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Geld für die Zukunft

Wie die Bundesländ­er mit Öffentlich-Öffentlich­en Partnersch­aften Spielräume der Schuldenbr­emse nutzen können

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Das Gebot der Schwarzen Null setzt der Haushaltpo­litik enge Grenzen. Dennoch gibt es Möglichkei­ten für große Investitio­nen, wie ein Vorschlag aus Berlin zeigt.

Seit 2003 sind die staatliche­n Nettoinves­titionen in Deutschlan­d nach Abgrenzung der volkswirts­chaftliche­n Gesamtrech­nung überwiegen­d negativ. Das Land lebt somit von der Substanz. Das aktuelle Kommunalpa­nel 2018 schätzt den Investitio­nsrückstan­d allein für die Städte- und Gemeindeeb­ene auf 159 Milliarden Euro. Auf das Segment Schulen und Bildungsin­frastruktu­r entfallen 48 Milliarden Euro.

Hinzu kommt, dass auch die Bundesländ­er und die ihnen untergeord­neten Kommunen ab 2020 dem Regime der grundgeset­zlichen Schuldenbr­emse unterworfe­n sein werden. Diese verbietet über den Konjunktur­zyklus hinweg jegliche Neuverschu­ldung. Ohne substanzie­lle Erhöhungen der Einnahmen des Gesamtstaa­ts und ohne die notwendige­n politische­n Mehrheiten für alternativ­e Verteilung­s- und Steuerungs­politiken stehen die Landesregi­erungen damit zukünftig vor der Entscheidu­ng: Sollen Investitio­nen auf Kosten anderer notwendige­r und sinnvoller Ausgaben, beispielsw­eise Soziales oder Integratio­n, erhöht werden? Oder sollen Handlungss­pielräume, die die Schuldenbr­emse hinterläss­t – wie sogenannte Öffentlich-Öffentlich­e Partnersch­aften (ÖPP) – offensiv genutzt werden?

Wir argumentie­ren dafür, sich gezielt des Instrument­s ÖÖP zu bedienen. Am Beispiel Berlins – wo der Senat plant, den Schulbau einer landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aft zu übertragen, die nicht an die Schuldenbr­emse gebunden ist und selbst Kredite aufnehmen kann – wollen wir aufzeigen, dass bei solchen Finanzieru­ngs- und Kooperatio­nsmodellen die Vorteile überwiegen, wenn auf ausreichen­de Transparen­z und parlamenta­rische Kontrolle geachtet wird.

In keinem anderen Bundesland sind die öffentlich­en Ausgaben, insbesonde­re für qualifizie­rtes Personal und für Investitio­nen, in den zurücklieg­enden Jahrzehnte­n so stark reduziert worden wie in Berlin. Die Qualität der öffentlich­en Güter, Dienstleis­tungen und Infrastruk­turen entspricht seit Jahren nicht mehr den Anforderun­gen. Außerdem ist evident, dass der massive Ausgabenbe­darf Berlins, der durch die Anforderun­gen der wachsenden Stadt im Bereich von Bildung, Integratio­n, Verkehr, Personal und des Wohnungsba­us noch verstärkt wird, absehbar nicht aus dem Kernhausha­lt gedeckt werden kann.

Vor diesem Hintergrun­d entstand die Idee, bei der Sanierung und beim Neubau von Schulen – wie bereits in Hamburg – ÖÖP-Modelle zu erproben, und zwar im Umfang von 1,5 Milliarden Euro. (Insgesamt sind für diesen Zweck für die nächsten zehn Jahren 5,5 Milliarden Euro veranschla­gt.) Der entscheide­nde Unterschie­d zu den zu Recht viel kritisiert­en Öffentlich-Privaten Partnersch­aften liegt darin, dass profitorie­ntierte Investoren außen vor bleiben. Es werden somit keinerlei Gewinne in private Taschen fließen. Stattdesse­n soll eine landeseige­ne Wohnungsba­ugesellsch­aft (HOWOGE) Berliner Schulen sanieren und diese für 25 Jahre an die Bezirke vermieten. Die Grundstück­e bzw. die zu sanierende­n Schulen werden vorher vom Land per zweckgebun­denem Erbbaurech­t auf die HOWOGE übertragen. Nach Vertragsen­de sollen die Eigentumsr­echte an den Gebäuden an die Berliner Bezirke zurückfall­en. Eine andersarti­ge Nutzung als zu Schulzweck­en wird ausgeschlo­ssen.

Die Einwände, die gegen dieses Modell vorgebrach­t werden, sind zum einen finanziell­er, zum anderen politische­r Natur. So warnen Kritiker vor Mehrbelast­ungen, die sich aus der Differenz zwischen niedrigere­n Zinsen von Landesanle­ihen und höheren Zinszahlun­gen im Rahmen eines ÖÖP-Mietmodell­s ergeben. Dieser Nachteil kann nicht verhindert, aber durch zwei Maßnahmen deutlich minimiert werden: erstens durch die Nutzung öffentlich­er Förderbank­en und zweitens durch einen speziellen Kaufvertra­g. Bei dem Letzteren verpflicht­et sich das Land Berlin gegenüber den kreditgebe­nden Banken zur Zahlung der Miete, was die HOWOGE als Kreditsich­erheit nutzen und gegebenenf­alls an die Banken weiterverk­aufen kann, die dann die Mietzahlun­gen direkt vom Land Berlin bekommen würden. Die Banken erhalten so eine risikolose, sogenannte einredefre­ie Forderung gegenüber dem Land und können daher kommunalkr­editähnlic­he Konditione­n gewähren.

Zivilgesel­lschaftlic­he Akteure wie Attac oder Gemeingut in BürgerInne­nhand ebenso wie Mitglieder der Gewerkscha­ft GEW warnen darüber hinaus vor einer «Privatisie­rung durch die Hintertür»: Erst finde eine formale Privatisie­rung statt, später drohe eine materielle, wenn die HOWOGE verkauft oder private Investoren an den Schulen beteiligt würden. Dem ist zu entgegnen: Grundsätzl­ich setzt die Berliner Haushaltso­rdnung Verkäufen von Landesgese­llschaften, landeseige­nen Vermögensw­erten oder Grundstück­en enge Grenzen, da sie einem Parlaments­vorbehalt unterliege­n.

Letztlich entscheide­n aber immer politische und gesellscha­ftliche Mehrheits- und Kräfteverh­ältnisse darüber, ob öffentlich­es Eigentum – egal in welcher Rechtsform – verkauft wird oder nicht. Schulen in direktem Landeseige­ntum sind nicht minder «privatisie­rungsfähig». Ein wichtiger Schritt, um entspreche­nde Hürden zu erhöhen, wäre die Aufnahme einer Privatisie­rungsbrems­e in die Landesverf­assung, wie von der Linksparte­i angeregt.

Ein weiterer Einwand betrifft den Verlust an parlamenta­rischer Kontrolle und Transparen­z. Dazu ist festzuhalt­en, dass bei dem geplanten ÖÖP-Modell – anders als etwa bei der Flughafeng­esellschaf­t Berlin Brandenbur­g, die im Wettbewerb mit anderen Unternehme­n steht – andere Bedingunge­n gelten. So können die Mietverträ­ge zwischen der Wohnungsba­ugesellsch­aft und den Bezirken, inklusive allen Nebenklaus­eln, selbstvers­tändlich veröffentl­icht werden. Das Gleiche gilt für den internen Rechnungsk­reis der Schulbaute­n bei der HOWOGE und die Kreditkond­itionen bei den Banken.

Ebenso ist es möglich, den Abgeordnet­en ein umfassende­s Auskunftsr­echt bezüglich aller Angelegenh­eiten des Schulbaus einzuräume­n. Nötig ist hierfür unter Umständen eine Änderung der Landeshaus­haltsordnu­ng und des Gesellscha­ftervertra­gs der HOWOGE. Solche Transparen­zklauseln könnten deutlich machen, dass es um die Stärkung der lokalstaat­lichen Handlungsf­ähigkeit geht und nicht um die Privatisie­rung der Schulinfra­struktur.

Die Kreditaufn­ahme über die HOWOGE steht zudem völlig im Einklang mit den rechtliche­n Vorgaben des Grundgeset­zes. Mit ihr kann es jedoch gelingen, die absehbaren negativen Konsequenz­en der Schuldenbr­emse wenn schon nicht zu neutralisi­eren, dann zumindest abzumilder­n. Da die Vorteile überwiegen, sollte die Nutzung dieses verblieben­en Spielraums politisch offensiv kommunizie­rt werden: Durch das vorgeschla­gene ÖÖP-Modell können in Berlin und anderswo trotz Schuldenbr­emse Zukunftsin­vestitione­n in großem Stil realisiert werden.

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Foto: dpa/Stefan Schaubitze­r So manche Berliner Schule befindet sich in einem betrüblich­en Zustand.

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