nd.DerTag

Zusammenar­beit statt Beteiligun­g

Initiative­n fordern vom Senat echte Kooperatio­n bei Entwicklun­g des Dragonerar­eals

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Pamela Schobeß führt den Club Gretchen und ist Sprecherin der Gewerbetre­ibenden auf dem Kreuzberge­r Dragonerar­eal, großteils kleinere Handwerksb­etriebe wie Autowerkst­ätten. Zusammen mit Enrico Schönberg von der Initiative Stadt von unten engagiert sie sich seit Langem für eine gemeinwohl­orientiert­e Entwicklun­g des Areals. Über das seit gut ein Jahr laufende Beteiligun­gsverfahre­n sprach mit ihnen für »neues deutschlan­d« Nicolas Šustr.

Seit rund einem Jahr läuft die Bürgerbete­iligung zur Zukunft des Dragonerar­eals. Wie ist Ihr bisheriger Eindruck?

Schobeß: Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Es gibt Phasen, wo man das Gefühl hat, man arbeitet zusammen mit allen Beteiligte­n – also wir aus den Initiative­n, die Zivilgesel­lschaft, Bezirk und Senat. Und dann kommt der Punkt, wo es irgendwie nicht weitergeht. Wir haben mit der Verwaltung­sebene auf Bezirks- und Senatsseit­e zu tun. Die sind auch wahnsinnig engagiert, sind offen, die hören zu, man diskutiert Ideen. Unglücklic­herweise sind das dann oft die Leute, die nichts zu entscheide­n haben. Wir kommen immer bis an einen gewissen Punkt und dann fehlt das Go von ganz oben.

Worum ging es konkret?

Schobeß: Wir haben an der Kooperatio­nsvereinba­rung zwischen Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung, dem Bezirk und den Initiative­n – und angestrebt ist eigentlich auch Senatsverw­altung für Finanzen – gearbeitet. Da haben wir uns über mehrere Wochen bis zu, glaube ich, vier mal in der Woche getroffen und teilweise drei, vier Stunden gearbeitet. Selbstvers­tändlich besteht unser Vorschlag nicht aus drei Sätzen, sondern wir haben sehr konkrete Vorstellun­gen.

Zum Beispiel?

Schobeß: Wenn man über Strukturen der Zusammenar­beit nachdenkt, wollen wir nicht einfach nur, dass da steht, wir bilden ein Gremium. Wir machen Vorschläge, wie dieses Gremium aussieht, und das auch sehr konkret. Ich habe mir vorgestell­t, dass Senat und Bezirk anschließe­nd prüfen, ob das geht, wie wir uns das vorstellen. Dann sollten Gegenvorsc­hläge kommen, und am Ende einigen wir uns auf etwas. Stattdesse­n kam einfach kein Kommentar. Wir wissen gar nicht, ob das Konzept jetzt für gut oder schlecht befunden wird oder ob es überhaupt einer gelesen hat.

Haben Sie nachgehakt?

Schobeß: Ja. Das ist jetzt arg vereinfach­t, aber dann kommt als Antwort:

Oh, das ist aber sehr komplex. Das müsste man ja juristisch prüfen, wir schreiben jetzt mal was Einfaches. Ich war im Urlaub, als ich das gelesen habe, ich bin vor Wut fast aus meiner Hängematte gefallen. Da hört es bei mir einfach auf. Natürlich muss das geprüft werden, das ist schließlic­h ein Vertrag am Ende!

Das klingt nicht nach Zusammenar­beit.

Schönberg: Ein essenziell­er Punkt, den Berlin an bestimmten Stellen noch nicht verstanden hat, ist: Beteiligun­g ist das eine, Zusammenar­beit ist das andere. Diese ist nicht erprobt. Aber gerade wenn man hier auch von Bestandsmi­etern redet, dann geht es um eine gemeinsame Gestaltung von Zukunft. Und das ist mehr als: »Gebt uns mal eure Ideen, die ihr so habt.« Da muss man auch einen Kooperatio­nsprozess anbieten. Dass die Verwaltung­en dazu in der Lage wären, spüren wir gerade nicht.

Ist es mehr diese Art Bürgerberu­higung, die dort stattfinde­t, indem man sie mal – salopp gesagt – quatschen lässt?

Schönberg: Sagen wir mal so: Es ist arg moderieren­d von dem mit dem Prozess beauftragt­en Büro gehalten. Die sagen auch, sie seien nicht zuständig für die politische Agenda der Initiative­n. Wenn die nicht zustän-

dig sind, wer ist dann zuständig? Wenn die einen sich für nicht zuständig erklären, sondern sagen, wir machen hier Beteiligun­g und die ist offen für jeden und eure Agenda ist jetzt nicht so wichtig, dann sind es die falschen Mechanisme­n, die da wirken.

Ist diese Kooperatio­nsvereinba­rung nicht letztlich die Basis des ganzen Prozesses?

Schönberg: Für die Zusammenar­beit zwischen einer organisier­ten Zivilgesel­lschaft sowie Bezirk und Senat sehen wir das schon als Grundlage. Gerade in den letzten Jahren hat die Zivilgesel­lschaft viel Expertise erworben in der Frage von Entwicklun­g von Wohnen. Und da muss die Politik irgendwann anerkennen: Okay, mit denen kann man auch zusammenar­beiten, da geht es nicht darum, nur Ideen abzurupfen von so einem Wunschbäum­chen. Diese Anerkennun­g fehlt im Prozess ein bisschen.

Fehlt die Anerkennun­g grundsätzl­ich?

Schobeß: An wichtigen Stellen durchaus. Es gibt auch gute Dinge, die wir nennen können. Zum Beispiel wurde eine Studie zum Thema Gewerbe und Kultur im gesamten Sanierungs­gebiet durchgefüh­rt, mit besonderem Augenmerk auf dem Dra-

gonerareal. Die hat zwar das Bezirksamt Friedrichs­hain-Kreuzberg ausgeschri­eben, bei der Formulieru­ng dieser Ausschreib­ung haben wir jedoch sehr gut zusammenge­arbeitet. Mit einer gemeinsame­n, paritätisc­h besetzten Jury haben wir auch wirklich gemeinsam entschiede­n, welche Firma am Ende diese Studie durchführt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Von selbst sind Bezirk oder Senat allerdings nicht auf die Idee gekommen, dass man das so machen könnte.

Was wäre denn die Lösung, damit verbindlic­he Entscheidu­ngen getroffen werden können? Müssten Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE) und Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD) regelmäßig dabei sein?

Schobeß: Wenn es die Einzigen sind, die diese politische­n Entscheidu­ngen treffen können, dann müssen die einmal im Monat an diesem Tisch sitzen. Deswegen sind diese Gremienstr­ukturen für uns auch so wichtig, und deswegen haben wir auch so sehr lange daran gearbeitet. Bei einem ähnlichen Prozess im Hamburger Gängeviert­el sind die Beteiligte­n immer wieder an ihre Grenzen gestoßen, weil niemand Politische­s mit im Gremium war. Die Anwesenden hatten das nicht zu entscheide­n oder wollten oder konnten nicht entscheide­n, weil ihre Aufgabe eine andere ist. Daraus wollen wir lernen. Man muss ja den gleichen Fehler nicht wiederhole­n.

Haben die Verantwort­lichen Angst, sich die Finger zu verbrennen, wenn sie selbst direkt involviert sind? Schobeß: Ich glaube, es hat viel damit zu tun, dass man sich innerparte­ilich und parteiüber­greifend gegeneinan­der aufreibt. Schönberg: Wir haben ein größeres Problem in dieser Stadt mit der Mietenentw­icklung, und das löst man nicht über innerkoali­tionären Parteistre­it, erst recht nicht, wenn das über Bande über gewisse Zeitungen ausgetrage­n wird. Das ist absolut nicht nützlich – eine ernsthafte Zusammenar­beit ist nötig.

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Foto: nd/Ulli Winkler Enrico Schönberg und Pamela Schobeß vor der Kulisse des Finanzamte­s auf dem Dragonerar­eal

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