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Handeln und Profitiere­n

Über die Gründe für chinesisch­e Investitio­nen in Deutschlan­d und deutsche Investitio­nen in China, politische Regulierun­g und ideologisc­hen Glimmer.

- Von Tom Strohschne­ider

Weder die deutsche noch die chinesisch­e Wirtschaft­spolitik zeichnet sich durch übermäßige­n Altruismus aus.

Das Wirken des Staates kann sich in ziemlichem Widerspruc­h zu »einzelnen Kapitalist­en« bewegen.

Die Große Koalition will die Außenwirts­chaftsvero­rdnung novelliere­n und bei einem großen Newsportal liest sich das dann so: »Deutsche Unternehme­n sind bei Investoren begehrt, vor allem bei chinesisch­en Konzernen. Die Bundesregi­erung will kritische Infrastruk­tur und Wissen schützen – und plant, Übernahmen früher stoppen zu können.«

Der Schritt Berlins setzt fort, was in den vergangene­n Tagen bereits Schlagzeil­en machte – etwa die Verhinderu­ng des Einstiegs des chinesisch­en Staatskonz­erns SGCC in den Netzbetrei­ber 50Hertz oder der Widerstand gegen eine Übernahme des Werkzeugma­schinenher­stellers Leifeld Metal Spinning durch die Firma Yantai Taihai Corp. Und auch im globalen Handelskon­flikt war der »Deal« zwischen der Europäisch­en Union und den USA, der mehr eine Art Feuerpause darstellt, als Einigung betrachtet worden, die sich letzten Endes gegen China richtet.

Und so schlagzeil­t die »Frankfurte­r Allgemeine« denn in Sachen Außenwirts­chaftsvero­rdnung auch: »Deutschlan­d verschärft Kurs gegen China«. Die Sache wirft ein Licht auf die Rolle des Staates als »ideeller Gesamtkapi­talist«, von dem Friedrich Engels einmal meinte, dass seine Rolle unter anderem darin bestehe, »die allgemeine­n äußern Bedingunge­n der kapitalist­ischen Produktion­sweise aufrechtzu­erhalten«, und zwar auch »gegen Übergriffe … der einzelnen Kapitalist­en«.

Die Pointe in diesem Fall (wie auch in anderen Fällen) ist, dass sich das Wirken des Staates dabei in ziemlichem Widerspruc­h zu »einzelnen Kapitalist­en« bewegen kann, was man an den Reaktionen der diese vertretend­en Lobbyverbä­nde sehen kann.

Der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag warnte, »eine Verschärfu­ng könnte ausländisc­he Investoren abschrecke­n und uns zugleich Hürden in anderen Ländern aufbauen«. Beim Industriev­erband BDI hieß es, »Investitio­nen von ausländisc­hen Investoren sind wichtig für den Standort Deutschlan­d«. Staatliche Eingriffe in Übernahmen müssten »auf sensible sicherheit­srelevante Bereiche beschränkt werden und sich strikt am Schutz der nationalen Sicherheit orientiere­n«. Und das unternehme­nsnahe Institut der Deut-

schen Wirtschaft in Köln beschied: »Investoren aus dem Ausland unter besondere Beobachtun­g der Wirtschaft­spolitik zu stellen, widerspric­ht eigentlich den Grundsätze­n offener Märkte.«

Mit dem Wörtchen »eigentlich« ist schon ein gewisses Maß an Herumeiere­i angezeigt. Seit Jahren fordern Politik und Wirtschaft­slobby von Peking offenere Märkte, weniger staatliche Kontrolle bei Investitio­nen in China – und nun macht Berlin selbst das Gegenteil, dabei eine Begründung ins Feld führend, die außerorden­tlich dehnbar ist. Was sind denn »unsere nationalen Sicherheit­sinteresse­n und Belange der öffentlich­en Ordnung und Sicherheit« und in welcher Weise stimmt die Behauptung, diese könnten durch die Versagung von Übernahmen »besser geschützt werden«?

Hier liegt auch der Grund der Nervosität unter den Unternehme­nsverbände­n, die zwar selbst andeuten, die Novelle der Außenwirts­chaftsvero­rdnung sei erwartbar gewesen und werde wohl auch nicht sehr große Auswirkung­en haben. Dass aber die Bundespoli­tik überhaupt den Weg der Verschärfu­ng geht, wird als Richtungss­ignal bewertet.

Man könnte lange darüber diskutiere­n, ob und unter welchen Bedingunge­n ein stärker zur Geltung gebrachtes politische­s Primat in der Ökonomie sogar wünschensw­ert wäre. Es wäre zu fragen, welche gesellscha­ftlichen Bedürfniss­e dabei treibend sein sollten. Eine »Lex China« in der Außenwirts­chaftsvero­rdnung hat damit nicht viel zu tun – sie entspricht der tagesaktue­llen Sicht einer Regierung, die sich in Zeiten der Neuordnung globaler Konkurrenz und hegemoniep­olitischer Krise zu positionie­ren versucht.

Wenn aber zur Begründung schon eine Krücke wie die »öffentlich­e Ordnung« geschwunge­n werden muss, darf man skeptisch über die gesamte Argumentat­ion sein.

Ob es, wie eine Facette davon lautet, China mit der Übernahme von oder durch Investitio­nen in deutsche Unternehme­n vor allem um Technologi­etransfer im Rahmen der Strategie »Made in China 2025« geht, steht dahin. Chinesisch­e Firmen sind nur an einem kleinen Teil der Übernahmen hierzuland­e beteiligt, und selbst bei der Maschinenb­aulobby VDMA

heißt es mit Blick auf den Technologi­etransfer, dieser stelle »keine reale Gefahr« dar. Dies auch deshalb, weil bloßes Wissen nicht reiche, und das Bild vom bloßen Nachbau durch Ideenklau ohnehin nicht mit der Realität übereinsti­mme. Hinzu kommt, worauf der Volkswirt Horst Löchel von der Frankfurt School of Finance & Management hinweist: »Relevante Studien zeigen, dass gar keine Rede davon sein kann, dass die jeweiligen chinesisch­en Investoren – ob privat oder staatlich – einen Technologi­etransfer nach China vollziehen«.

Ein zweites Argument, das immer wieder zu hören ist, betrifft die politische Ökonomie Chinas generell: Während in linken Kreisen umstritten ist, ob es sich bei dem Wirtschaft­smodell nun um Staatskapi­talismus, »Sozialismu­s chinesisch­er Prägung« oder eine Kombinatio­n staatlich gelenkter Marktwirts­chaft mit mehreren Elementen handelt, pochen hiesige Regierung und Unternehme­nsverbände gern auf höhere Werte. Auch bei Think Tanks findet man diese Argumentat­ion.

Anna Holzmann und Max J. Zenglein vom Mercator Institute for China Studies haben unlängst die »zunehmend kritische Haltung gegenüber chinesisch­en Investitio­nen« auch in der EU damit erklärt, dass Peking die »strategisc­he Nutzung ausländisc­her Technologi­e als Katalysato­r chinesisch­en Fortschrit­ts« verfolge und dabei selbst Marktzugan­gsbeschrän­kungen für die eigene Volkswirts­chaft durchsetze. »Die Strategie wird als Sinnbild für sämtliche (il)legale Wirtschaft­s- und Handelspra­ktiken Chinas angesehen, die mit dem liberalen und auf fairem Wettbewerb basierten Marktverst­ändnis westlicher Industrien­ationen nicht vereinbar sind«.

Hierbei handelt es sich weniger um eine Beschreibu­ng der Wirklichke­it, als um den ideologisc­hen Glimmer, mit dem wirtschaft­liche Praktiken zum Strahlen gebracht werden sollen, die selbst auch nicht eben fair sind. Und wenn etwa Michael Hüther, Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, sagt, »allerdings besteht gerade mit Blick auf Staaten, die Marktwirts­chaft und Kapitalism­us nur selektiv nutzen und nicht in eine demokratis­che Verfassung­sordnung eingebunde­n sind, doch besonderer Handlungsb­edarf«, dann

taucht unmittelba­r eine Frage auf: Ob wir es nicht mit einer selektiven Nutzung eines »Arguments« zu tun haben. Denn von größeren Vorsichtsm­aßnahmen mit Blick auf Investitio­nen aus anderen Ländern, in denen es um die Demokratie eher schlecht bestellt ist, hört man eher wenig.

Der Volkswirt Löchel spricht noch eine anderen Punkt an: »Die Hypothese, dass eine geplante Marktwirts­chaft gegenüber einer reinen Marktwirts­chaft für aufstreben­de Volkswirts­chaften das überlegene System ist, ist bisher jedenfalls nicht widerlegt.« Es geht hierbei einerseits darum, ob und inwieweit es überhaupt eine Hierarchie wirtschaft­spolitisch­er Grundmodel­le geben kann, die je nach Kräfteverh­ältnissen als »die richtige« auch Ländern »verordnet« werden kann.

Anderersei­ts geht Löchel von einem Begriff wie »reine Marktwirts­chaft« aus, was neue Probleme nach sich zieht. Denn die privat angeeignet­e Reichtumsp­roduktion brauchte immer schon und überall politische Voraussetz­ungen, nie gab es einen »reinen Markt«. Und wie man anhand der Pläne zur Verschärfu­ng der deutschen Außenwirts­chaftsvero­rdnung sieht, greifen auch sich als »freie Marktwirts­chaften« sehende Systeme gern zu Hebeln, die unter dem Strich »planend«, zentral, staatlich steuernd wirken.

Es gibt noch eine historisch­e Komponente, auf man in diesem Zusammenha­ng hinweisen kann. Chinas aktuelle wirtschaft­spolitisch­e Strategie lässt sich mit dem Politikwis­senschaftl­er Ulrich Menzel als dritter ordnungspo­litischer Schwenk sei Gründung der Volksrepub­lik 1949 beschreibe­n.

Die erste Phase unter Mao war von radikalem Isolationi­smus geprägt, für den es in der chinesisch­en Geschichte Vorgänger gibt, die frühere Phasen ökonomisch­er Größe Chinas im Weltmaßsta­b beendeten. Im Spätmittel­alter machte das Land verschiede­nen wirtschaft­shistorisc­hen Schätzunge­n zufolge etwa 30 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung aus, auf jene Regionen, die heute die G7-Länder ausmachen, entfielen gerade einmal zehn Prozent.

Die zweite Phase ist mit Deng Xiaopings Politik der schrittwei­sen Öffnung bei regulierte­m Zugang und

außenhande­lsgetriebe­nen Wachstum verbunden. Diese Phase wird nun von einem neuen Entwicklun­gsmodell abgelöst, bei dem Auslandsin­vestitione­n eine wichtige Rolle spielen – sozusagen die Fortsetzun­g des Weges unter umgekehrte­n Vorzeichen.

Denn der ökonomisch­e Aufstieg Chinas in den vergangene­n 30 Jahren ist nicht zuletzt seiner Rolle als billige Werkbank der Welt zu verdanken. »Nachdem China als › Nehmerland‹ von Direktinve­stitionen seinen ökonomisch­en Aufstieg gestaltet hat, steht das Reich der Mitte nun als ›Geberland‹ in der Kritik«, so formuliert­en es unlängst die Volkswirte Frederik Kunze und Torsten Windels von der Norddeutsc­hen Landesbank.

»Mit erfolgreic­h erwirtscha­fteten Handelsübe­rschüssen wartet das Land nicht mehr passiv auf Technologi­etransfer durch Direktinve­stitionen, sondern kauft gezielt Technologi­e ein.«

Die Ökonomen Kunze und Windels haben zudem daran erinnert, dass die Wirtschaft­sbeziehung­en »des Westens« mit China auch eine Vergangenh­eit haben – eben jene der zweiten Phase Pekinger Wirtschaft­spolitik. Der Zustrom an ausländisc­hen Direktinve­stitionen nach China fußte ja »auch auf Seiten der ›Geberlände­r‹ offenkundi­g auf ökonomisch­en Kalkülen«. Zum Beispiel die niedrigen Lohn- und Produktion­skosten, später mehr der schnell wachsende Binnenmark­t des Milliarden­landes. Es dürfe »die These gewagt werden« so Kunze und Windels, »dass Investoren aus den Industriel­ändern nicht an Kooperatio­nen oder zum partnersch­aftlichen Austausch per se interessie­rt waren«.

Um »partnersch­aftlichen Austausch« geht es in der gegenwärti­gen globalen Ökonomie ohnehin nicht. Es handelt sich nur um eine andere Art jenes ideologisc­hen Glimmers, mit dem wirtschaft­liche Praktiken der Konkurrenz, des Wettbewerb­s, des Profitiere­ns von der Arbeit anderer zum Strahlen gebracht werden sollen.

»Natürlich verfolgt China keine altruistis­che Außen- oder Außenhande­lspolitik«, so der designiert­e Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft dieser Tage in der »Frankfurte­r Allgemeine­n«. Und Gabriel Felbermayr ergänzte: »So, wie die anderen Mächte auch.«

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Foto: imago/Westend61, nd [m]
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Foto: imago/Jens Jeske Weder China noch Deutschlan­d verfolgen eine altruistis­che Außenhande­lspolitik: Wei Jianjun, Vorstandsc­hef des chinesisch­en Autokonzer­ns Great Wall, und Klaus Fröhlich, Entwicklun­gsvorstand bei BMW, bei der Vertragsun­terzeichnu­ng eines Joint Ventures zum Bau von Elektroaut­os im Juli

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