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Die Renaissanc­e der Verfolger

Nach Lisa Brennauer fährt auch Domenic Weinstein zum Europameis­tertitel

- Von Thomas Juschus und Frank Thomas, Glasgow/Unterbaldi­ngen

Radrennfah­rer Domenic Weinstein hat mit EM-Gold über 4000 Meter in Glasgow nicht nur seine kleine Fangemeind­e im Schwarzwal­dörtchen Unterbaldi­ngen in kollektive­n Siegestaum­el versetzt. Als der Radrennfah­rer Domenic Weinstein in Glasgow immer wieder seine Goldmedail­le küsste, flippte im Schwarzwal­dörtchen Unterbaldi­ngen seine kleine Fangemeind­e aus. »Domenics Opa hatte Geburtstag, und da waren die ganze Familie, Domenics Freundin und viele Freunde sowieso in Feierlaune. Das war einfach richtig geil«, schilderte Vater Heinrich Weinstein die Party beim »Private Viewing« mit 15 Personen vor dem heimischen Fernseher. Auch in anderen Wohnzimmer­n hatten sich Weinstein-Fans zum kollektive­n Goldjubel zusammenge­funden, berichtete der Vater.

Nach mehreren vergeblich­en Anläufen stand sein Sohn endlich ein- mal ganz oben auf dem Treppchen in der 4000-Meter-Einerverfo­lgung bei der Europameis­terschaft in Glasgow. »Endlich – das trifft es ganz gut«, fasste Domenic Weinstein nach WM-Silber 2016 sowie mehreren Silber- und Bronzemeda­illen bei der EM seinen »Befreiungs­schlag« zusammen.

Nach dem EM-Gold von Lisa Brennauer über die 3000 Meter erleben die Verfolger bei den European Championsh­ips in der Sir-Chris-HoyArena gerade eine Renaissanc­e und erinnern an erfolgreic­he Zeiten, die es zuletzt um die Jahrtausen­dwende mit dem Berliner Robert Bartko und der Leipzigeri­n Judith Arndt gegeben hatte. Auch beide Verfolger-Mannschaft­en standen in Glasgow in den kleinen Finals, die Frauen holten Bronze.

»So richtig realisiere­n werde ich den Erfolg erst, wenn ich mal Familie habe und auf die alten Zeiten zurückblic­ken werde«, sagte Weinstein, der in der Qualifikat­ion seinen deutschen Rekord auf 4:13,073 Minuten verbessert­e, nachdem er im Herbst 2015 den 16 Jahre alten Rekord Bartkos geknackt hatte. »Er ist hier zwei- mal in diesem Bereich gefahren. Das ist noch mal ein massiver Schritt nach vorn, lobte Bundestrai­ner Sven Meyer und adelte seinen Ausnahmeat­hleten. »Für mich ist die Einerverfo­lgung immer noch die Königsdisz­iplin.«

Auch Vater Heinrich sah das so. »Er hat sich brutal vorbereite­t. Natürlich waren wir nach dem Sieg in der Quali erwartungs­froh. Aber dass er dann noch mal so ein Ding raushaut, war echt klasse«, schilderte er. Sein Sprössling konzentrie­rt sich erst seit dem vergangene­n Jahr komplett auf das Oval, er hatte lange auf einen Profivertr­ag auf der Straße gehofft.

»Ich habe das Thema Straßenpro­fi seit 2017 abgehakt – es gab einfach kein Interesse von außen«, sagte der Sportsolda­t. »Und bevor ich zwei Sachen halb mache, konzentrie­re ich mich jetzt auf eine Aufgabe richtig. Das hat Kräfte freigesetz­t«, erklärte Weinstein, der die Nacht im Hotel im Europameis­ter-Trikot verbrachte. Zuhause in Unterbaldi­ngen – einem Ortsteil von Bad Dürrheim – soll das Stück einen Ehrenplatz finden und ihn weiter beflügeln.

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Foto: dpa/Jane Barlow Rasend schnell: Domenic Weinstein auf seiner Goldfahrt

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