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»Sanktionen aus der Hölle«

Die neuen Strafmaßna­hmen der USA gegen Russland im Fall Skripal stoßen in Moskau auf scharfe Kritik

- Von Olaf Standke

Russland bestreitet weiter jede Verwicklun­g in den C-Waffen-Anschlag auf einen ehemaligen russischen Doppelagen­ten. Doch Washington verhängt neue Sanktionen. Gerade hat US-Senator Rand Paul bei seinem Besuch in Moskau einen Brief von Präsident Donald Trump an die Regierung von Wladimir Putin überreicht. Wie der Republikan­er erklärte, unterstrei­che das Schreiben die Notwendigk­eit einer bilaterale­n Kooperatio­n gegen Terroriste­n, eines Dialogs der Parlamente beider Länder und einer Wiederaufn­ahme des kulturelle­n Austausche­s. Das lag auf der Linie von Helsinki, wo Trump nach dem Gipfel mit seinem Moskauer Amtskolleg­en noch erklärte, man habe gemeinsam »die ersten Schritte in eine strahlende­re Zukunft gemacht». Doch schon da war die Kritik zu Hause nicht zuletzt angesichts der massiven Vorwürfe wegen einer angebliche­n russischen Einmischun­g in den US-amerikanis­chen Wahlkampf groß. Nun hat die Verkündung weiterer Sanktionen gegen Moskau Trumps Worte endgültig ad absurdum geführt.

Rechtsgrun­dlage der Entscheidu­ng ist das US-Gesetz zur Kontrolle chemischer und biologisch­er Kampfstoff­e aus dem Jahr 1991. Es ermächtigt den US-Präsidente­n, beim nachweisba­ren Einsatz dieser Massenvern­ichtungswa­ffen internatio­nal oder gegen eigene Bürger Sanktionen über den verantwort­lichen Staat zu verhängen. Diesen Tatbestand sieht Washington im Fall des vor Monaten in Großbritan­nien vergiftete­n früheren russischen Doppelagen­ten Sergej Skripal nun auch regierungs­amtlich erfüllt – obwohl wirkliche Beweise nach wie vor fehlen. Das hatte aber schon bei den ersten Strafmaßna­hmen nicht gestört: Rund 25 Staaten und die NATO wiesen über 140 russische Diplomaten aus, Moskau reagierte adäquat.

Nun kann der US-Präsident auch den Export bestimmter Güter und Technologi­en nach Russland verbieten. Welche genau, wird man wohl erst wissen, wenn die Sanktionen in zwei Wochen in Kraft treten. Im State Department hieß es, es gehe um Technologi­en, die von »Bedeutung für die nationale Sicherheit« der USA seien und beim Export der Zustimmung der Regierung bedürften. Diese Sanktionen könnten die russische Wirtschaft »Hunderte Millionen Dollar« kosten. Dass das Weiße Haus bis zur letzten Minute der gesetzlich vorgegeben­en Frist für die Verhängung solcher Strafmaßna­hmen mit der Verkündung gewartet hat, zeigt auch, wie wenig man im republikan­ischen Lager in Sachen Russland an einem Strang zieht.

Senatoren und Kongressab­geordnete wie Ed Royce, Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s im Repräsenta­ntenhaus und einer der schärfsten Kritiker Trumps, fordern seit langem, gegen Moskau den »Instrument­enkasten aggressive­r zu nutzen«. Putin müsse wissen, »dass wir weder seine tödlichen Handlungen noch seine anhaltende­n Angriffe auf unseren demokratis­chen Prozess dulden werden«. Dazu gehören nach den Vorstellun­gen im Kongress selbst Sanktionen gegen russische Staatsbank­en, was ernsthafte Folgen für die gesamte russische Wirtschaft haben könnte. Aber auch der internatio­nale Handel wäre durch solche Strafmaßna­hmen betroffen, nicht zuletzt die Geschäfte deutscher Firmen.

Erst einmal hat die Ankündigun­g neuer »Skripal-Sanktionen« am Donnerstag die russische Börse und den Rubel auf Talfahrt geschickt. Ein Dollar entsprach am Morgen 66,48 Rubel – der niedrigste Wert seit November 2016. Zu den großen Verlierern gehörten die Banken. Vor allem aber stürzte die Aeroflot-Aktie um über zehn Prozent ab. US-Medien hatten berichtet, Washington könnte in einem nächsten Schritt Flughäfen des Landes für russische Airlines sperren lassen. Tatsächlic­h würde in 90 Tagen eine zweite, noch schärfere Sanktionsr­unde beginnen, wenn Moskau jetzt nicht ausländisc­hen Inspektore­n Zugang zu russischen Anlagen für chemische Kampfstoff­e gewährt. Denn Russland muss nachweisen, dass diese Waffen nicht mehr verwendet werden. Andernfall­s sieht das US-Gesetz faktisch das vorläufige Ende der diplomatis­chen Beziehunge­n vor.

Und dann ist da ja noch der imUSSenat kursierend­e Entwurf für »Sanktionen aus der Hölle«, wie der republikan­ische Senator Lindsey Graham weitere massive Strafmaßna­hmen für Russlands Wirtschaft und Finanzen nennt. Doch wandelt man da auch auf schmalem Grat; investiere­n doch z.B. etliche US-Rentenfond­s in russische Staatsanle­ihen. Man brauche also Maßnahmen, die zwar schmerzhaf­t für die russische Wirtschaft, aber nicht für Firmen und die Bürger in den USA seien, so Chris Miller, Vize-Direktor des Russlandpr­ogramms an der Tufts University in Boston.

Die die jetzigen wegen des angebliche­n Giftanschl­ags verkündete­n Sanktionen hat Kremlsprec­her Dmitri Peskow scharf verurteilt. »Russland hatte und hat damit nichts zu tun«, erklärte er am Donnerstag und sprach von einem Verstoß der USA gegen internatio­nales Recht. Die Strafmaßna­hmen seinen »absolut inakzeptab­el«. Über mögliche Gegenmaßna­hmen wollte Peskow nichts sagen; man müsse erst einmal herausfind­en, um welche Strafmaßna­hmen es genau gehe. Sicher sei allerdings, dass Washington in der internatio­nalen Politik ein unzuverläs­siger Akteur bleibe. Trotzdem hoffe Moskau weiterhin auf »konstrukti­ve Beziehunge­n«.

 ?? Foto: dpa/Andrew Matthews ?? Für die Ermittlung­en nach dem Skripal-Anschlag brauchte es Schutzanzü­ge. Toxisch ist auch die US-Sanktionsp­olitik gegen Russland.
Foto: dpa/Andrew Matthews Für die Ermittlung­en nach dem Skripal-Anschlag brauchte es Schutzanzü­ge. Toxisch ist auch die US-Sanktionsp­olitik gegen Russland.

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