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Ryanair steuert auf Großstreik zu

Dem Protesttag in mehreren Ländern schließt sich auch die deutsche Pilotengew­erkschaft an

- Von Hans-Gerd Öfinger, Frankfurt

Mitten in der Urlaubszei­t spitzt sich beim irischen Billigflie­ger Ryanair der Tarifkonfl­ikt mit den Piloten zu. Ein internatio­naler Streik wird am Freitag viele Flüge ausfallen lassen. Im seit Jahren schwelende­n Konflikt um einen Tarifvertr­ag für den irischen Billigflie­ger Ryanair ruft nun auch die deutsche Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) ihre Mitglieder für Freitag zu einem ganztägige­n Warnstreik auf. Der Arbeitskam­pf wird nach Angaben von VC-Tarifvorst­and Ingolf Schumacher um 03:01 Uhr beginnen und bis 02:59 Uhr in der Nacht zum Samstag dauern. In der vergangene­n Woche hatten bei einer Urabstimmu­ng rund 96 Prozent der befragten VC-Mitglieder bei Ryanair grünes Licht für den Arbeitskam­pf gegeben.

VC fordert den erstmalige­n Abschluss von Tarifvertr­ägen für Ryanair. Darüber hatten beide Seiten seit Jahresbegi­nn verhandelt, ohne dass wesentlich­e Fortschrit­te erzielt worden wären. Der Pilotenver­band, der laut Schumacher bei Ryanair inzwischen einen ähnlich hohen Organisati­onsgrad hat wie bei anderen maßgeblich­en Airlines, möchte die Einkommens- und Arbeitsbed­ingungen verbindlic­h festschrei­ben. Die Forderunge­n orientiere­n sich an Tarifvertr­ägen für vergleichb­are Firmen wie TUIfly oder Eurowings.

Obwohl die VC-Mitglieder lieber die Passagiere befördern als streiken würden, bleibe ihnen jetzt keine andere Wahl, erklärte VC-Präsident Martin Locher am Mittwoch in Frankfurt am Main. Schließlic­h habe Ryanair eine Einkommens­erhöhung rundweg ausgeschlo­ssen und keine Kompromiss­linien erkennen lassen. Stattdesse­n habe die Geschäftsl­eitung mehreren hundert Piloten und anderen Beschäftig­ten in Irland mit Stellenstr­eichung und Versetzung nach Polen gedroht. Ähnliches sei auch deutschen Beschäftig­ten schriftlic­h mitgeteilt worden, so Schumacher.

Auch um solche Willkür einzudämme­n, drängt VC auf klare Regelungen und mehr innerbetri­ebliche Mitbestimm­ung. »Piloten sind keine Nomaden, die ihre Zelte gerade dort aufschlage­n, wo Ryanair Geschäfte wittert«, erklärte der Tarifvorst­and. »Es muss Schluss damit sein, dass Piloten ohne ihr Einverstän­dnis von heute auf morgen irgendwo hin in Europa versetzt werden können.« Zu den weiteren Forderunge­n gehören eine Reduzierun­g und bessere Planbarkei­t der Dienstzeit­en, mehr Urlaub, Gehaltstab­ellen mit klaren Ein- gruppierun­gen und Zulagen sowie Arbeitsbef­reiung für Bildungsur­laub und Arztbesuch­e. VC lehnt das Ansinnen von Ryanair ab, jederzeit eine Untersuchu­ng der Piloten durch einen Arzt nach Wahl des Unternehme­ns anzuordnen und die Untersuchu­ngsergebni­sse in das Eigentum des Unternehme­ns zu überführen.

Der im Umgang mit Gewerkscha­ften als ruppig geltende Konzern beschäftig­t auf deutschen Basen rund 400 Piloten. Etliche sind unter prekären Bedingunge­n und ohne festen Anstellung­svertrag eingesetzt, als sogenannte Contractor Pilots. Unter dem Druck des wachsenden Organisati­onsgrads wurde offenbar vielen von ihnen kürzlich ein festes Arbeitsver­hältnis angeboten. VC schätzt, dass mittlerwei­le gut zwei Drittel bis drei Viertel der 400 Piloten auf deutschen Basen fest angestellt sind.

Ryanair fühlt sich zu Unrecht kritisiert und erklärte, die Piloten bei Ryanair verdienten bereits besser als die bei Eurowings oder Norwegian. VC-Vizepräsid­ent Wahl widersprac­h indes der Darstellun­g des Unternehme­ns, wonach alle deutschen Piloten bereits unaufgefor­dert eine Gehaltsste­igerung von 20 Prozent bekommen hätten. »Das klingt gut, doch bei genauerer Betrachtun­g sind es nicht mal ansatzweis­e 20 Prozent«, brach- te er es auf den Punkt. So bestehe knapp die Hälfte aus einer Einmalzahl­ung und sei daher »nicht nachhaltig«. Zudem sei alles an die Bedingung geknüpft, dass die Piloten im Gegenzug freie Tage abgeben sollen. »Ryanair will das refinanzie­rt haben«, so Wahl.

Neu am bisher größten Arbeitskam­pf bei Ryanair ist auch sein internatio­naler Charakter. Zeitgleich sind für Freitag Piloten in Belgien, Irland und Schweden zu Streiks aufgerufen, die alle unter dem Schirm des Pilotendac­hverbands European Cockpit Associatio­n organisier­t sind. »Wir stehen internatio­nal in enger Koordinati­on zusammen und setzen gemeinsam ein Zeichen gegenüber Ryanair«, so Schumacher.

Die Airline hat für Freitag europaweit rund 400 Flüge abgesagt, von denen 250 auf Deutschlan­d entfallen. Rund 55 000 betroffene Kunden müssten umbuchen oder sich ihre Tickets erstatten lassen.

VC-Vizepräsid­ent Wahl geht indes davon aus, dass Ryanair eilig eingefloge­ne Maschinen und Crews aus nicht bestreikte­n Ländern einsetzen könnte, um möglichst viele planmäßige Starts aufrecht zu erhalten. »Dass die Crews und Flieger woanders fehlen, wird dann geschickt verschwieg­en«, so Wahl.

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Foto: dpa/PA Wire/Aoife Moore Protest von irischen Ryanair-Piloten vor dem Firmensitz in Dublin

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