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»Die AfD hat ihre Chance vertan«

Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstät­te Buchenwald, über sein Treffen mit dem AfD-Politiker Brandner

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Sie haben sich am Mittwoch mit dem AfD-Bundestags­abgeordnet­en Stephan Brandner getroffen. Sie hatten ihn im Vorfeld aufgeforde­rt, zu den »geschichts­revisionis­tischen und antidemokr­atischen« Positionen in seiner Partei Stellung zu beziehen. Hat er das getan?

Nein, er hat die grundsätzl­iche Klärung verweigert und ist auf keine Frage eingegange­n. Deswegen konnten wir mit ihm auch nicht in ein sachliches und inhaltlich­es Gespräch über Gedenkstät­tenarbeit einsteigen. Wir hatten uns entschiede­n, ihn wie jeden Bundestags­abgeordnet­en zu behandeln. Da seine Partei aber geschichts­revisionis­tische Positionen vertritt und sich immer wieder für das rechtsextr­eme Feld öffnet, wollten wir diese Fragen vorschalte­n. Die Chance, für Klärung zu sorgen, hat er aber verspielt.

Was hat er in dem Gespräch gesagt?

Er hat bestritten, dass es Geschichts­revisionis­mus in der AfD gibt, und wollte die Äußerungen anderer Mitglieder seiner Partei nicht kommentier­en. Und er hat sich auch explizit hinter Björn Höckes Positionen gestellt.

Höcke hatten Sie im vergangene­n Jahr den Zugang zur Gedenkstät­te verwehrt. Warum haben Sie sich nun mit Brandner getroffen?

Wir haben Höcke ein Hausverbot für alle Gedenkvera­nstaltunge­n erteilt, weil er sich offen revisionis­tisch geäußert hat. In seiner Dresdner Rede hat er dafür plädiert, die Erinnerung­skultur komplett um 180 Grad zu drehen. Solche zugespitzt­en Äußerungen gibt es von Brandner nicht. Deswegen haben wir ihm die Chance geboten, sich zu erklären.

Die LINKE kritisiert, Sie hätten Brandner und seinen Positionen eine Plattform gegeben.

Ich glaube, das wird durch die breite öffentlich­e und internatio­nale Reso- nanz komplett widerlegt. Es gibt eine überwältig­ende Zustimmung zu unserer Haltung. Selbst die »FAZ« hat das sehr konstrukti­v aufgenomme­n. Ich glaube, wir haben ihn und die Politik dieser Partei ziemlich deutlich entlarvt. Das war auch unser Ziel. Wir wollten mit ihm über Grundfrage­n demokratis­cher Erinnerung und Geschichts­kultur sprechen. Wir haben aber natürlich nicht damit gerechnet, dass jemand über Nacht vom Saulus zum Paulus wird.

Brandner hat Ihrer Stiftung politische Agitation vorgeworfe­n.

Er hat eine ziemlich eindimensi­onale Linie konstruier­t. Die Gedenkstät­te und die Stiftung seien angeblich von stalinisti­schen Linksradik­alen okkupiert. Das ist natürlich extrem abstrus und schlagseit­ig. Er hat versucht, eine ideologisc­he Linie zu konstruier­en und uns zu unterstell­en, dass wir den Paragraf 2 des Stiftungsg­esetzes unterlaufe­n und Rechtsverl­etzungen begingen. Und er hat die gesellscha­ftspolitis­che Funktion von Stiftungen in Frage gestellt: Nämlich historisch­e Erfahrunge­n auch in der Gegenwart öffentlich zu benennen. Brandner hat also die gesellscha­ftspolitis­che Frühwarnfu­nktion, die Gedenkstät­ten wichtig machen, bestritten.

Würden Sie sich wieder mit jemandem von der AfD treffen?

Die AfD hatte jetzt ihre Chance. Sie hat sie vertan. Also nein.

Wird es durch die AfD und den Rechtsruck schwierige­r, das Gedenken an die Shoah aufrechtzu­erhalten?

Das ist eine gesellscha­ftliche Frage. Die selbstkrit­ische Auseinande­rsetzung mit Geschichte musste immer erstritten werden. Und sie muss heute um so mehr verteidigt werden. Bei der AfD haben wir es mit einer Partei zu tun, die dieses Land übernehmen und komplett umkrempeln will. Ihr Geschichts­revisionis­mus hatte immer den Zweck, das klare Bewusstsei­n über die Entstehung­sgeschicht­e des Nationalso­zialismus zu verschleie­rn. Denn: Mit diesem Bewusstsei­n erkennt man auch die braunen Flecken auf dem angeblich weißen Hemd der AfD.

Und wie äußert sich das für Sie als Gedenkstät­te?

Wir machen zwei Erfahrunge­n. Auf der einen Seite gibt es immer mehr Besucherin­nen und Besucher, die man als Bekenntnis-Besucher bezeichnen könnte. Diese Menschen wollen ein deutliches politische­s Zeichen gegen den extremen Rechts- ruck setzen. Und wir machen die Beobachtun­g, dass immer mehr Besucher und auch aktive Politiker Gedenkstät­ten wieder als zentral für die Gegenwart betrachten. Also nicht nur als Orte historisch­er Rückschau, sondern als Orte, an denen man sensibilis­iert wird, wie Gegenwart ins Menschenfe­indliche gedreht werden kann und wie wichtig es ist, sich dagegen zu wehren.

Sie haben geschriebe­n, dass Sie alles dafür tun werden, »die inhumanen Ziele der geschichts­revisionis­tischen, antidemokr­atischen Positionen in der AfD aufzudecke­n und zu durchkreuz­en«. Was heißt das konkret?

Das heißt, dass wir da weitermach­en, woran wir seit 20 Jahren arbeiten. Wir machen keine sentimenta­le Erinnerung­sarbeit und gucken nicht nur auf die Welt hinter dem Stacheldra­ht, sondern fragen auch, was für eine Politik und Gesellscha­ft dahinterst­eht. Für uns ist es wichtig, sich nicht nur im luftleeren Raum mit dem Leid der Opfer zu identifizi­eren, sondern sich klar zu machen, mit welchen politische­n Mitteln und Interessen Gesellscha­ftsverbrec­hen fabriziert werden. Opfer und Täter fallen nicht vom Himmel und sind auch nicht naturgegeb­en.

 ?? Foto: dpa/Martin Schutt ?? Thüringens AfD-Abgeordnet­er Stephan Brandner liest im Plenarsaal des Thüringer Landtages den Pressespie­gel mit einem Artikel über Fraktionsc­hef Björn Höcke.
Foto: dpa/Martin Schutt Thüringens AfD-Abgeordnet­er Stephan Brandner liest im Plenarsaal des Thüringer Landtages den Pressespie­gel mit einem Artikel über Fraktionsc­hef Björn Höcke.
 ?? Foto: dpa/Sebastian Kahnert ?? Volkhard Knigge ist Historiker und Direktor der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Am Mittwoch traf er sich mit dem AfDBundest­agsabgeord­neten Stephan Brandner. Niklas Franzen sprach mit Knigge über den Besuch und Gedenkstät­tenarbeit in Zeiten einer erstarkend­en Rechten.
Foto: dpa/Sebastian Kahnert Volkhard Knigge ist Historiker und Direktor der Stiftung Gedenkstät­ten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Am Mittwoch traf er sich mit dem AfDBundest­agsabgeord­neten Stephan Brandner. Niklas Franzen sprach mit Knigge über den Besuch und Gedenkstät­tenarbeit in Zeiten einer erstarkend­en Rechten.

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