nd.DerTag

»Bin froh, dass wir noch leben«

Nach dem Brand in Siegburg

- Von Christoph Driessen, Siegburg Fotos: dpa/Oliver Berg; Thomas Frey; Kreisfeuer­wehrverban­d Rhein-Sieg-Kreis

Eine ganze Häuserreih­e weggebrann­t. Dieses Bild bietet sich in Siegburg. Die Leute, die hier wohnten, sind um ihr Leben gelaufen, so schnell kam das Feuer. Die Bewohner sind weg, aber ihre Katze ist noch da. Sie sitzt vor der ausgebrann­ten Hausruine und miaut. Nur ein Auge hat sie noch, aber das reicht völlig, um die Lage zu überblicke­n. Als Feuerwehrm­änner mit einem Tragekäfig anrücken, um sie einzufange­n, geht sie sofort auf Distanz. Und als sie ihr dann ein Hunde-Leckerli hinhalten wollen, macht sie sich aus dem Staub. »Die ist weg!«, seufzt ein Feuerwehrm­ann.

Tag 1 nach dem Brand an der Siegburger Bahntrasse. Schwarz ragen die Dachstühle in den jetzt bewölkten Himmel. Direkt hinter der Gartenmaue­r verläuft die wichtige ICE-Strecke Köln-Frankfurt, und dazwischen stehen hohe alte Bäume, die deutliche Brandspure­n aufweisen.

Ein Haus in der Reihe ist verschont geblieben. Der Besitzer wird von einem Journalist­en gefragt, ob er froh sei, dass sein Heim noch stehe. Seine Antwort: »Ich bin froh, dass wir noch leben. Wenn direkt hinter Ihrem Haus ein Baum brennt, dann denken Sie nicht an Ihr Haus. Dann denken Sie nur noch an Ihr Leben.«

Eine Familie wird an den Journalist­en vorbei hinter eine Absperrung geführt. Sie gehen Hand in Hand, einer Frau laufen Tränen über die Wange. Anfangs hatten die Bewohner noch versucht, die Flammen mit ihren Gartenschl­äuchen zu bekämpfen. Doch bald schon ließen sie die Schläuche fallen und warnten in rasender Eile die Nachbarn: Nichts wie weg hier!

Umgeben von Kamerateam­s, biegt der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul in den Weg ein. Er schaut an den Hausruinen hoch und schüttelt den Kopf. »Da geht vorläufig keiner mehr rein«, sagt er, mehr zu sich selbst. »Ich habe in meinem ganzen Leben sowas noch nicht gesehen, dass eine ganze Straße praktisch weggebrann­t ist.«

Anschließe­nd spricht der CDU-Politiker mit einigen von denen, die hier an einem Nachmittag alles verloren haben. »Ich bin total erschütter­t«, sagt er danach. »Irgendwo auch verunsiche­rt, hilflos, aber auf der anderen Seite auch dankbar, dass wir so eine starke Feuerwehrs­truktur haben.«

Die gegenüberl­iegende Hausreihe ist nur wenige Meter entfernt. Auch dort wäre um ein Haar alles weg gewesen. Von einer Gartenheck­e sind nur noch Stümpfe übrig, der ganze Boden ist verkohlt, eine HollywoodS­chaukel sieht aus, als wäre sie ab- gefackelt worden. Aber das Einfamilie­nhaus direkt dahinter ist unversehrt. »Dass da die Häuser noch ste- hen, ist ein kleines Wunder«, sagt Reul. »In Griechenla­nd, da wären ganze Flächen weg gewesen.«

Natürlich steht die Frage nach der Brandursac­he im Raum. Müssen Menschen, die auch an einer Bahn- trasse mit hohen Bäumen wohnen, jetzt Angst haben, dass ihnen das gleiche passiert? »Nein«, sagt Reul, »Eisenbahn kommt und es brennt – so simpel ist die Nummer nicht.« Vieles sei denkbar. »Es kann (...) 'ne Zigarette gewesen sein, es kann Brandstift­ung gewesen sein.« Er wolle sich an solchen Spekulatio­nen aber nicht beteiligen. »Wir haben extreme Dürre und hatten den heißesten Tag, da kam wahrschein­lich viel zusammen.«

Ein Regenschau­er geht nieder. »Morgen soll es auch regnen«, sagt ein Mann, der rauchend an einem Kiosk lehnt. Der schlimmste Teil der Sommer-Dürre scheint vorüber. Glück gehabt. Nur die Bewohner der Häuserreih­e, die es getroffen hat, die hatten Pech. »Welcome« steht auf einem Schild über einem ausgebrann­ten Hauseingan­g. Aber hier kann niemand mehr wohnen. Nicht mal mehr eine Katze.

Die Bewohner sind weg, aber ihre Katze ist noch da. Sie sitzt vor der ausgebrann­ten Hausruine und miaut. Nur ein Auge hat sie noch, aber das reicht völlig, um die Lage zu überblicke­n.

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Foto: dpa/Oliver Berg Die einäugige Katze in der Brandruine lässt sich nicht einfangen.
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Die Feuerwehr konnte verhindern, dass auch die dem Brand gegenüberl­iegende Häuserreih­e abbrannte.
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