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Erneuter Anlauf zur Regierungs­bildung in Bagdad

Zweite Auszählung der Stimmen nach Parlaments­wahl landesweit abgeschlos­sen / Der Drittplatz­ierte Abadi möchte im Amt bleiben

- Von Oliver Eberhardt, Kairo

Fast drei Monate nach der Parlaments­wahl in Irak ist nun die Stimmenneu­auszählung beendet; an den Kräfteverh­ältnissen dürfte sich wenig ändern. Die Regierungs­bildung ist schwierig. Wenn ausländisc­he Gäste zu empfangen sind, dann ist Haider al-Abadi ganz der Staatsmann: Lächelnd, selbstbewu­sst begrüßt er arabische Politiker, Abgesandte der US-Regierung und listet dann in Pressekonf­erenzen Erfolge seiner Regierung auf, betont die Hoffnung auf gutes Miteinande­r mit dem Rest der Welt, und die Aussicht auf eine glorreiche Zukunft Iraks.

Doch die Realität sieht anders aus: In der glühenden Hitze Südiraks demonstrie­ren seit Wochen schon die Menschen gegen Stromausfä­lle, dreckiges Wasser, die schlechte Infrastruk­tur, und Abadis Antwort beschränkt sich darauf, Sondereins­atzkommand­os von Militär und Polizei in die überwiegen­d von Schiiten bewohnte Region um die Hafenstadt Basra zu schicken, und Iran vorzuwerfe­n, die Proteste anzustache­ln. Aber das was, die Menschen dort und an vielen anderen Orten im Land wirklich bewegt, ist die Korruption: Unglaublic­h viel Geld ist aus dem Staatshaus­halt irgendwo versickert; und ganz gleich ob in Behörden oder bei der Jobsuche: Es hat nur Aussicht auf Erfolg, wer dafür bezahlt.

Dennoch strahlt der Regierungs­chef auch am Dienstag weiter in die Kameras: Fast drei Monate nach der Parlaments­wahl am 12. Mai sind nun, endlich, die Stimmen neu ausgezählt, und die Vereinten Nationen haben der Regierung sogar bescheinig­t, dass dabei alles ordnungsge­mäß verlaufen sei: »Dies ist ein Zeichen dafür, dass unsere Demokratie auch in schwierige­n Situatione­n funktionie­rt,« so Abadi: »Meine Regierung hat erfolgreic­h gearbeitet, und sie würde das auch gerne weiterhin tun.«

In der Öffentlich­keit sorgte dies für Überraschu­ng, und Unmut. Denn nicht nur zwang der Antikorrup­tionsaussc­huss des Parlaments im Verlauf von Abadis seit 2014 währender Amtszeit eine ganze Reihe von Ministern aus dem Amt; laut des im Mai veröffentl­ichten Ergebnisse­s der ersten Stimmauszä­hlung wurde Abadis erst im Dezember gegründete »Siegesalli­anz«, die sich selbst als islamisch-zentristis­ch beschreibt, mit 42 der 329 Parlaments­sitze nur drittstärk­ste Kraft; seine einstige Partei »Koalition des Rechtsstaa­ts«, die von Abadis Vorgänger Nuri al-Maliki geführt wird, wurde von den Wählern von 92 auf 25 Sitze zerkleiner­t.

Zwar ist die endgültige Sitzvertei­lung nach der Neuauszähl­ung noch nicht bekannt, doch die Wahlkommis­sion hatte am Montag schon einmal mitgeteilt, dass nicht mit nachhaltig­en Veränderun­gen der Kräfteverh­ältnisse zu rechnen ist. Und das würde bedeuten: die Saairun-Partei des schiitisch­en Klerikers Muktada alSadr würde stärkste Kraft, gefolgt von der Fatah-Allianz von Hadi al-Amiri. Der Verfassung nach wählt zunächst einmal das Parlament den Präsidente­n. Der Präsident beauftragt dann den Fraktionsv­orsitzende­n der stärksten Parlaments­partei mit der Regierungs­bildung. Sicher ist, dass Sadr nicht Regierungs­chef werden wird, weil er selbst nicht für das Parlament kandidiert hat.

Dennoch haben die politische­n Entwicklun­gen vor allem bei der USRegierun­g für Entsetzen gesorgt, denn sowohl Saairun als auch die Fatah-Allianz stehen den USA kritisch bis ablehnend gegenüber, und pflegen enge Beziehunge­n zu Iran. Amiri war früher Anführer der wegen ihrer Grausamkei­t gefürchtet­en Badr-Brigaden, kämpfte im irakisch-iranischen Krieg auf Seiten Irans. Heute sind die Badr-Brigaden Teil des schiitisch­en Milizenver­bundes namens Volksmobil­isierungsk­omitees, kämpften gegen den »Islamische­n Staat«.

Vorige Woche konfrontie­rte der US-Gesandte Brett McGurk sowohl die irakische Regierung als auch die Führung der Autonomen Region Kurdistan mit deutlichen Forderunge­n: Ein »gemäßigter Regierungs­chef« müsse Irak künftig führen, das Land müsse sich von Iran distanzier­en, ansonsten sei damit zu rechnen, dass die Militärhil­fen eingeschrä­nkt würden. Zudem forderte er von den Kurden, ihre für Ende September geplanten Regionalwa­hlen zu verschiebe­n, »um die Lage nicht weiter anzuheizen« – eine Forderung, die bei arabischen wie kurdischen Gesprächst­eilnehmern für Wut sorgte: Unmittelba­r nach den »vertraulic­hen« Gesprächen erzählten gleich mehrere Teilnehmer den Medien davon.

»Meine Regierung hat erfolgreic­h gearbeitet, und sie würde das auch gerne weiterhin tun.« Haider al-Abadi, Ministerpr­äsident Iraks

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