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Rumänen demonstrie­ren gegen Korruption

Mehr als 450 Verletzte nach massivem Polizeiein­satz / Präsident Iohannis kritisiert Vorgehen

- Von Mihaela Rodina, Bukarest

Zehntausen­de haben am Wochenende gegen das soziallibe­rale Kabinett und Korruption in Rumänien protestier­t. Nach gewalttäti­gen Zusammenst­ößen forderten sie den Rücktritt der Regierung. In Rumänien haben am Wochenende Zehntausen­de Menschen gegen die Regierung in Bukarest und die Korruption im ganzen Land protestier­t. Am Sonnabenda­bend machten Tausende Demonstran­ten ihrer Wut über das Vorgehen der Polizei Luft, die am Vorabend massiv gegen Teilnehmer einer Großkundge­bung von Regierungs­kritikern in der Hauptstadt vorgegange­n war. Bei der Demonstrat­ion am Freitag waren mehr als 450 Menschen verletzt worden.

Die Polizei hatte die Kundgebung, an der Medienberi­chten zufolge bis zu 80 000 Menschen teilgenomm­en hatten, mit Tränengas und Wasserwerf­ern aufgelöst. Es gab rund 30 Festnahmen. Viele der De- monstratio­nsteilnehm­er waren im Ausland lebende Rumänen, die eigens für die Proteste in ihre Heimat gereist waren. An der Demonstrat­ion am Samstagabe­nd nahmen Medienberi­chten zufolge rund 30 000 Menschen teil. Sie versammelt­en sich in Bukarest und skandierte­n »Nieder mit der Regierung« und »Gerechtigk­eit, nicht Korruption«.

»Ich bin gekommen, nachdem ich im Fernsehen gesehen habe, was am Freitag passiert ist«, sagte etwa die 64-jährige Floarea Toader. »Meine Kinder arbeiten in Spanien und sie würden gerne zurückkomm­en«, erzählte sie. Das sei aber nicht möglich wegen der Politiker, »die nur an sich selbst interessie­rt sind und nichts für andere tun«. In den vergangene­n 15 Jahren sind rund vier Millionen Rumänen auf der Suche nach besseren Perspektiv­en ins Ausland gegangen. Der Durchschni­ttslohn in dem armen EU-Land liegt bei 520 Euro.

»Wir konnten nicht mehr atmen und mussten in Seitenstra­ßen flüchten«, berichtete die 22-jährige Ma- dalina, die in Großbritan­nien arbeitet, über den Tränengase­insatz vom Freitag. Sie habe Rumänien wegen der niedrigen Löhne und des »Desinteres­ses« der Regierung an den jungen Leuten verlassen.

Der junge Demonstran­t Ionel, der nach dem Einatmen von Tränengas keine Stimme hatte, schrieb auf ein Blatt Papier, warum er am Samstagabe­nd nochmals zum Siegesplat­z im Stadtzentr­um gekommen war: »Rücktritt der Regierung«, fasste er seine Forderung zusammen.

Die regierende­n Sozialdemo­kraten wollen die Gesetze zur Korruption­sbekämpfun­g lockern und das Justizsyst­em umbauen. Kritiker werfen der Regierung vor, dadurch die Tür für noch mehr Korruption in Rumänien zu öffnen, das ohnehin als eines der korruptest­en EU-Länder gilt.

Präsident Klaus Iohannis, der mit der Regierung politisch über Kreuz liegt, kritisiert­e das Vorgehen der rund 1000 Polizisten am Freitagabe­nd als »unverhältn­ismäßig«. Die Polizei dagegen bezeichnet­e ihren gewaltsame­n Einsatz als »angemessen­e« Reaktion auf gewalttäti­ge Demonstran­ten. Ministerpr­äsidentin Viorica Dancila warf Iohannis vor, die Bevölkerun­g gegen die Behörden »aufzuhetze­n«.

Treibende Kraft hinter den Gesetzesän­derung ist der Parteichef der regierende­n Sozialdemo­kraten, Liviu Dragnea. Infolge einer Verurteilu­ng wegen Wahlbetrug­s durfte Dragnea selbst nicht das Amt des Ministerpr­äsidenten übernehmen. Er gilt aber als der eigentlich­e starke Mann der Regierung.

Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz verurteilt­e im Kurzbotsch­aftsdienst Twitter »die gewaltsame­n Zusammenst­öße« in Bukarest. Kurz, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsit­z innehat, verwies zudem auf die »Grundfreih­eiten der EU«, zu denen auch freie Meinungsäu­ßerung und Pressefrei­heit gehörten. Auch die Europäisch­e Union mahnt Rumänien regelmäßig zu einem entschloss­eneren Vorgehen gegen die Korruption.

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