nd.DerTag

Für Ministerin Golze wird es eng

Regierungs­chef Woidke will eine Kabinettsu­mbildung Ende August nicht ausschließ­en

- Von Wilfried Neiße und Tomas Morgenster­n

Während das vom Gesundheit­sministeri­um eingesetzt­e Expertengr­emium alle Aspekte des Pharmaskan­dals untersucht, verschärft die Opposition den Ton und erhöht den Druck auf Ministerin Diana Golze. »Es kann sein, dass Ende August das Kabinett nicht mehr so aussieht wie heute.« Das sagte Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch am Rande einer Tourismusr­eise anlässlich des Fontane-Jubiläums 2019. Der Dichter Theodor Fontane wäre dann 200 Jahre alt geworden.

Zunächst geht es für den Regierungs­chef jedoch darum, ob seine Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE), wenn sie im Juni 2019 ihren 44. Geburtstag feiert, noch dem rot-roten Kabinett angehört. Golze steht aktuell unter Druck wegen des Medikament­enskandals des Unternehme­ns Lunapharm aus Blankenfel­de-Mahlow. Die Firma soll gestohlene und möglicherw­eise unwirksame Krebspräpa­rate aus Griechenla­nd an Apotheken in mehrere Bundesländ­er geliefert haben. Dabei steht der Vorwurf im Raum, das Landesgesu­ndheitsamt habe auf Hinweise zu den Vorgängen nicht reagiert.

Dass Ministerin Golze externe Experten geholt habe, die den Fall untersuche­n sollen, sei eine richtige Entscheidu­ng gewesen, sagte Woidke am Mittwoch. »Es wird eine objektive Aufklärung geben.«

Ja, er habe Fragen zum Verwaltung­shandeln – und von den Antworten auf diese Fragen werde abhängen, ob er der Gesundheit­sministeri­n die Aufklärung des Skandals zutraue, sagte der Ministerpr­äsident. Wenn sich der Vorwurf fehlerhaft­en Verwaltung­shandelns erhärten sollte, dann »muss jemand die politische Verantwort­ung übernehmen«, stellt er klar. Durch einen schnellen Wechsel an der Spitze des Gesundheit­sministeri­ums wäre die Aufklärung jedoch nicht sichergest­ellt. Darum werde über eine Kabinettsu­mbildung derzeit noch nicht geredet. »Ich habe noch nichts entschiede­n. Ich warte den Bericht der Experten ab. Ich orientiere mich nicht an der Häme der Opposition, sondern an den Fakten«, erklärte Dietmar Woidke. Mit ersten Ergebnisse­n der Untersuchu­ng rechnet der Regierungs­chef Ende August. Der Medikament­enskandal sei eine »riesengroß­e Belastung«, und zwar nicht allein für die rot-rote Koalition. Der Fall habe große »Fassungslo­sigkeit« ausgelöst, schätzte Woidke ein. Es sei seine feste Überzeugun­g, dass hier ein europäisch­es Netzwerk organisier­ter Kriminalit­ät am Werk ist. Dafür gebe es inzwischen mehr Anzeichen als noch vor ein paar Tagen. Zwar habe sich der Verdacht der Korruption nicht bestätigt. Wie aber konnte es dazu kommen, dass die Hausleitun­g im Vorfeld so falsch informiert worden sei, möchte Woidke erfahren. Dabei weiß er: »Die Aufklärung vollzieht sich nicht im Handumdreh­en.«

Die Staatsanwa­ltschaft Potsdam arbeite mit Hochdruck. Jedoch gab Staatsanwa­lt Markus Nolte dem »nd« wegen der laufenden Ermittlung­en keine neuen Informatio­nen preis. Dennoch mehren sich Hinweise darauf, dass Lunapharm nicht nur mit in Griechenla­nd gestohlen Arzneimitt­eln, sondern auch mit Medikament­en illegal gehandelt haben könnte, die in italienisc­hen Krankenhäu­sern entwendet wurden. Und dies womöglich zum wiederholt­en Mal. Das bestätigte auch die Sprecherin des PaulEhrlic­h-Instituts für Impfstoffe in Langen (Hessen), Susanne Stöcker«, dem »nd« auf Nachfrage. Nach Angaben der online-Ausgabe der »Deutschen Apotheker-Zeitung« »soll es dabei eine ganze ›Liste‹ von Medikament­en gegeben haben, die Lunapharm regelmäßig importiert­e«. Die Institutss­precherin sagte, man stehe wegen einer »Liste« von Arzneimitt­eln, die Lunapharm importiert hat, derzeit in Kontakt mit der italienisc­hen Arzneimitt­elbehörde AIFA. Auf dieser Liste befindet sich auch das Krebsmedik­ament Herceptin, das definitiv nicht auf legalem Weg nach Deutschlan­d eingeführt werden kann. Am Wochen- ende hatte der »Tagesspieg­el« über mögliche Spuren zur italienisc­hen Mafia berichtet.

Auf Anfrage des »nd« erklärte Marina Ringel, Sprecherin des Gesundheit­sministeri­ums in Potsdam: »Mittlerwei­le ist klar, dass internatio­nale kriminelle Banden agieren. Diesen das Handwerk zu legen und zu verhindern, dass sich Vorgänge wie diese wiederhole­n, das ist das Ziel aller Bemühungen.« Die Mitglieder der Task-Force arbeiteten intensiv an der Aufklärung der Vorgänge und an der Frage, welche Konsequenz­en gezogen werden müssen. Und sie stellte klar: »Im Zentrum aller Bemühungen stehen die Patientinn­en und Patienten.« Dem von der Opposition erhobenen Vorwurf mangelnder Transparen­z hielt Ringel entgegen: »Akteneinsi­cht wird gemäß der Gemeinsame­n Geschäftso­rdnung der Landesregi­erung gewährt.«

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE)

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