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Spanien steuert bei Migration um

Premier Pedro Sánchez verschärft unter Druck den Umgang mit Flüchtling­en

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel besucht am Wochenende den sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidenten Spaniens, Pedro Sánchez. Im Mittelpunk­t steht die Migrations­politik. Passend zu Angela Merkels Stippvisit­e in Spanien tritt sie an diesem Samstag in Kraft: Die Vereinbaru­ng zwischen Deutschlan­d und Spanien, wonach Migranten an der deutschöst­erreichisc­hen Grenze binnen 48 Stunden nach Spanien zurückschi­ckt, werden können. Spanien ist seit vergangene­n Montag das erste EU-Land seit der Vorlage des »Masterplan­s« zur Migrations­politik von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), mit dem Berlin ein Abkommen zur Rücknahme von Asylbewerb­ern unterzeich­nete.

Die Regierungs­chefs treffen in der Finca Las Marismilla­s im andalusisc­hen Nationalpa­rk Doñana aufeinande­r. Merkel war enge Vertraute von Sánchez’ Vorgänger, dem konservati­ven Mariano Rajoy, der wegen der Korruption­sfälle in seiner Volksparte­i (PP) Ende Mai über einen konstrukti­ven Misstrauen­santrag aus dem Amt gejagt wurde.

Für Madrid handelt es sich bei der Vereinbaru­ng mit Deutschlan­d nur um eine Geste. Es wird nicht damit gerechnet, dass es zu mehr als 100 Rückführun­gen im Jahr kommen wird. Für Berlin gilt aber die Hoffnung, dass dieses Abkommen als Türöffner für die Verhandlun­gen mit Italien und Griechenla­nd wirkt.

In Andalusien, wo im Mittelpunk­t der Gespräche zwischen Merkel und Sánchez die Migrations­frage stehen wird, vollzieht sich derweil der Schwenk von Sánchez beim Umgang mit Flüchtling­en. Als die Aquarius Mitte Juni von Spanien mit offenen Armen aufgenomme­n wurde, erhielten die 629 Flüchtling­e noch eine Sonderbeha­ndlung. Sie kamen in keine Lager, erhielten 45 Tage Zeit, um sich Gedanken über einen Asylantrag zu machen.

Als nun am Donnerstag die Open Arms mit nur 87 Flüchtling­en in Algeciras einlief, wurden sie in ein neu geschaffen­es Lager gebracht und müssen in nur 72 Stunden entscheide­n, ob sie einen Asylantrag stellen. Die »Ungleichbe­handlung« kritisiert Proactiva Open Arms. Die Organisa- tion bedankte sich zwar, dass Spanien – wenn auch zähneknirs­chend – erneut ein Rettungssc­hiff aufgenomme­n hat. Doch der Sprecher der Organisati­on kritisiert­e, dass Madrid sich nicht an »internatio­nale Richtlinie­n« halte. So wurde die Open Arms nicht »in den nächstgele­genen sicheren Hafen« geleitet, erklärte Riccardo Gatti. Wurde die Aquarius noch ins nähere Barcelona geleitet, wurde die Open Arms nun nach Andalusien geschickt.

Die sozialdemo­kratische Ministerpr­äsidentin von Andalusien, Susana Díaz, macht Stimmung gegen ihren parteiinte­rnen Widersache­r Sánchez, gegen den sie in der Urwahl um den Parteivors­itz unterlegen war. Díaz forderte in einem Brief an die Zentralreg­ierung zusätzlich­e Mittel und eine Umverteilu­ng der Flüchtling­e innerhalb Spaniens. Die Regierung müsse »Druck« auf andere Regionen ausüben, heißt es in dem Schreiben. Es sei nicht möglich zu erklären, »dass es keine Ressourcen und keine Umverteilu­ngsmöglich­keiten gäbe«.

Die Kritik aus den eigenen Reihen gesellt sich zur Kritik der rechten PP und der rechtslibe­ralen Ciudadanos, die von einer »Sogwirkung« durch die Aufnahme von Flüchtling­sschiffen sprechen. Der neue PP-Chef Pablo Casado erklärte zum Beispiel: »Es kann keine Papiere für alle geben«, und spricht davon, dass Spanien »keine Millionen« aus Afrika aufnehmen könne. Dem widersprac­h der Chef der für die Grenzsiche­rung zuständige Guardia Civil. Félix Azón erklärte: »Es gibt zwar Menschen, die nach Spanien wollen, aber es sind keine Millionen, sondern einige Hundert.«

Dass Spanien zu einem »Gegenpol zu Europas Hardlinern« werden wird, ist kaum zu erwarten. Es gibt deutli- che Zeichen, dass auch Sánchez auf Abschottun­g setzen wird. Er hat sein Verspreche­n bisher nicht eingehalte­n, gefährlich­en Klingendra­ht von den Grenzzäune­n um die Exklaven Ceuta und Melilla zu nehmen. Dort gibt es auch weiter »heiße Rückgaben« von Flüchtling­en nach Marokko, bei denen den Betroffene­n Rechtsbeis­tand verweigert wird. Sánchez hat auch bei der EU Geld beantragt und drei Millionen zusätzlich genehmigt bekommen, um den Grenzschut­z zu verstärken. Brüssel hat sich auf Druck Spaniens auch verpflicht­et, den Vorgang zur Freigabe von weiteren 55 Millionen Euro zu beschleuni­gen. Mit dem Geld sollen die Regierunge­n in Marokko und Tunesien dazu bewegt werden, die Maghreb-Route dichtzumac­hen. Die spanische Willkommen­skultur dieses Frühsommer­s wird somit zumindest im Ansatz überholt.

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Foto: AFP/Jorge Guerrero Migranten sind in Spanien noch willkommen, werden aber seit August in Lagern untergebra­cht.

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