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Christoph Ruf verrät, was Bundestrai­ner Joachim Löw erst am 29. August in seiner WM-Analyse verkünden wird

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DFB-Präsident Reinhard Grindel ist in Hamburg aufgewachs­en. Für einen CDU-Konservati­ven ist das ein so dankbares Pflaster, wie es San Francisco für Donald Trump wäre. Rotenburg an der Wümme passt besser, das war dann auch immer Grindels Wahlkreis, ehe er vom Bundestags­abgeordnet­en mit zuweilen eher nicht so mittigen Ansichten zum DFB-Präsidente­n wurde.

Und als ob »Rotenburg an der Wümme« nicht schon nach einem lustigen Einfall von Harry Rowohlt klingen würde, den er nur verwarf, weil »Bad Lamonisch an der Bibber« noch viel besser ist, musste der DFBPräside­nt tatsächlic­h noch einen draufsetze­n: Seine ersten Worte zur Lage der Fußballnat­ion nach seinem Urlaub äußerte Grindel nämlich am Wochenende nicht in Rotenburg an der Wümme. Sondern in Brunsbütte­l. Was wiederum eine Stadt ist, die nach dem Zusammensc­hluss mit Brunsbütte­lkoog 1970 noch weitaus größer ist, als sie zuvor war.

Es wehte also schon mindestens ein Hauch von Versailles über dem Nord-Ostsee-Kanal, als Grindel auf Einladung des Kreisfußba­llverbande­s Westküste sagte, was es zu sagen gab: nichts. Beziehungs­weise, dass Joachim Löw seine WM-Analyse nun doch nicht am 24. 8., sondern am 29. 8. verkünden wird. Aus Gründen, gleich aus zweierlei Gründen. Zum ersten müsse »Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit« gehen. Und zum zweiten will Löw Spielern, die er aussortier­en will, dies persönlich und nicht am Telefon mitteilen.

Allein das ist schon mal revolution­är. Wir erinnern uns: In der Vergangenh­eit wurden schwelende Konflikte mit verdienten Nationalsp­ielern meist so lange ausgesesse­n, bis sich der Spieler als erster bewegte und zurücktrat. Eine Tragödie ist die Verschiebu­ng der WM-Analyse allerdings für die Millionen von Menschen, die ihren Jahresurla­ub extra so gelegt hatten, dass sie am 23. August wieder zu Hause sind, um live an Jogis Lippen zu hängen.

Weshalb das »neue deutschlan­d«, Ihr Fachorgan für Gründlichk­eit UND Schnelligk­eit, nun auch vorlegt und die Kernelemen­te des Löw-Vortrages vom 29. August verrät: Zunächst mal zum Großen und Ganzen, also dem Image des Trainers.

Um das »Er-lehnt-an-der-Laterneund-trägt-schöne-Hemden«-Image zu konterkari­eren, wird es ab September eine Rhetorik- und StylingOff­ensive beim DFB geben. Das Wort »kämpfen«, nach dem die Nation dürstet, wird dabei allerdings zuerst in Löw’sche »scho au« und »nstück waid«-Ummantelun­gen eingebette­t, ehe es kommunikat­iv bierhoffis­iert wird. Irgendwas mit »Identifika­tion«, »Commitment« und natürlich »Demut« wird man hören und lesen, das klingt ja alles immer gut. Statt weißer oder schwarzer Hemden trägt Löw natürlich ein kariertes Worker-Shirt. Ärmel hochgekrem­pelt. Statt Espresso wird Dosenbier gereicht.

Damit die »Bild«-Zeitung, mit der sie beim DFB mittlerwei­le offiziell verbandelt sind, nichts Böses schreibt, muss es allerdings auch unbedingt »personelle Konsequenz­en« geben. Einer der grob geschätzt 42 Stabsmitar­beiter wird also gehen müssen, möglicherw­eise einer der Co-Trainer. Ersetzt wird er durch einen anderen, der die seit 2006 gültigen Einstellun­gskriterie­n erfüllt, als da wären: überschaub­are Lorbeerkrä­nze in der eigenen Vita, was das Risiko eines Putsches gegen den Chef minimiert. Und: gute Fremdsprac­henkenntni­sse im Hochdeutsc­hen. Als Verkehrssp­rache genügen beim DFB wie gehabt die zwei Sprachen, wo man rund um den »Schdaff« (für Bierhoff: staff) beim DFB gut versteht: Schwäbisch und Badisch.

Wichtig wird es allerdings sein, dass Bierhoff nicht selbst zum Mikro greift, der Mann hat gerade ein Imageprobl­em. Zudem leidet er unter Wortfindun­gsschwieri­gkeiten bei der Übersetzun­g vom Businessge­wäsch ins Deutsche. So entschuldi­gte er sich Anfang Juli für »Missinterp­retationen«, die sein Interview in Sachen Özil ausgelöst hatte. Bis dato hatte man immer gedacht, das Wort heiße »Fehlinterp­retation«. Teamintern, also wenn die #Mannschaft vorm nächsten Länderspie­l #zsmmn (diesen Hashtag hatte der DFB für die WM ausgegeben) trainiert, wird dafür ab dem 29. 8. auch das Wording ein noch neueres sein müssen. Ein Mist-Pass heißt genau deshalb künftig nicht mehr »Fehlpass«, sondern »Misspass«, auf Twitter: #Msspss. Die Missbesetz­ungen beim DFB selbst, die werden allerdings auch am 1. September noch in Amt und Würden sein. Denn eine Taktik, die beherrsche­n sie beim DFB nun wirklich genauso meisterhaf­t wie im Kanzleramt: die des Aussitzens.

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Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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