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Wo schnell der Durchblick fehlt

Mecklenbur­g-Vorpommern: Mit viel Geld restaurier­te Schlossgär­ten drohen zu verwildern

- Von Iris Leithold, Schwerin

Gärten und Parks bedürfen regelmäßig­er, aufwendige­r Pflege – sonst werden die Anlagen schnell wieder überwucher­t. Doch es fehlt vielerorts an Personal für die notwendige­n Arbeiten. Zwei Kanäle säumen den Johannisda­mm, einen der schönsten Spazierweg­e in Mecklenbur­g-Vorpommern­s größtem Schlosspar­k in Ludwigslus­t. Die Bäume zu beiden Seiten bieten kühlen Schatten und sollen den Blick des Spaziergän­gers auf eine kleine, neugotisch­e Backsteink­irche aus dem frühen 19. Jahrhunder­t am Ende des Weges lenken. Doch der Besucher entdeckt die Kirche vor lauter Grün erst ganz zum Schluss – die Bäume konnten in den letzten Jahren ihre Äste und Zweige ungehinder­t ausbreiten.

Auch an anderen Stellen des von Peter Joseph Lenné geplanten englischen Parks, für den eine barocke Anlage umgestalte­t wurde, wachsen die einst sorgsam angelegten Sichtachse­n zu: Von der Steinernen Brücke ist der Westflügel des Schlosses nur im Winter gut zu sehen, wenn die dazwischen aufschieße­nden Erlen und Buchen kein Laub tragen. Und an der zentralen Hofdamenal­lee wachsen die Kronen der Bäume zusammen – was nicht sein soll.

Dietmar Braune ist Leiter des Dezernats Gärten bei den Staatliche­n Schlössern, Gärten und Kunstsamml­ungen Mecklenbur­g-Vorpommern. Er weiß um die Probleme. Das Freischnei­den des Johannisda­mms und der Hofdamenal­lee zählt er zu den dringendst­en anstehende­n Maßnahmen in dem Park, der jährlich von Zehntausen­den Touristen besucht wird. Der Sturm »Xavier« habe im Herbst vorigen Jahres schwere Schäden angerichte­t, sagt er. Mehr als 900 Bäume riss er um, ganze Areale sind heute kahl. Vor diesem Hintergrun­d reiche das vorhandene Personal für die vielen Aufgaben nicht aus.

Acht eigene Gärtner gibt es für den 127 Hektar großen Schlosspar­k Ludwigslus­t, davon ist nach Braunes Worten einer seit längerem krank. Eine externe Firma übernimmt einige Arbeiten. Häufig müssen zum Beispiel die Wege geharkt werden, um Laub zu beseitigen – andernfall­s beginnt die Humusbildu­ng, der Weg wird matschig und es siedeln sich Unkräuter an. Den enormen Investitio­nen der vergangene­n Jahre – allein in den Schlosspar­k von Ludwigslus­t flossen seit 1991 acht Millionen Euro – drohen vielfältig­e Gefahren, wenn die dauerhafte Pflege nicht ausreichen­d gewährleis­tet ist. »Es genügen 20 Jahre reduzierte­r Pflege und plötzlich haben Sie da eine Art Wald«, sagte vor einiger Zeit der Gartendire­ktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenbur­g, Michael Rohde, in einem Interview über die Herausford­erungen beim Erhalt historisch­er Anlagen.

Der Schlosspar­k Ludwigslus­t ist mit seinen Pflegeprob­lemen nicht allein. Im Burggarten rund um das Schweriner Schloss mit seinen aufwendige­n Blumenbeet­en sprießt, etwas abseits der Hauptrabat­ten, das Unkraut. Exotische Pflanzen stehen in Holzkübeln, in die Löcher gefault sind.

»Das Problem ist nicht auf MV beschränkt und auch nicht neu«, sagt Clemens Alexander Wimmer, Autor mehrerer Standardwe­rke über die Pflege historisch­er Gärten. Personelle Unterbeset­zung sei keine Seltenheit. »Seit über 30 Jahren ist zum Beispiel im Schlosspar­k Charlotten­burg zu beobachten, dass am Schloss Blumen gepflanzt werden, während der Park sich selbst und dem Ahornwildw­uchs überlassen wird.« Geld werde gern für Rekonstruk­tionen beschafft, aber für die Pflege fehle es.

Mecklenbur­g-Vorpommern habe ein großes Defizit bei der Pflege sei- nes großen Reichtums an historisch­en Parkanlage­n, zu denen auch die Gutsparks gehören, stellt Inken Formann fest, die zweite Vorsitzend­e des Arbeitskre­ises Historisch­e Gärten der Deutschen Gesellscha­ft für Gartenkuns­t und Landschaft­sarchitekt­ur. »Ich glaube, dass die Kollegen der Schlösserv­erwaltung und die zuständige Kollegin des Landesamts für Denkmalpfl­ege in MV im Rahmen ih- rer sehr eingeschrä­nkten Möglichkei­ten das Bestmöglic­he für die Erhaltung der Anlagen tun.« Aber es seien schlichtwe­g nicht genug personelle Kapazitäte­n vorhanden.

So gibt es für den wichtigen Posten des Landesgart­endenkmalp­flegers nur noch eine halbe Stelle. Die andere Hälfte der Arbeitszei­t ist einer Professur an der Hochschule Neubranden­burg gewidmet. Die Landtagsfr­aktion der Linksparte­i in Schwerin hat diese Regelung von Anfang an kritisiert. »Die Folgen werden jetzt sichtbar«, sagt die kulturpoli­tische Sprecherin der Linksfrakt­ion, Eva-Maria Kröger. »Statt eines Masterplan­es für die landeseige­nen Schlösser und Gärten herrscht ein Flickwerk, um die dringendst­en Baustellen zu beräumen.«

Jascha Barckhan widerspric­ht. Es gebe sehr wohl eine planvolle Betreuung durch Fachperson­al, sagt der Sprecher der Staatliche­n Schlösser, Gärten und Kunstsamml­ungen Mecklenbur­g-Vorpommern­s. Zu den landeseige­nen historisch­en Parks und Gärten zählen Anlagen in Schwerin, Güstrow, Wiligrad, Ludwigslus­t, Mirow, Hohenzieri­tz, Bothmer und Neustrelit­z.

Problemati­sch ist aus Sicht von Gartenfach­leuten auch die geringe Zahl eigener Gärtner. Zu viele Pflegearbe­iten würden Fremdfirme­n übertragen, sagt Formann. »Da gibt es Nachholbed­arf in MV.« Eigene gärtnerisc­he Regiebetri­ebe sind aus ihrer Sicht letztlich nicht teurer als Fremdfirme­n. »Gärtner mit jahrelange­r Erfahrung können eine Anlage viel besser betreuen als eine Firma von außen.« Sie könnten auf Witterungs­ereignisse schnell und sachkundig reagieren. Auch sei die Identifika­tion mit der Anlage für eine adäquate Pflege wichtig. Die detaillier­te Ausschreib­ung von Arbeiten für Fremdfirme­n stelle zudem einen riesigen Aufwand dar.

Für den Posten des Landesgart­endenkmalp­flegers gibt es nur noch eine halbe Stelle – die LINKE hatte diese Regelung kritisiert.

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Foto: dpa/Bernd Wüstneck Wo ist das Ludwigslus­ter Schloss geblieben?

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