldet sowie für das erste Halbjahr 2018 einen operativen Gewinn von 502 Millionen Euro verkündet. Branchenkenner sehen die Hauptursache hierfür in der verstärkten Nachfrage der Käufer von Fahrzeugen der Modellreihe Insignia nach Sonderausstattungen, die für Opel als überdurchschnittlich profitabel gelten. Demgegenüber ist die Modellreihe Astra mit einer Jahresproduktion von rund 150 000 Exemplaren zunehmend das Sorgenkind der Opelaner. In vergangenen Jahrzehnten wurden noch bis zu 400 000 Pkw dieser Modellreihe produziert.