»Bacon Belt« und Straßenfußball
Israelisch-deutsche Jugendgruppe fachsimpelt mit Ministerpräsident Woidke über die Mark
Ministerpräsident Dietmar Woidke hat israelische Jugendliche in der Staatskanzlei empfangen. Die Einladung ging auf Woidkes Besuch vergangenes Jahr in Israel zurück. Ja, wie ist es nun mit den Preisen für Bauland und Wohnungen in Brandenburg? Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) blickt erst zur Decke des Brandenburg-Saales in der Potsdamer Staatskanzlei und dann auf den jungen israelischen Fragesteller. »Das ist bei uns inzwischen ein großes Problem«, antwortet er staatsmännisch auf Englisch. Gerade in Potsdam könnten Wohnungen mit 100 Quadratmetern Fläche deutlich über 200 000 Euro kosten. »Wir beobachten hier eine weltweite Entwicklung«, erläutert der Regierungschef der eifrig nickenden Besuchergruppe.
Auch in Israel müsse eine junge Familie lange arbeiten, um das Geld für eine eigene Wohnung zusammenzubekommen, seufzt Roman Baron, der wie fast alle Besucher das weiße TShirt mit dem Rücken-Aufdruck »Youth Excange« (Jugendaustausch) trägt.
Die israelisch-deutsche Besuchergruppe ist am Dienstagvormittag Gast in der Staatskanzlei und macht vom Frageangebot sachkundig Gebrauch. Wie man zurecht komme mit den verschiedenen Bildungssystemen in Deutschland, wie es denn sein könne, dass es mehrere Ministerpräsidenten und Bildungsminister gebe? Woidke schlägt sich achtbar, nur als er die Region um Berlin als »Speckgürtel« darstellen will, gerät er ins Stocken. Wie sagt man das auf Englisch? Woidke schmunzelnd: Wie wär’s mit »Bacon Belt«? Alles lacht.
Bei seinem Besuch in Israel vor einem Jahr hatte Woidke diesen Gegenbesuch angeregt. Das Geschenk Brandenburgs für die dortige Gastgeberstadt Ra’anana besteht aus einem Equipment für einen Straßenfußballplatz, und Fußball spielen die Gäste aus Israel auch in Deutschland in diesem heißen Sommer ausgiebig. Der Höhepunkt soll das gemeinsame Fußballturnier in Brandenburg/Havel am kommenden Donnerstag sein. Er sei froh darüber und stolz darauf, hier Besucher aus Israel begrüßen zu können, unterstreicht Woidke. Die Gäste bedanken sich zum Abschluss mit einem Ständchen.
Vor zehn Jahren wurde im Landessportbund Brandenburg die Idee für diesen regelmäßigen Jugendaus- tausch geboren. Woidke dankt unter anderem Robert Bosch von der Brandenburgischen Sportjugend für dessen persönlichen Einsatz. Laut Bosch lernen die Teilnehmer kennen, »wie wir in Brandenburg unterwegs sind, und wie wir Sport treiben«.
Eine der drei Austauschgruppen, die 2018 nach Brandenburg kommen und unter anderem auch verschiedene Gedenkstätten besuchen, sind jene 16 Teenager aus Israel. 16 deutsche Jugendliche – diesmal aus Brandenburg/Havel – begleiten sie. Die Gruppenmitglieder wohnen in der Jugendbegegnungsstätte Gollwitz im gleichnamigen Ortsteil der Havelstadt. Deren Leiter Niels Haberland hat einen Großteil der Betreuung übernommen. Die Gäste haben unter anderem das Jüdische Museum in Berlin besucht und werden auch persönliche Begegnungen in brandenburgischen Familien haben. Der Zu- sammenhalt wurde beim gemeinsamen Bau eines Floßes gestärkt. In Oranienburg (Oberhavel) suchten alle zusammen die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen auf. Bei einer feierlichen Zeremonie am zentralen Denkmal legten sie Rosen nieder. »Das war hoch emotional«, sagt Haberland. Es sei seine tiefe Überzeugung, dass gerade der Aufenthalt in Familien das Verständnis für unterschiedliche Kulturen wecken könne.
Mit den Worten »Berlin ist wichtig – aber Brandenburg ist schön«, führt Woidke seine weit gereisten Zuhörer in die regionalen Spitzfindigkeiten ein. Ihre Heimatstadt auf Zeit, Brandenburg/Havel, ziehe beispielsweise Nutzen aus dem gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr Richtung Berlin. Die gute wirtschaftliche Entwicklung des Landes zeige sich unter anderem im Bereich der Luftfahrt. Und mit 3000 Wasserflächen sei Branden- burg das seenreichste deutsche Bundesland, was dem Tourismus zugute komme. »Das war’s jetzt mit dem Block für Propaganda«, schließt er.
Sheer Cohen nennt ihre Tage in Deutschland eine gute Zeit. Sie habe Freunde gefunden, viel über deutsche und Berliner Geschichte erfahren und fand das alles sehr interessant.
Delegationsleiter Shefi Spigel dankt dem Ministerpräsidenten für die Gastfreundschaft, auf die die Gruppe allenthalben gestoßen sei. Persönliche Begegnungen gerade junger Menschen seien wichtig, um gegenseitiges Verständnis und Achtung aufzubauen. Bildungsstaatssekretär Thomas Drescher informierte darüber, dass beim Besuch des Ministerpräsidenten in Israel ein Weiterbildungsprogramm für brandenburgische Lehrer an der israelischen Gedenkstätte Jad Vashem vereinbart worden sei. Damit soll 2019 begonnen werden.