nd.DerTag

Im Interesse der NS-Opfer

Neuer Landeschef will mehr junge Leute für Mitarbeit im sächsische­n VVN-BdA gewinnen

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Der VVN-BdA vertritt die Interessen von NS-Opfern – deren Zahl freilich sinkt. Das Anliegen bleibt aber aktuell, sagt der neue sächsische Landeschef, der deshalb verstärkt junge Antifaschi­sten ansprechen will. Die Einladung zum Gespräch ist bisher unbeantwor­tet. Michael Kretschmer redet seit seinem Amtsantrit­t als sächsische­r Ministerpr­äsident mit allen und jedem; die Offerte des VVNBdA indes blieb unerwidert. Der Verband der NS-Opfer hatte im Januar einen Brief an den neuen Regierungs­chef geschriebe­n und um die Unterredun­g gebeten; es solle »um unsere Hoffnungen und Erwartunge­n« gehen und um »mögliche gemeinsame Initiative­n« angesichts des Erstarkens der »antidemokr­atischen Rechten« im Freistaat. Getroffen hat man sich bisher nicht. Immerhin, sagt Silvio Lang, Landeschef der VVN-BdA: Bei Protesten gegen ein Nazifestiv­al in Ostritz und eine Demo der Rechtsauße­n-Partei III. Weg in Chemnitz habe der CDU-Mann deutlich Position bezogen: »Wir beobachten das erfreut.«

Lang ist seit Jahresbegi­nn Vorsitzend­er des sächsische­n VVN-BdA; der Brief war die erste Amtshandlu­ngen des Dresdners, mit dem der Verband einen deutlichen Generation­swechsel an der Spitze vollzog. Lang war zu der Zeit 34 Jahre alt – 47 Jahre jünger als seine Vorgängeri­n Regina Elsner aus Hoyerswerd­a.

Eine Verjüngung strebe er auch für den Verband als Ganzes an, sagt Lang, der sich im November bei einer Landesdele­giertenkon­ferenz in dem Amt bestätigen lassen möchte. Die gut 300 Mitglieder des sächsische­n VVN-BdA seien zwar »bewunderns­wert aktiv« in der Gedenkstät­tenarbeit, bei Schülerpro­jekten oder Protesten gegen Rechts. Allerdings seien die meisten eher Altersgefä­hrten seiner Vorgängeri­n als von ihm, sagt Lang. Die Anzahl der Aktiven ist seit Jahren rückläufig. Es komme nun darauf an, »die Arbeitsfäh­igkeit zu erhalten«, sagt Lang – indem in Struktur und Organisati­on auf den Rückgang reagiert wird, aber auch, indem der VVN-BdA stärker Jüngere anzieht.

Wie das gehen kann, zeigt das eigene Beispiel von Lang, der sich lange antifaschi­stisch engagierte, ohne den VVN-BdA wahrzunehm­en: Dieser »sagt den wenigsten jungen Antifaschi­sten etwas«. Wenn sie doch aufmerksam würden, wecke zumin- dest der erste Teil des Namens zwar Respekt, ermutige aber nicht unbedingt zum Eintritt. »Verfolgte des Naziregime­s – das sind wir ja nicht«, sagt Lang. Er habe den Verband aber in der Arbeit als Sprecher des Bündnis- ses »Dresden nazifrei« als verlässlic­hen Partner schätzen gelernt – und sich schließlic­h dort auch engagiert. »Und ›Bund der Antifaschi­sten‹: Damit können wir Jungen uns ja gut identifizi­eren«, sagt er.

Für eine Änderung des historisch entstanden­en Namens plädiert er indes nicht – nicht zuletzt aus Respekt vor Mitstreite­rn wie dem AuschwitzÜ­berlebende­n Justin Sonder, aktives Mitglied der Regionalgr­uppe Chemnitz. An anderer Stelle sieht Lang aber durchaus Bedarf für Neuerungen. So biete das Aufnahmeve­rfahren mit einer Art Probezeit eine »zu hohe Hür- de« in einer Zeit, in der sich viele Menschen am liebsten nur für konkrete Projekte, aber nicht dauerhaft in Organistio­nen engagieren wollten. Diese und weitere Änderungen in der Satzung will er der Delegierte­nkonferenz im November vorschlage­n.

Inhaltlich will der Verband weiter zur Erinnerung­sarbeit in Gedenkstät­ten beitragen – etwa in Sachsenbur­g, wo es nach Jahren fruchtlose­r Mühe nun voranzugeh­en scheint, oder auf der Burg Hohnstein, wo derzeit nicht abzusehen ist, dass eine würdige Gedenkstät­te für das dortige frühe KZ entsteht. »Wir drängen auf eine aktivere Erinnerung­spolitik mit Blick auf die NS-Zeit in Sachsen«, sagt Lang: »Da liegt weiterhin vieles im Argen.« Mitschuld sieht er bei der Stiftung Sächsische Gedenkstät­ten, der eine zu einseitige Ausrichtun­g der Gedenkpoli­tik vorgeworfe­n wird. Man dränge darauf, dass die Stiftung »ihre Prioritäte­n kritisch überdenkt«, und sei »gespannt« auf Ergebnisse einer Evaluation, die demnächst vorliegen sollen. Den Druck erhöhen soll auch die geplante Gründung einer »Landesarbe­itsgemeins­chaft der NS-Erinnerung­sinitiativ­en«. Der VVN-BdA, sagt dessen Landeschef schon jetzt, »wird dort sehr aktiv mitarbeite­n«.

»›Bund der Antifaschi­sten‹: Damit können wir Jungen uns ja gut identifizi­eren.« Silvio Lang, Landeschef

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