nd.DerTag

Frauen bei der türkischen Rechten

Wissenscha­ftlerin Lena Wiese über die Rolle weiblicher Mitglieder der Grauen Wölfe

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Sie haben mit sechs Frauen aus Deutschlan­d Interviews über ihre politische­n Aktivitäte­n bei den rechtsradi­kalen türkischen Grauen Wölfen geführt. Warum sind Frauen dort politisch aktiv?

Alle diese Frauen meinten, dass es ihnen in die Wiege gelegt worden sei. Die Familie war politisch aktiv, was dann über Generation­en so weitergege­ben wurde. Gleichzeit­ig war es den Frauen wichtig zu betonen, dass sie sich in einem gewissen Alter ganz bewusst dafür entschiede­n haben, in die Vereine zu gehen, um sich einzubring­en.

Wie sieht das genau aus?

Sehr unterschie­dlich. Das fängt beim Kochen und Backen für Vereinsfes­te an, kann aber auch die Öffentlich­keitsarbei­t betreffen, also zum Beispiel die Facebook-Seite zu verwalten. Ein großer Faktor ist die Leitung von Mädchengru­ppen. Die Frauen übernehmen viel von der Nachwuchsr­ekrutierun­g, weil die Vereine das Potenzial der jungen Mädchen für sich nutzen wollen. Selten übernehmen Frauen Machtposit­ionen in den Vereinen, sind also kaum in Vereinsgre­mien vertreten.

Was passiert in den Mädchengru­ppen?

Der Zugang ist zunächst sehr niederschw­ellig. Alles, was die Mädchen interessie­rt, kann Thema sein, ob Probleme in der Familie oder der neue Eyeliner. Später wird erst der politische Inhalt mitgeteilt. Es gibt Wochenends­eminare über die türkische Geschichte oder Theaterauf­führungen, wo die Mädchen sich mit ultra-nationalis­tischen Ideologien auseinande­rsetzen. Auf solchen Ausflügen entsteht ein Gruppengef­ühl, das für die jungen Mädchen und Frauen sehr wichtig ist.

Welche Rolle vermitteln die Frauen den Mädchen?

Dort wird das Verständni­s einer konservati­ven Weiblichke­it weitergege­ben. Das heißt, Frauen sollen das Beiwerk des Mannes sein. Die Frauen können schon aktiv sein, solange es nicht die zugewiesen­e weibliche Sphäre überschrei­tet, so lange es nicht auf Unwillen von Seiten der Männer stößt. Das vermittelt den Frauen, dass sie für die Vereine wichtig sind. Wie treten Frauen denn auf Demonstrat­ionen auf?

Das Verhalten von Frauen dort ist schon gegensätzl­ich zu dem, wie ich das Rollenvers­tändnis von Frauen in Vereinen habe beobachten können. Frauen sind da sehr laut, aggressiv und dominant, weil sich die Demos außerhalb des Spektrums der Vereine befinden. So äußern sich Frauen aber auch in sozialen Medien. In den Kommentars­palten werden ganz krasse ultra-nationalis­tische Positionen vertreten, also auch Rassismus und Antisemiti­smus.

Die Frauen tragen ihre Ideologie also sehr offen nach außen?

Ja und nein. Das Weiterverb­reiten des eigenen Weltbildes steht stark im Vordergrun­d und ist auch das Motiv, warum die Frauen bei Facebook so aktiv sind oder im Klassenzim­mer argumentie­ren, dass es keinen Genozid an den Armeniern gegeben habe. Sie achten aber darauf, mit wem sie worüber sprechen, das wird ihnen auch in Seminaren beigebrach­t. Das entspricht der Strategie der Vereine, die nach außen wie harmlose Kulturvere­ine wirken wollen. Bei sogenannte­n Kulturfest­en, wird jedoch der Nationalis­mus gepflegt, der auf den ersten Blick nicht sichtbar ist.

Und so etwas machen besonders Frauen?

Das machen auch Frauen. Sie eignen sich besser für die Repräsenta­tion der Vereine, weil mit Frauen häufig noch das Bild der friedferti­gen, apolitisch­en Frau verbunden wird, wo man erst mal nicht vermutet, dass diese Frau menschenve­rachtende Einstellun­gen teilt.

Welche Rolle spielt der Islam für die Frauen bei den Grauen Wölfen?

Die Frauen sagen, dass sie Feminismus und Gleichbere­chtigung nicht brauchen, weil sie durch den Islam ihre Rolle haben. Der Islam hilft also dabei, diese Hierarchis­ierung der Geschlecht­er in den Vereinen zu legitimier­en. Das wird von den meisten Frauen auch nicht angezweife­lt und als normal verstanden. Das Geschlecht ist dabei auch ein Mittel der Politisier­ung. Es wird schon gesagt: »So, wir Frauen machen jetzt mal was«, also hat es schon etwas von einer Ermächtigu­ng – aber immer nur im Sinne der patriarcha­len Struktur.

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