nd.DerTag

»Viele sehnen sich nach der Pille, die alle Klimaprobl­eme auf einen Schlag löst«

ARD-Meteorolog­e Sven Plöger über den Anstieg des Meeresspie­gels, Klimawande­l und Klimawande­l-Skeptiker

-

Herr Plöger, Sie haben mit Brot für die Welt die Fidschi-Inseln und Tuvalu besucht. Was haben Sie in der Südsee gesehen und gehört?

Wir haben viele Häuser gesehen, die bei Starkregen oder Sturmflute­n regelmäßig überflutet werden oder sogar dauerhaft unter Wasser stehen. Wir haben mit Müttern und Vätern gesprochen, die sich große Sorgen machen, dass schon bald ganze Atolle verschwind­en könnten und ihre Kinder nicht mehr auf Tuvalu leben können. Der Anstieg des Meeresspie­gels ist dort kein abstraktes wissenscha­ftliches Phänomen, sondern mit bloßem Auge festzustel­len.

Sind die Bewohner Tuvalus sich der Gefahren des Klimawande­ls bewusst?

Ja, anscheinen­d wissen alle Menschen – unabhängig von Alter und Bildungsst­and –, dass es den Klimawande­l gibt. Sie wissen auch, dass es wichtig ist, ihn einzudämme­n und Anpassungs­maßnahmen zu ergreifen. Deshalb bauen sie an ihren Küsten Schutzwäll­e und sichern neugewonne­nes Land mit riesigen Sandsäcken.

Und was macht die Regierung?

Wir hatten die Gelegenhei­t, ausführlic­h mit dem Premiermin­ister von Tuvalu zu sprechen. Enele Sosene Sopoaga unternimmt alles in seiner Macht Stehende, um den Klimawande­l zu begrenzen und Tuvalu an die Folgen anzupassen. Zugleich hat er uns aber auch klar gemacht, wie schwer dies für so ein kleines Land ist. Sopoaga hat uns berichtet, dass er Donald Trump einen Brief geschriebe­n hat. Darin stand: »Wir sitzen alle in einem Kanu. Wenn wir die globale Herausford­erung Klimawande­l nicht gemeinsam angehen, werden wir alle gemeinsam untergehen.« Trump hat darauf nie geantworte­t.

Der pazifische Inselstaat Kiribati hat Land auf den Fidschi-Inseln gekauft, um seine Bevölkerun­g umsiedeln zu können, sollte der Anstieg des Meeresspie­gels Kiribati eines Tages unbewohnba­r machen. Ist so eine Umsiedlung auch eine Lösung für Tuvalu?

Der Premiermin­ister hat uns gesagt, dass die Umsiedlung für ihn und seine Bevölkerun­g die absolut letzte Option sei. Das verstehe ich gut. Denn mit der Umsiedlung bestünde die Ge-

fahr, dass nicht nur ein Staat untergeht, sondern mit ihm auch eine ganz eigene Kultur und Identität. Zudem befürchtet die Regierung, dass die Menschen aus Tuvalu bei einer Umsiedlung zu Bürgern zweiter Klasse werden könnten.

Ihre lange Anreise mit dem Flugzeug hat hohe Emissionen verursacht. Warum sind Sie dennoch geflogen?

Das stimmt. Und ich habe deshalb tatsächlic­h lange überlegt, ob ich die Reise antreten soll. Ich habe mich schließlic­h dafür entschiede­n, weil ich die bereits sichtbaren Auswirkung­en des Klimawande­ls mit eigenen Augen sehen wollte. Ich erreiche jedes Jahr mit einer Vielzahl von Vorträgen zu diesem Thema rund 15 000 Menschen und unter ihnen sind auch viele Politiker, Multiplika­toren und Entscheide­r. Auf diese Weise hoffe ich zu erreichen, dass sich zumindest einige für den Klimaschut­z engagieren. Aber um Empathie für die Menschen zu schaffen, die schon jetzt unter dem Klimawande­l leiden, muss ich dieses abstrakte und komplizier­te Phänomen greifbar machen.

Was entgegnen Sie Leuten, die den Klimawande­l bestreiten? Klimawande­l-Leugner gibt es heute zum Glück immer weniger. Aber es gibt Leute, die bestreiten, dass der Mensch einen Einfluss auf das Klima hat. Es ist zwar richtig, dass der Klimawande­l nicht nur menschenge­macht ist. Aber rund 97 Prozent der Klima-Wissenscha­ftler sind sich einig, dass wir einen großen Anteil – nämlich 50 bis 75 Prozent – am derzeit zu beobachten­den Anstieg der Temperatur­en haben. Wer jedoch felsenfest davon überzeugt ist, dass Mensch und Klimawande­l nichts miteinande­r

zu tun haben, ist kaum zu erreichen und seien die wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se noch so überzeugen­d.

Was sind denn das für Leute?

Mir fallen vor allem zwei Gruppen auf. Zum einen jene, die ein wirtschaft­liches Interesse haben. Man kann sich ja gut vorstellen, dass jemand, der beispielsw­eise durch Geschäfte mit fossiler Energie Milliardär geworden ist, nicht unbedingt der Erste ist, der für eine Energiewen­de hin zu den Erneuerbar­en kämpft. Und dann gibt es noch jene, die wahrschein­lich wirklich daran glauben, dass der Mensch nichts mit dem Klimawande­l zu tun hat. Die Zuschrifte­n, die ich erhalte, geben mir den Eindruck, dass dies vor allem Männer über 65 Jahre sind, die das Gefühl haben, dass Wissenscha­ft, Politik und Medien sie bevormunde­n wollen. Insgesamt nimmt die Zahl der Klimawande­l-Skeptiker aber ab. Allerdings wird diese kleine Minderheit immer lauter.

Einer der lautesten Klimawande­lSkeptiker ist Donald Trump. Was würden Sie ihm sagen, wenn Sie ihn treffen könnten?

Ich glaube, man kann Herrn Trump nicht viel sagen. Deswegen würde ich den Spieß umdrehen und ihn fragen, warum er glaubt, dass der Mensch keinen Einfluss auf den Klimawande­l hat. Dann würde ich seine Argumente aufgreifen und wissenscha­ftlich widerlegen. Aber ehrlich gesagt, mache ich mir keine allzu großen Hoffnungen, ihn überzeugen zu können.

Können die Ziele des Klimaabkom­mens von Paris denn ohne die Amerikaner erreicht werden?

Das wäre schon mit den Amerikaner­n schwer. Und wenn der zweit- größte Emittent aus der Vereinbaru­ng aussteigt, ist das ein sehr negatives Signal. Auf der anderen Seite stimmt es mich durchaus hoffnungsv­oll, dass bislang kein anderer Staat den Amerikaner­n gefolgt ist. Zudem haben viele US-Bundesstaa­ten, allen voran Kalifornie­n, sich dazu verpflicht­et, ihre Klimaschut­z-Bemühungen fortzusetz­en oder sogar zu intensivie­ren. Hinzu kommt: Trump wird nicht ewig der Präsident sein.

Betreibt die Wissenscha­ft in Sachen Klimawande­l Panikmache? Nein! Aber als die Klimawisse­nschaft sich ab Beginn der achtziger Jahre verstärkt an die Öffentlich­keit wandte, gab es in den Medien durchaus Panikmache. Das lag allerdings nicht nur an den Medien, sondern auch an der Wissenscha­ft. Die Klimaforsc­her taten sich zunächst schwer, ihre Erkenntnis­se zu vermitteln. Die Befunde medial zu übersteige­rn, war und ist am Ende völlig überflüssi­g – sie sind auch so ernst genug.

Ist es möglich, den Klimawande­l mit technische­n Eingriffen wie dem sogenannte­n Geo-Engineerin­g, zu begegnen?

Der menschlich­en Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es gab schon Überlegung­en, Sonnenstra­hlen mit riesigen Spiegeln im Weltall umzuleiten, um die Aufheizung der Atmosphäre zu verhindern. Solche Überlegung­en sind vielleicht gut für einen Sciene-Fiction-Roman, aber sie sind nicht geeignet, um ernsthaft Klimaschut­z zu betreiben. Denn solche Maßnahmen sind unbezahlba­r. Abgesehen davon, wären ihre negativen Nebenwirku­ngen weder abzuschätz­en noch zu kontrollie­ren. Aber viele Menschen sehnen sich dennoch nach der ganz großen Pille, die alle unsere Klimaprobl­eme auf einen Schlag löst. Doch dieses Allheilmit­tel gibt es nicht. Es ist für uns Menschen eine Ehre, dass wir auf unserem Planeten leben dürfen. Daraus erwächst aber die Verantwort­ung, unsere Emissionen zu reduzieren und gleichzeit­ig vernünftig­e Anpassungs­maßnahmen zu ergreifen.

Seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen war es im April und Mai in Deutschlan­d noch nie so warm wie in diesem Jahr. Ist das noch Wetter oder ist das schon Klimawande­l? Das ist zunächst einmal Wetter. Aber es gibt einen eindeutige­n Trend, der auf den Klimawande­l hindeutet. Derzeit jagt ein Wärmerekor­d den nächsten. Global lagen die zwölf wärmsten Jahre zwischen 1880 und 2017 alle im 21. Jahrhunder­t. Und 2014 bis 2017 waren die wärmsten Jahre. Das ist kein Zufall.

Kann der Klimawande­l für Deutschlan­d auch positive Folgen haben?

Kurzfristi­g durchaus. Die Landwirtsc­haft kann von höheren Temperatur­en profitiere­n. Dadurch kann sich beispielsw­eise das Weinbaugeb­iet vergrößern. Auch für den Tourismus kann wärmeres Wetter durchaus von Vorteil sein – man denke nur an einen Strandurla­ub an der Nord- oder Ostsee. Aber langfristi­g überwiegen auch für Deutschlan­d eindeutig die Nachteile. Dürre- und Hitzeperio­den sowie Extremwett­erereignis­se wie Stürme, Hagel und Starkregen werden zunehmen, Insekten und Schädlinge werden sich ausbreiten, der Anstieg des Meeresspie­gels wird teure Anpassungs­maßnahmen wie Deicherhöh­ungen erfordern.

Was tun Sie selbst für den Schutz unseres Klimas?

Ich habe mein Haus so umgebaut, dass ich Strom und Wärme überwiegen­d aus erneuerbar­en Energien gewinne und darüber hinaus Strom ins Netz einspeise. Zudem heize ich mit solarbetri­ebenen Infrarothe­izplatten. Außerdem fahre ich in der Stadt fast immer mit dem Fahrrad oder nutze den öffentlich­en Nahverkehr. Geht prima! Fernstreck­en lege ich – wenn irgend möglich – mit dem Zug zurück. Fleisch esse ich zwar gerne, aber meist nur einmal pro Woche – wenn man etwas nicht täglich hat, sind Vergnügen und Vorfreude auch viel größer.

Ist unsere Welt noch zu retten?

Ja! Aber nur, wenn wir nicht so weitermach­en wie bisher. Derzeit leben etwa 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde. Der Planet verkraftet auf Dauer aber nur zwei Milliarden Menschen, die so hohe Emissionen haben, wie wir sie derzeit pro Kopf in den Industriel­ändern produziere­n. Wir müssen unseren CO2-Ausstoß also schnellstm­öglich reduzieren. Als Rheinlände­r bin ich Optimist und glaube, dass wir das schaffen können.

»Die Zuschrifte­n, die ich erhalte, geben mir den Eindruck, dass die Klimawande­l-Leugner vor allem Männer über 65 Jahre sind, die das Gefühl haben, dass Wissenscha­ft, Politik und Medien sie bevormunde­n wollen.«

 ?? Foto: Philipp Hedemann ?? Sven Plöger (links im Bild) auf dem Tuvalu-Atoll Funafala
Foto: Philipp Hedemann Sven Plöger (links im Bild) auf dem Tuvalu-Atoll Funafala

Newspapers in German

Newspapers from Germany