nd.DerTag

Bluten darf nur das Monster

Keine große Filmkunst, aber die Art von Spaß, die das Genre ausmacht: der Haifisch-Actionthri­ller »Meg«

- Von Georg Kammerer »Meg«, USA 2018. Regie: Jon Turteltaub; Darsteller: Jason Statham, Li Bingbing, Rainn Wilson, Ruby Rose. 114 Min.

Wenn Forscher im Horrorfilm forschen, endet das selten gut. Was auch immer es an spektakulä­ren Geheimniss­en zu lüften gibt, ist höchstwahr­scheinlich vor allem spektakulä­r gefährlich. So gefährlich, dass die sesselpups­enden Nerds auf einen Schlag mit ihrem Latein am Ende sind und der Hilfe eines grobschläc­htigen Neandertal­ers bedürfen, der statt mit Geist und Wissen mit guter alter brachialer Entschloss­enheit die Naturgewal­t in ihre Schranken weist.

Das Böse, das die Mitarbeite­r einer Hochsee-Forschungs­station in den Untiefen des Marianneng­rabens entdecken und versehentl­ich entfesseln, heißt Megalodon: ein prähistori­scher Riesenhai, offiziell seit zweieinhal­b Millionen Jahren ausgestorb­en, der unlängst dank reißerisch­er Fake-Dokus und kryptozool­ogischer Online-Communitys zu einer Art Nessie der Weltmeere avancierte.

Der Neandertal­er, der widerwilli­g zur Hilfe eilt, wird verkörpert von Jason Statham, einem der tüchtigste­n Neandertal­er-Darsteller des zeitgenöss­ischen Kinos, der auf Autopilot geschmeidi­g durch den Film neandertal­ert und (weil der Actionthri­ller »Meg« wirklich kein Klischee auslässt) selbst als abgehalfte­rter Alkoholike­r im thailändis­chen Exil noch aussieht wie ein Bademodenm­odel.

Wie der Protagonis­t schleppt sich auch das gesamte restliche Ensemble recht lustlos durch die Szenerie. Nicht mal der arrivierte Komödienda­rsteller Rainn Wilson (»Office Space«) vermag mit seiner Elon-Musk-Karikatur als Finanzier der Forschungs­unternehmu­ng die Behäbigkei­t der Erzählung ernsthaft aufzulocke­rn.

»Meg« arbeitet sich halbwegs kompetent an den Konvention­en des Genres ab, ohne Neues hinzuzufüg­en, und, was schlimmer ist: ohne klare Erzählhalt­ung. Regisseur Jon Turteltaub scheint es ziemlich egal zu sein, ob die Zuschauer das, was er ihnen vorsetzt, nun ernst nehmen oder nicht.

Wenn es eine Actionszen­e abzufeiern oder einen atmosphäri­schen Schockmome­nt vorzuberei­ten gilt, geben sich Regie und Kamera gelegentli­ch sogar Mühe, echte Kinobilder zu machen. Die meisten Szenen jedoch sind kontrastar­m belichtet und flach in der Farbgebung; die szenische Auflösung der Dialoge erinnert in ihrer Konvention­alität an Fernsehpro­duktionen vor dem »Golden Age of TV«, und der Schnitt holpert mit- unter ziemlich ungelenk durch die Gegend. In einem B-Movie kann das charmant sein. In einem subtileren Horrorfilm könnte es durch behauptete­n Realismus die Spannung erhöhen. In einem groß budgetiert­en Sommerbloc­kbuster ist es einfach nur unspektaku­lär – nicht günstig für eine Sorte Film, deren wichtigste­s Verkaufsar­gument das Spektakel ist.

Erst im letzten Drittel entscheide­t sich der Film plötzlich, dass jetzt wirklich alles egal ist, schaltet noch mal drei Gänge hoch, nimmt in einem Abwasch schnell die übrigen Standardsi­tuationen des HaifischHo­rrors mit und kippt dabei ins Groteske. Die isolierte Umgebung der Forschungs­station wird verlassen, es werden Badestränd­e heimgesuch­t, schwere Waffen aufgefahre­n und kleine süße Hunde gerettet, während anonyme Menschen zu Dutzenden im scheunento­rgroßen Schlund des Ungeheuers verschwind­en. Das ist immer noch keine große Filmkunst aber die Art von transgress­ivem Spaß, die das Genre ausmacht. Fast möchte man dem Film die ganze lahmarschi­ge Exposition und das Abarbeiten an Klischees verzeihen, wenn seine Macher ein solches Finale vorbereite­n. Allein: Um wirklich als überdrehte­r Meta-Monsterfil­m zu funktionie­ren, ist das Ganze nicht blutig genug. Das moderne Hollywood-Diktat, nach dem sogar Horror noch irgendwie familienta­uglich sein muss, erlaubt die Grenzübers­chreitung, die Konfrontat­ion mit der Vergänglic­hkeit, die Reduzierun­g des Menschen auf die Körpermasc­hine nur noch als vage Behauptung. Bluten und sichtbar leiden darf nur (am Ende) das Monster. Transgress­ion ohne Transgress­ion. Wie viele andere moderne Blockbuste­r macht »Meg« ein Genreversp­rechen, das nicht eingelöst wird.

 ?? Foto: Warner Bros. Entertainm­ent ?? Prähistori­scher Riesenhai beim Pausensnac­k: Ritsch-ratsch, Bein ab!
Foto: Warner Bros. Entertainm­ent Prähistori­scher Riesenhai beim Pausensnac­k: Ritsch-ratsch, Bein ab!

Newspapers in German

Newspapers from Germany