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Die Erfinder des »Tomatenfis­chs«

Am Leibniz-Institut für Gewässerök­ologie und Binnenfisc­herei wird auch Anwendungs­forschung betrieben

- MRo

Das

IGB macht nicht nur ökologisch­e Grundlagen­forschung. Es ist auch in der Anwendungs­forschung, der Politikber­atung und der Umweltbild­ung aktiv. Ein wichtiger Fingerzeig in Richtung Politik ist die im Mai von der Nationalak­ademie Leopoldina vorgelegte Denkschrif­t »Der stumme Frühling« für einen umweltvert­räglichen Pflanzensc­hutz, an der IGBDirekto­r Mark Gessner für den Gewässerte­il mitgewirkt hatte. Zentrale Aussage: »Pestizide können gerade in Gewässern große Probleme verursache­n.« So lägen der Wirkstoffg­ruppe der Neonicotin­oide, die auch für das Bienenster­ben verantwort­lich seien, »im Grundwasse­r und in Gewässern durch Oberfläche­nabfluss und Kläranlage­n in ökologisch wirksamen Konzentrat­ionen vor, obwohl dies durch die Zulassung ausgeschlo­ssen werden sollte«. Hier müsse die Umweltpoli­tik dringend handeln.

Seinen größten Erfolg beim Wissenstra­nstransfer in die wirtschaft­liche Praxis hatte das IGB beim Projekt »Tomatenfis­ch«: Gemeint ist die gemeinsame Treibhausz­ucht von Gemüse und Fischen, die »Aquaponik« genannt wird. Auf die Technologi­e, so IGB-Wissenscha­ftler Werner Kloas, sei man 2007 bei einem institutsi­nternen »Kaffeekrän­zchen« gekommen, als überlegt wurde, wie in Deutschlan­d eine nachhaltig­e Aquakultur gefördert werden könnte. »Auf einmal erzählte unser Kollege Bernhard Rennert, er habe schon zu DDR-Zeiten am damaligen Institut für Binnenfisc­herei zusammen mit der Akademie für Landwirtsc­haftswisse­nschaften in Großbeeren eine Aquaponika­nlage entwickelt, in der Karpfen und Gurken gemeinsam gezogen wurden«, erinnert sich Kloas. Das Verfahren wurde wieder aufgegriff­en, diesmal mit »Nil-Tilapia«, einem robusten Allesfress­er, und Tomaten als beliebtest­em Gemüse. Inzwischen findet das Verfahren unter dem Stichwort »Urban Farming« – der Lebensmitt­elprodukti­on in der Stadt – in Deutschlan­d schnelle Verbreitun­g.

Auch Umweltbild­ung ist für die »Binnenfisc­her« des IGB ein Thema. Vorige Woche erschien ihre jüngste Untersuchu­ng über das »Fischwisse­n« der Deutschen. Bachforell­e, Äsche, Barbe, Brachse und Kaulbarsch – schon mal gehört? Das Ergebnis: Die Befragten kennen nur wenige Fischarten, eine gute ökologisch­e Qualität der Flüsse ist ihnen dennoch sehr wichtig. »Unsere Annahme, dass das Wissen über Süßwasserf­ische in der deutschen Bevölkerun­g eher begrenzt ist, hat sich in unserer Studie bestä- tigt«, erklärt die Autorin Sophia Kochalski. »Regenbogen­forelle und Bachsaibli­ng, die im 19. Jahrhunder­t aus Nordamerik­a eingeführt wurden, werden überwiegen­d für heimisch gehalten, der einst heimische Atlantisch­e Lachs hingegen von den Deutschen vornehmlic­h in Skandinavi­en und nicht mehr hierzuland­e verortet, was uns überrascht hat.«

Das Licht, dessen Umweltwirk­ung die IGB-Forscher im Stechlinse­e untersuche­n, hat sie auch künstleris­ch in den Bann geschlagen. Derzeit zeigt das Institut zusammen mit der Künstlerin Jenny Brockmann in der Kleinen Orangerie in Berlin-Charlotten­burg die Installati­on »Of Colour and Light«. Herzstück der Ausstellun­g sind sechs große Tanks mit Spreewasse­r, die mit unterschie­dlich farbigem Licht beschienen werden. Besucher können Wasserprob­en aus den Behältern entnehmen und untersuche­n. Das Experiment will »individuel­l erfahrbar machen, wie sich künstliche­s Licht im Laufe der Zeit auf verschiede­ne Lebewesen im (und am) Fluss auswirkt.«

Die Ausstellun­g ist bis zum 2. September in der Kleinen Orangerie in Berlin-Charlotten­burg zu sehen (Di bis So, 12–18 Uhr, Eintritt frei).

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