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Fegepausen gegen den Ansturm

In vielen Freibädern und Touristenh­ochburgen sind nicht alle Besucher willkommen

- Von Christian Böhmer, Paris

Ob Pariser Freibad oder spanischer Strand: An manchen Hotspots in Europa darf wegen Überfüllun­g nicht jeder rein. Auch abseits klassische­r Touristenh­ochburgen werden Zugangstic­kets verlangt. Das schicke Freibad auf einer grünen Seine-Insel in Puteaux lockt mit einem kühlen Bad vor den Toren von Paris. Doch Aurore und ihr Sohn Tristan sind nicht willkommen: Das städtische Bad ist bei Hitzetempe­raturen ganz den Bewohnern der Kommune und Abonnenten vorbehalte­n. Schon an der Parkplatze­infahrt werden Auswärtige abgewiesen, ob sie nun aus Paris, Lille oder Marseille kommen. »Wir sind Opfer unseres Erfolgs«, sagt ein Mitarbeite­r mit bedauernde­m Unterton an der Schwimmbad­kasse.

Wegen Überfüllun­g geschlosse­n – so heißt es mittlerwei­le an vielen beliebten Orten in Europa. Im Rathaus von Puteaux wird auf die Sicherheit verwiesen. »Der Einlass ist auf 800 Menschen begrenzt«, sagte Vizebürger­meister Franck Cavaye. Noch vergangene­s Jahr habe es lange Schlangen, Auseinande­rsetzungen und Beschädigu­ngen im Schwimmbad gegeben. Die »Anwohnerre­gelung« ist seit Sommer 2017 gültig, sorgt aber erst im Hitzesomme­r 2018 für Wirbel.

Auch in Paris selbst hat man viel zu tun, um es allen Besuchern aus dem In- und Ausland recht zu machen. Für den Eiffelturm mit mehr als sechs Millionen Besuchern im Jahr werden inzwischen viele Tickets über das Internet verkauft, um Wartezeite­n zu verringern. Die Angestellt­en waren aber unzufriede­n – und streikten vergangene Woche. Tausende Touristen standen vor den verschloss­enen Gittern des Wahrzeiche­ns.

In Nordspanie­n wird die Besucherza­hl eines besonders spektakulä­ren Strandes schon seit vier Jahren begrenzt. Um die berühmte Playa de Las Catedrales (Strand der Kathedrale­n) in Galicien nordöstlic­h von La Coruña erleben zu dürfen, brauchen Besucher in den Sommermona­ten eine »persönlich­e und nicht übertragba­re« Sondergene­hmigung. Der Strand mit seinen eindrucksv­ollen Felsformat­ionen wurde bereits 2007 zum Biosphären­reservat erklärt. Von Anfang Juli bis Ende September dürfen täglich nur noch 4812 Menschen das Naturwunde­r besuchen.

In Italien wird immer wieder über Zugangsbes­chränkunge­n für Touristena­ttraktione­n diskutiert, beispielsw­eise im dauerüberl­aufenen Venedig. Aber auch wenn immer wieder von Drehkreuze­n, Schranken oder ähnlichem die Rede ist: Anziehungs­punkte der Lagunensta­dt wie der Markusplat­z wurden bisher noch nie wegen Überfüllun­g geschlosse­n. Abseits der Brennpunkt­e des Massentour­ismus darf aber auch in Bella Italia nicht jeder rein, der will. So dürfen Autos und Motorräder im Som- mer nur noch in beschränkt­er Zahl um das Sellajoch, einen Alpenpass in den Dolomiten, fahren. So soll die Umwelt geschützt werden. Auf denWanderw­eg zwischen den malerische­n Dörfern in Cinque Terre in Ligurien darf man wegen des Ansturms mittlerwei­le nur noch mit Ticket hinein.

Mit harten Bandagen geht auch die niederländ­ische Hauptstadt Amsterdam gegen Überfüllun­g vor. Im Rotlichtqu­artier nahe des Bahnhofs wird es künftig an besonders vollen Abenden Fegepausen geben – dann sollen ganze Straßen kurzfristi­g zum Saubermach­en gesperrt werden. Auch das Schließen von Straßen wegen Überfüllun­g ist möglich. Grund: Amsterdam werde vor allem nachts ein »Dschungel«, stellte der städtische Ombudsmann unlängst fest.

Von einem »Dschungel« mag man auf dem Münchner Oktoberfes­t zwar nicht sprechen. Doch die Bierzelte auf dem Volksfest sind mit vielen Tausend Besuchern oft so voll, dass Ordner die Eingänge sperren und Warnschild­er mit dem Hinweis »Wegen Überfüllun­g geschlosse­n« aufhängen. Regelmäßig geschieht das auch schon am ersten »Wiesn«-Tag – manchmal sogar vor der offizielle­n Eröffnung, bevor es überhaupt das erste Bier gibt. Wer nur kurz rausgeht und ohne Reservieru­ng an seinen Platz zurück möchte, ist auf einmal in der der Klemme: Argumente wie »Meine Jacke ist drinnen« oder »Meine Freunde warten« können die strengen Ordner kaum erweichen. Zu oft wurde das als Trick benutzt, um wieder in ein überfüllte­s Zelt zu kommen.

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Foto: imago/viennaslid­e Touristenm­assen auf der Rialtobrüc­ke in Venedig – die war noch nie gesperrt.

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