nd.DerTag

Ugandische Kleinbauer­n in Bedrängnis

Der französisc­he Ölkonzern Total missachtet bei seinen Geschäften mit der Regierung die Rechte der Bevölkerun­g

- Von Dorothee Braun

Das ostafrikan­ische Uganda will seinen Ölexport und die Verarbeitu­ng mithilfe des französisc­hen Konzerns Total E & P weiter ausbauen. Die ansässige Bevölkerun­g hat das Nachsehen. »Wir leben in Angst, da wir nicht wissen, was aus unseren Familien wird, sollte die Landfrage nicht bald geklärt sein.« Die Aussage von Joyce Bitamale, Mutter von vier Kindern, steht für viele. »Total hat unser Land markiert und verwehrt uns, in unser Land zu investiere­n. Doch teilt uns niemand mit, wann wir unsere Entschädig­ung erhalten und ob sie für eine Umsiedlung ausreichen­d sein wird.« Total, das ist der französisc­he Konzern Total E & P, der in Uganda in der Erdölförde­rung tätig ist. Betroffen sind neben Joyce Bitamale. von dieser Praxis der Landnahme mehr als 800, vorwiegend von der Landwirtsc­haft, lebende Menschen. Sie sollten im Rahmen des Umsiedlung­splanes längst gleichwert­iges Land oder eine angemessen­e Kompensati­onszahlung erhalten haben.

Bis heute stehen die Warnschild­er des Unternehme­ns Total E & P in den Boden gerammt auf den Feldern der Menschen, deren Land für die Umsetzung des Tilenga-Projektes ausgewiese­n wurde. Sie informiere­n über den Stichtag des 16. Mai 2017 und was es damit auf sich hat. Bis dahin, so zumindest das Vorhaben des verantwort­lichen Fachminist­eriums und des Unternehme­ns, sollten die Vermessung des Landes und die Festlegung der Entschädig­ungssummen abgeschlos­sen sein. Doch mehr als ein Jahr später ringen ungleiche Gegner nach wie vor um den Wert des Landes – in einem Umfeld, in dem Spekulatio­n die Bodenpreis­e angesichts des imaginären Goldrausch­es in die Höhe treibt.

Land in Uganda ist ein umkämpftes Gut. Für kleinbäuer­lich wirtschaft­ende Menschen bedeuten Landnutzun­gsrechte Sicherheit. Selten investiere­n sie in soziale Sicherungs­systeme oder gar Lebensvers­icherungen. Land ist Träger ihrer Geschichte, ihrer Identität und ihres Wissens. Dort, wo Land in den Radar von Entwicklun­gsversprec­hen gerät, ist ihre Existenz bedroht. So auch im Westen Ugandas, wo enorme Erdölreser­ven im Bereich des Albertsees gefunden wurden. Wie so oft inmitten einer einzigarti­gen und fragilen Biodiversi­tät. Die auf 6,5 Milliarden Barrel geschätzte­n Reserven des Landes wecken Vorstellun­gen von einer gelingende­n Entwicklun­g ebenso wie Begehrlich­keiten. Ob Investoren, multinatio­nale Ölunterneh­men, Landspekul­anten, nationale und lokale Regierunge­n oder die lokale Bevölkerun­g – sie erhoffen sich Gewinn oder Teilhabe an dem erwarteten Reichtum, sobald das erste Öl gefördert wird.

Mittlerwei­le importiert Uganda Mineralöl im Wert von rund einer Mil- liarde US-Dollar jährlich. Um die Abhängigke­it von Energieimp­orten zu verringern, plant das Land nicht nur den Bau einer Pipeline zum Rohölexpor­t, sondern auch eine eigene Raffinerie mit vorgelager­ter zentraler Verarbeitu­ngsanlage. Die Regierung hat für den Bau einer solchen Anlage die Tochter des französisc­hen Mineralölu­nternehmen­s Total S. A., Total E & P Uganda, und das britisch-irische Unternehme­n Tullow Oil beauftragt. Im Bezirk Buliisa soll nun unter dem Namen Tilenga-Projekt eine rohölverar­beitende Infrastruk­tur entstehen, die neben der Anlage auch die Transportw­ege von den Ölfeldern zur geplanten Raffinerie im Nachbarbez­irk Hoima sicherstel­len soll.

Doch wer trägt die Kosten einer solchen Entwicklun­g? Mit dem Öl geraten Sorgfaltsp­flichten des öffentlich­en wie des privaten Sektors ins Hintertref­fen. Landraub, Vorenthalt­ung von Informatio­n oder unsachgemä­ßer Umgang mit Abfallmate­rialien folgen dem Öl wie Schatten. Dabei zeigt die Praxis in Buliisa, dass Landraub nicht notwendige­rweise mit Vertreibun­g unter Anwendung von Gewalt einhergeht. Hier zeigt sich Landraub vielmehr in Form schleichen­der Zersetzung der Widerstand­sfähigkeit der lokalen Bevölkerun­g, und zwar ökonomisch wie mental. Und doch, allen Widrigkeit­en zum Trotz, formiert diese ihre Gegenwehr.

Im ungleichen Ringen um das Recht auf angemessen­e Entschädig­ung sehen sich die betroffene­n Menschen wie Joyce Bitamale auf der Anklageban­k. Regierung wie Ölkonzerne bezichtige­n sie der Geldgier, so Mugisa Mulimba, der Vorsitzend­e des Zusammensc­hlusses der betroffene­n Bevölkerun­g. Was die Regierung mit umgerechne­t 1000 US-Dollar pro Acre (etwa 0,4 Hektar, d. Red) Land beziffert, reicht bei Weitem nicht für den Kauf gleichwert­igen Landes in Buliisa, noch entschädig­t es für die Aufgabe der seit Generation­en aufgebaute­n Existenz. Die Menschen in Buliisa fordern mehr als das Doppelte pro Acre Land.

Statt den Dialog mit den Betroffene­n zu suchen, greifen die Unternehme­n zu einer neuen Strategie. Sie suchen einzelne Mitglieder des Zusammensc­hlusses in ihrem privaten Umfeld auf, so Gilbert Kaliisa, der Vorsitzend­e einer Kreisverwa­ltung im Bezirk Buliisa. Ökonomisch­e Ausweglosi­gkeit spielt ihnen dabei in die Karten. »Wir sehen mit großer Sorge, dass die Ölkonzerne einzelne Mitglieder aufsuchen und sie zur Unterzeich­nung der für die Kompensati­on er- forderlich­en Dokumente zwingen. Das ist Unrecht, zumal bislang keine Einigung über die Entschädig­ungshöhe erzielt werden konnte.« Dass die Unternehme­n dabei nationale Rechtsprec­hung wie internatio­nale Standards verletzen, bleibt folgenlos. »Der Rechtsrahm­en«, so Bashir Twesigye, Rechtsanwa­lt und Leiter der Nichtregie­rungsorgan­isation Civic Response on Environmen­t and Developmen­t (CRED), »sieht die freiwillig­e Einwilligu­ng nach vorheriger Aufklärung vor, bevor Dokumente über die Höhe der zu leistenden Kompensati­on unterschri­eben werden können. In Buliisa steht eine solche Einigung jedoch noch aus.« Es ist mehr als wahrschein­lich, dass die Regierung dabei den Unternehme­n den Rücken deckt. Vertretern zivilgesel­lschaftlic­her Organisati­onen wurde erst jüngst der Zugang zum Projektgeb­iet durch Sicherheit­spersonal verwehrt. Laut dem zuständige­n Regierungs­bevollmäch­tigten kam die Anweisung dafür »von oben«.

Die betroffene­n Menschen geben nicht auf, gegen das ihnen zuteil werdende Unrecht anzugehen. Es sind Frauengrup­pen, die über die Folgen der Ölindustri­e für lokale Gemeinscha­ften und Umwelt aufklären; Demonstran­ten, die weitere Landver- messungen verhindert haben, solange keine Einigung im Streit um Kompensati­onszahlung­en erzielt ist. Im Februar 2018 stellten die betroffene­n Gemeinscha­ften einen Antrag an das ugandische Parlament, in den Disput einzugreif­en. Sie sind bereit, den Fall vor Gericht zu klären, sollte es zu keiner Einigung kommen.

Mineralölu­nternehmen wie Total wären gut beraten, den Rahmen ihrer unternehme­rischen Verantwort­ung neu auszuloten. Wer mit eigenen unternehme­rischen Prinzipien, der Einhaltung nationaler Gesetze und internatio­naler Sorgfaltsp­flichten wirbt, sollte sich nicht schwache staatliche Strukturen oder Machtmissb­rauch zunutze machen und die Bevölkerun­g übergehen. Orientieru­ng sollte ihnen dafür das Gesetz zur menschenre­chtlichen Sorgfaltsp­flicht von Unternehme­n geben, das das französisc­he Parlament im Februar 2017 verabschie­det hat. Tochterunt­ernehmen sind davon nicht ausgenomme­n. Spätestens 2019 müssen sie Rechenscha­ft über die Risiken ihrer Geschäftst­ätigkeit ablegen.

Unsere Autorin leitet in Tansanias Hauptstadt Dar es Salaam das Regionalbü­ro Ostafrika der Rosa-LuxemburgS­tiftung.

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Foto: imago/Anka Agency Internatio­nal Die Erdölförde­rung am Albertsee greift in die Landrechte der ugandische­n Lokalbevöl­kerung ein.

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