Diese vertrackte Aufsässigkeit; diese Polarität zwischen schreikräftigem Überspanntsein und instinktiver Bodenständigkeit; dieser Rhythmus einer schnoddrig harten Sprache.
sche Chöre diesen Ton hatten. Deshalb ist sie auch Spielerin Einar Schleefs gewesen. Die russische Revolutionärin Spiridonowa im WuchtWerk »Verlorenes Volk«: ein monologischer Halbstundentext, von der Bendokat gleichsam durchwühlt, durchpflügt, monoton hochgezogen, als sei der Rote Oktober eine Dichtung Homers. Im brachial stolzesten Sinne langatmig.
Margit Bendokat, das ist eine ZeitReise. Dresen-Zeit und Gosch-Zeit und Gotscheff-Zeit und Stemann-Zeit. Vor allem: Zeit beim Regisseur Alexander Lang (»Stella«, »Dantons Tod«, »Ein Sommernachtstraum«). Wo die Bendokat auftritt, ist irgendein Entsetzen nicht weit, ist ein gewisser Horror anwesend, von dem man nicht weiß, woher er kommt, wohin er ausschlägt, in welche Stille er sich hineinrammt. Sie spielte kaum Titel- oder Hauptrollen, aber wenn sie auf der Bühne steht, muss einer oder eine neben ihr schon gehörig was tun, um weiter als protagonistisch zu gelten. Berliner Lieder hat sie so lako- nisch komisch und unsentimental liebenswert gesungen wie irische Songs; sie ist liebwilde Mutter, archaische Toberin, keifende Megäre, ist Hartgewordene und Weichgesottene, Gestählte und Gewalkte. Rosengleich: Blühkraft und Stachel – Trennkost ist nichts für Komödianten.
Ich seh sie in Stemanns »Heiliger Johanna der Schlachthöfe«: Proletarierin Luckerniddle, mit Trainingsanzug. In aufgekratzt reißender Sprachmonotonie: leidende Ausgebeutete, kernige Agitatorin, lederne Ideolo- bärmlichen Mann gegen die groben, karrieregeilen Söhne verteidigt. Aus einem glühenden Kern der Liebe heraus. Wie sich eine heiße Herzsprache auf Wegen zur Zunge in kalte Lava verwandelt, die herunterdonnert wie ein Stein. Ein Schrei aus Stein. Gegen die eigenen Kinder. Tragödie.
Sie wurde 1943 in Templin geboren. Wurde zur Berlinerin. Waschechte Berlinerin, sagt man. Was ist das? Unberührbarkeit durch Wind und Wetter? Abhärtungskraft? Technische Zeichnerin war sie, wollte aber zur Bühne, unbedingt. In ihrer Sparte repräsentiert sie einen Schönheitsbegriff der Abweichung. Es ist nämlich schön, wenn etwas stört. Wenn es sich nicht einfügen lässt in ersehnte Harmonien. Die gehärtete Schönheit des Steinweichen. Schönheit als etwas, das man sich erarbeiten muss. Beteiligt sein am Preis, den solche Schönheit kostet. Vielleicht ist der Preis, den sie kostet, überhaupt das Schönste an der Schönheit. Am Leben. Margit Bendokat wird am Sonntag 75 Jahre alt.