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Klimaaktiv­isten schlagen Wurzeln im Rheinland

Beim diesjährig­en Protestcam­p geht es um bessere Vernetzung mit Anwohnern und künftige Strategien

- Von Sebastian Weiermann, Erkelenz

Am Wochenende hat das neunte Klimacamp in der Nähe des Braunkohle­tagebaus Garzweiler begonnen. Statt großen Aktionen soll geht es der Bewegung darum, sich breiter aufzustell­en. Samstagnac­hmittag auf einem Feld bei Erkelenz: Das diesjährig­e Klimacamp im Rheinland ist im Aufbau. Neuankömml­inge werden erst mal zur Küche geleitet; dort gibt es noch Pizza. 15, 20 Menschen sitzen rund um den mobilen Ofen und sprechen darüber, was noch getan werden muss. Das »Mitmach-Zelt« soll auf jeden Fall noch am Samstag aufgebaut werden, mehr Toiletten am Abend stehen. Viele Menschen kennen sich von den Aktionen der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung, begrüßen sich euphorisch. Aber auch neue Menschen werden herzlich begrüßt. Ein junger Mann, der alleine zum Camp gekommen ist, steht im Willkommen-Zelt, spricht mit anderen und begrüßt Neuankömml­inge.

Johanna Winter und Maja Rothe, die schon länger in der Bewegung aktiv sind, kümmern sich um die Öffentlich­keitsarbei­t. Das Programm habe in diesem Jahr, wie sie erläutern, drei Schwerpunk­te: die Vernet- zung mit Anwohnern, eine Strategied­ebatte für die Bewegung und die Reflexion der eigenen Strukturen. »Wir versuchen dieses Jahr, mit den Menschen hier in der Region noch enger in Kontakt zu treten, um unsere Bewegung auf wirklich breite Beine zu stellen«, sagt Johanna Winter, die die Klimabeweg­ung »im Wachsen« sieht. »Wir wollen eine lokale Verankerun­g erreichen und im Rheinland Wurzeln schlagen.« Seit Anfang des Jahres habe man sich etwa monatlich mit Anwohnern getroffen und zusammen das Programm für das Camp ausgearbei­tet. Es soll ein Gebet am Grubenrand geben, Geschichte­n des lokalen Widerstand­s sollen erzählt werden, und von Umsiedlung betroffene Dorfbewohn­er sollen über ihre Erlebnisse berichten.

Gegenseiti­ges Vertrauen sei ein zentraler Punkt bei der Zusammenar­beit. Und das sei in den letzten Jahren gewachsen, berichten Winter und Rothe. Bei einer Infoverans­taltung vor wenigen Wochen in Keyenberg – einem Dorf, das dem Tagebau weichen soll – seien zwei Polizisten gewesen. Die Camp-Organisato­ren hätten sich mit ihrer Anwesenhei­t einverstan­den erklärt, es handelte sich ja um »eine öffentlich­e Infoverans­taltung«. Ein Mann, der bereits umgesiedel­t wurde, habe die Anwesen- heit der Polizei zum Anlass genommen, darauf hinzuweise­n, dass die Menschen in der Region gerade wegen der so hohen Polizeiprä­senz nicht zum Camp kommen würden. Sein Vorschlag: »ein polizeifre­ier Korridor« rund ums Camp. Winter meint lachend, einen solchen Vorschlag habe »eher von jemandem aus einer lin- Johanna Winter, Camp-Sprecherin ken Politikgru­ppe erwartet«. Im Rheinland merke man aber zunehmend, dass Anwohner und Aktivisten ähnliche Ansichten haben.

Ein anderer zentraler Punkt beim Klimacamp ist, bei einer Konferenz zu diskutiere­n, wie sich die Bewegung selbst strukturie­rt. Maja Rothe erzählt von der »Radlader-Revolte« im vergangene­n Jahr, als »einige FLTIPerson­en« (Abkürzung für Frauen, Lesben, Trans-, Intersexue­lle) genug davon hatten, dass nur Männer mit dem Radlader übers Camp fuhren, und dann durchsetzt­en, dass nur noch FLTI mit der Baumaschin­e arbeiteten. Maja Rothe versteht das Camp als »feministis­chen Ort«. So werde die Kinderbetr­euung von Männern übernommen, die Pressearbe­it hingegen von Frauen. Es geht beim Camp also auch darum, althergebr­achte Rollenmode­lle zu reflektier­en und zu überwinden.

Bei einer zweiten Konferenz soll es darum gehen, wie die Klimagerec­htigkeitsb­ewegung insgesamt aufgestell­t ist, mit welchen Strategien sie in den nächsten Jahren weiterarbe­iten will und welche Ansatzpunk­te es für den Widerstand gibt. Sprecherin Rothe hofft, dass sich viele unterschie­dliche Perspektiv­en in der Debatte zeigen – von antirassis­tischen Aspekten über feministis­che bis zur Landwirtsc­haftsgerec­htigkeit.

Die Außenwirku­ng des Klimacamps im Rheinland dürfte in diesem Jahr dagegen schwächer ausfallen. Die geplanten Debatten könnten allerdings das Zeug dazu haben, die Klimagerec­htigkeitsb­ewegung voranzubri­ngen und nachhaltig wachsen zu lassen.

»Wir versuchen dieses Jahr, mit den Menschen hier in der Region noch enger in Kontakt zu treten, um unsere Bewegung auf wirklich breite Beine zu stellen.«

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