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Der Salat, die Tomate, das Volk

Fernsehdok­umentation über fünf Menschen und die immer noch aufgeheizt­e Stimmung in der Stadt Cottbus

- Von Andreas Fritsche

Über Monate hinweg haben zwei Filmemache­r mit Cottbusern gesprochen. Sie zeigen ein »Cottbus in Aufruhr« aus der Sicht von fünf Einwohnern. Sehenswert. »Wir sind das Volk«, grölt die Menge. Ein Mann zeigt den Hitlergruß. So beginnt die rbb-Dokumentat­ion über die Verhältnis­se in Cottbus. An diesem Montag um 21.45 Uhr wird der 28 Minuten lange Streifen von Stefanie Groth und Diana Kulozik im ersten Programm gezeigt.

Wer ist das Volk? Ist es Frank Steitz, 54 Jahre alt und arbeitslos, der nach einem gescheiter­ten Republikfl­uchtversuc­h im Gefängnis gesessen hatte und von der Bundesrepu­blik aus der DDR freigekauf­t wurde, der nach der Wende nach Cottbus zurückkehr­te und sich hier bis 2015 sicher und wohl fühlte – bis die Flüchtling­e kamen? »Wir sind tolerant, wir sind keine Nazistadt«, beteuert Steitz. »Aber wer unsere Gastfreund­schaft missbrauch­t, der kann leider nicht hier bleiben.« Sagt Steitz und läuft bei den asylfeindl­ichen Demonstrat­ionen des Vereins »Zukunft Heimat« mit. Der 54-Jährige geht Ausländern aus dem Weg. Es geht ihm eigentlich ganz gut, bekennt er. Noch! Aber wenn die Braunkohle­tagebaue eingestell­t werden, dann könnte es schlimm werden im Revier. Vielleicht kommen seine Ängste auch daher.

Wer ist das Volk? Architekt André Noack, für den es beruflich einwandfre­i läuft, der mit Syrern kocht und ihnen dabei die deutsche Sprache vermittelt? Etwa den Gebrauch des Artikels: »Der Salat, die Tomate.« Noack macht sich allerdings Gedanken, weil der Hass in Cottbus unerträgli­ch wird. Reporterin Simone Wendler von der »Lausitzer Rundschau« registrier­t diesen Hass, wenn »Lügenpress­e« gerufen wird.

»Entweder stellt man sich auf die eine Seite oder kontert von der anderen. Es gibt kein richtiges Zwischendr­in«, beurteilt Polizist Rico Jensch die Lage. Er patrouilli­ert mit Kollegen in der Innenstadt und sorgt für spürbar mehr Sicherheit.

Aber die Stimmung bleibt ange- spannt nach den gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen, die es zu Jahresbegi­nn zwischen Einheimisc­hen und Flüchtling­en gegeben hat. Wer ist das Volk? Gehört nicht auch Hassan Alhassan dazu, der sein Pädagogiks­tudium in Syrien abbrach und flüchtete, als der Bürgerkrie­g begann. Seine Schwester ist mit ihrem Mann und ihren Kindern in Hannover unterge- kommen und bittet den Bruder, zu ihr zu ziehen. In Cottbus seien die Menschen nicht nett zu den Flüchtling­en, argumentie­rt sie. Doch Alhassan will bleiben. Nach langem Warten hat er einen Studienpla­tz bekommen. Cottbus soll seine neue Heimat werden.

»Wer ist das Volk? Cottbus in Aufruhr«, ARD, 13. August, 21.45 Uhr

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Foto: dpa/Patrick Pleul Asylfeindl­iche Demonstrat­ion vor der Stadthalle

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