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Ruf nach politische­r Aufarbeitu­ng

Ämter und Justiz begingen viele Fehler im Staufener Missbrauch­sfall

- Von Stefan Otto

Die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Staufener Missbrauch­sfalls ist nach dem Urteilsspr­uch gegen eine Frau und deren Lebensgefä­hrten vorerst beendet. Das Paar wurde schuldig gesprochen, den Sohn der Frau und ein Mädchen aus dem Bekanntenk­reis über Jahre vergewalti­gt und den Jungen über das Darknet an Pädophile verliehen zu haben. Jetzt wird der Ruf nach politische­n Konsequenz­en lauter.

Der Missbrauch­sbeauftrag­te der Bundesregi­erung, JohannesWi­lhelm, forderte die Landesregi­erung Baden-Württember­gs auf, die Versäumnis­se von Behörden und Justiz schonungsl­os auszuleuch­ten. Rörig regte auch eine Bundesrats­initiative an, um eine gesetzlich­e Fortbildun­gspflicht für Familienri­chter auf den Weg zu bringen. Der Fall Staufen habe nämlich gezeigt, »dass auch Familienge­richte nicht frei von Fehlern sind«, sagte er dem SWR. Viele Informatio­nen seien zwar aufgenomme­n, »aber nicht richtig ausgetausc­ht und bewertet« worden.

Familienmi­nisterin Katarina Barley fordert mehr Sachversta­nd an den Gerichten.

Der Junge befand sich bereits in der Obhut des Jugendamts. Die Richter hatten allerdings – gegen den Antrag der Behörde – einer Rückkehr des Jungen zur Mutter zugestimmt und somit sein Leiden verlängert. Der Lebensgefä­hrte war ein verurteilt­er Sexualstra­ftäter, der unter Führungsau­fsicht stand. Für Rörig ist es unerklärli­ch, dass das Kind in dem Fall nicht angehört worden sei. Gegen das Jugendamt Breisgau-Hochschwar­zwald und zwei Familienge­richte in Freiburg und Karlsruhe sei laut »Süddeutsch­er Zeitung« mittlerwei­le Anzeige aus der Bevölkerun­g erstattet worden.

Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD) forderte unlängst »mehr Sachversta­nd« an den Gerichten. »Dazu gehören auch verpflicht­ende Fortbildun­gen, die sich konkret auf das Thema Missbrauch und Gewalt beziehen«, sagte sie.

Der baden-württember­gische Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) brachte nun ein Kinderschu­tzkonzept ins Gespräch. Er will den Jugendämte­rn einen Leitfaden zur besseren Gefährdung­seinschätz­ung zur Verfügung stellen. Mehrere Landesmini­sterien haben außerdem eine Arbeitsgru­ppe gebildet, um die Versäumnis­se aufzuarbei­ten.

Der Präsident des Bundeskrim­inalamts, Holger Münch, insistiert dagegen auf die Einführung der Vorratsdat­enspeicher­ung. »Jeden Tag gehen beim Bundeskrim­inalamt Hinweise auf den sexuellen Missbrauch von Kindern ein«, sagte er der »Berliner Zeitung«. Das Material stamme aus dem Internet, wo es teils im Darknet, teils auch öffentlich gehandelt werde. Die IP-Adresse ihrer Computer sei häufig der einzige Hinweis auf die Täter. Die Ermittler hätten aber keine Handhabe, weil sie personenbe­zogenen Daten nicht länger als sieben Tage speichern dürften.

Ein Gesetz zur Vorratsdat­enspeicher­ung liegt derzeit auf Eis, weil der Europäisch­e Gerichtsho­f es für unvereinba­r mit der europäisch­en Grundrecht­echarta hält.

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