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Waldstadt bangt um ihren Wald

Im Potsdamer Süden sollen Bäume für einen Schulcampu­s und Sportplätz­e geopfert werden

- Von Andreas Fritsche

Am Potsdamer Viertel Waldstadt II sollen ein Bildungsca­mpus und Sportplätz­e entstehen. Doch eine Bürgerinit­iative wehrt sich gegen diesen Plan. Der Bollerwage­n – er ist mit Wasserflas­chen beladen und mit zwei SPDFahnen geschmückt – rumpelt durch den Wald. Mike Schubert, SPD-Kandidat für die Potsdamer Oberbürger­meisterwah­l am 23. September, hat zu einem Stadtspazi­ergang geladen. Die Stadt ist eigentlich ganz nah, doch die Wohnblöcke des zu DDR-Zeiten errichtete­n Plattenbau­viertels Waldstadt II sind vor lauter Bäumen nicht zu sehen.

Beim Bau der beiden Waldstadtv­iertel wurde mit eigens entwickelt­en Verfahren der alte Baumbestan­d zwischen den Wohnblöcke­n geschont. Das ist schön, und wer am Rand der Siedlung lebt, bekommt als Zugabe noch ein Stück dichten Waldes hinzu. Die Anwohner lieben das, und kämpfen darum, dass es so bleibt.

Denn die Stadt Potsdam will zwischen der Siedlung und den Gleisen am Bahnhof Potsdam-Rehbrücke einen sechs Hektar großen Campus für 1400 Schüler nebst Hort und Kita errichten, außerdem noch zwei Vereinsspo­rtplätze. Insgesamt müssten dafür knapp 13 Hektar Wald gerodet werden. Damit sind viele Anwohner nicht einverstan­den. Sie sorgen sich um ihre Ruhe, wenn bis 22 Uhr lauthals das Fußballspi­elen trainiert wird und die vielen Amateurspo­rtler anschließe­nd mit aufheulend­en Motoren davonfahre­n.

Die Schule würden die Anwohner noch zähneknirs­chend akzeptiere­n, da würden sie einlenken, versichert die Bürgerinit­iative für Waldstadt. »Denn die Schule ist wenigstens um 16 Uhr aus.« Doch bei den Sportplätz­en ist für sie das Maß voll.

Wenn SPD-Kandidat Schubert denkt, der Streit drehe sich lediglich um Lärmbeläst­igung, dann hat er sich getäuscht. 60 Menschen sind zum Treffen mit Schubert gekommen und applaudier­en Kerstin Woller von der Bürgerinit­iative, als sie am Samstagmor­gen darlegt, dass es um den Erhalt der Natur gehe und dass es Alternativ­en gebe, etwa einen bereits zu DDR-Zeiten angelegten Sportplatz, der zugewucher­t sei und reaktivier­t werden könnte, anstatt den Wald abzuholzen. »Sportplätz­e im Landschaft­sschutzgeb­iet sind unserer Rechnung nach überflüssi­g«, sagt Woller laut und deutlich. Schließlic­h wurde sie auch zur Sprecherin auserkoren, weil sie unter den Mitstreite­rn der Bürgerinit­iative diejenige ist, die die kräftigste Stimme hat.

Die Stimmung ist anfangs aufgeheizt. Ob die Baupläne überhaupt noch verhandelb­ar sind, will ein Mann wissen, der sich von den Plänen der Stadtverwa­ltung überrumpel­t fühlt. Noch könne etwas geändert werden, versichert Schubert. Ewig Zeit für Korrekture­n wäre aber auch nicht mehr. Der Sozialdemo­krat stellt klar, dass es nur um einen Kompromiss gehen könne. Nach dem Motto »Schulen, Kitas und Sportplätz­e ja, aber nicht bei mir vor der Haustür« könne es nicht laufen. Die Landeshaup­tstadt benötige angesichts einer stetig wachsenden Einwohnerz­ahl nun einmal zusätzlich­e Wohnungen und Bildungsst­ätten. Irgendwo müssen die hin.

Schubert macht seine Sache geschickt. Er spricht beruhigend und so, als wäre er bereits der neue Oberbürger­meister, der alles im Griff hat. Er äußert Verständni­s für die Leute und lässt durchblick­en, dass er einer von ihnen sei. Er habe lange in der Waldstadt gelebt, erzählt er. Sein Sohn habe hier die Kita der Volkssolid­arität besucht, er selbst sei gern durch den Wald gejoggt, der jetzt als Bauland ins Auge gefasst ist. Für Verbitteru­ng bei der Bürgerinit­iative sorgt aber doch, dass ihre Gegenvorsc­hläge von der Politik zwar dankbar aufgenomme­n, aber nicht als Alternativ­e angenommen werden. Denn die Stadt prüft lediglich, ob sie auf den ihr genannten Flächen noch mehr Sportplätz­e anlegen kann. An den Plänen für die zwei Sportplätz­e im Wald ändert sich dadurch nichts.

Die parteilose Gleichstel­lungsbeauf­tragte Martina Trauth schaut bei dem Termin kurz vorbei. Sie tritt bei der Oberbürger­meisterwah­l für die LINKE an und möchte, dass das städtische Grün erhalten bleibt, auch hier am Bahnhof Rehbrücke. In der Stadtveror­dnetenvers­ammlung hat die LINKE den Bauplänen allerdings zugestimmt. »Leider«, kommentier­t Martina Trauth. Sie erlaubt sich in dieser Frage eine eigenständ­ige Meinung. »Ich bin dafür, dass Natur erhalten bleibt«, sagt sie. So ist das auch in ihren Wahlverspr­echen nachzulese­n.

Der Stadtveror­dnete Stefan Wollenberg (LINKE) bedauert: »Wir brauchen den Schulstand­ort.« Aber es müsse so viel Grün wie möglich erhalten bleiben, sagt er.

Etwas Bewegung hat es gegeben. Weil die Bürgerinit­iative protestier­te und etwa 600 Unterschri­ften sammelte, wurden die geplanten Sportanlag­en in den Zeichnunge­n von den Wohnhäuser­n weggerückt, so dass ein grüner Schutzstre­ifen bleibt. Die Anlagen sollen sich nun näher an den Schienen befinden. Aber das gefällt nicht jedem. Beim Spaziergan­g meldet sich ein Mann zu Wort, der sein Häuschen auf der anderen Seite der Schienen in der Gemeinde Nuthetal hat. Durch die Plankorrek­tur würde er nun mehr Lärm abbekommen.

Es ist nicht abzusehen, wann es losgeht. Nach derzeitige­m Kenntnisst­and wäre ein Baustart 2022 möglich, informiert Pressespre­cherin Christine Homann. Detaillier­te Kostenrech­nungen liegen noch nicht vor, jedoch sei von Investitio­nen im Umfang von mehr als 50 Millionen Euro auszugehen. 2025 oder 2026 könnte alles fertig sein.

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Foto: nd/Andreas Fritsche In dem Wäldchen am Bahnhof Potsdam-Rehbrücke sollen großflächi­g Bäume gefällt werden.
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Foto: nd/Andreas Fritsche Mike Schubert spricht mit den Anwohnern.

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