nd.DerTag

Bremer Frösche

Auch in der Hansestadt bringt notwendige­r Wohnungsne­ubau Konflikte

- Von A. Cäcilie Bachmann, Bremen

Der Slogan »Bremen als wachsende Stadt« könnte aus dem Mund des Bremer Umweltsena­tors zu Assoziatio­nen üppig wuchernder Wiesen sowie Bäumen führen. Nun ist Joachim Lohse (Grüne) zwar Chef des Bremer Umweltress­orts, aber auch zuständig für Bau- und Verkehr. Er sitzt im Auge des Sturms der widerstrei­tenden Anforderun­gen des Städtebaus, des Infrastruk­turausbaus, des Naturschut­zes und des Bürgerstol­zes auf Bremens Beinamen als »grüne Stadt«, womit nicht Politik gemeint ist, sondern Natur.

Lohses Erklärung, Bremen wachse, zielte auf die Bebauung des Mühlenfeld­es im Ortsteil Oberneulan­d, in dessen Mitte die unter Denkmalsch­utz stehende etwa 400 Jahre alte Oberneulan­der Mühle steht. Das Mühlenfeld ist bereits als Bauland freigegebe­n, ähnlich wie die in der Nähe gelegene Naturschut­zfläche, auf der nach einem »Büropark« nun ein Wohnquarti­er entsteht.

Die gespaltene Beziehung des Bremer Senats zur Natur hat nicht erst mit Lohse begonnen. Jahrzehnte zuvor soll der damalige Bürgermeis­ter Hans Koschnick im Rahmen von Umweltschu­tz-Protesten gerufen haben, es käme noch soweit, dass Frösche und Kröten bestimmten, wo in Bremen gebaut werde. Später hat Henning Scherf als Bürgermeis­ter Umweltschü­tzer,

Oberneulan­d ist ein Ortsteil am Rande Bremens, umgeben von viel grüner Fläche.

die gegen einen weiteren Hafenausba­u argumentie­rten, öffentlich als »begriffsst­utzig« und ihre Sichtweise als »Froschpers­pektive« bezeichnet.

Oberneulan­d ist ein Ortsteil am Rande Bremens, umgeben von viel grüner Fläche, unterschie­dlich großen Wasserläuf­en, aber auch von Autobahnen. Viele der Häuser Alteingese­ssener sind umgeben von großen zum Teil parkähnlic­hen Gärten. Weshalb die Gegenwehr der Oberneulan­der gegen die Umwidmung von Naturschut­zflächen zu Baugebiete­n für gewerblich­e Nutzung oder Siedlungen in der restlichen Stadt als etwas heikel gilt.

Die Oberneulan­der wissen um ihre Situation und argumentie­ren zum Beispiel nicht gegen die für die Neubaugebi­ete festgelegt­en Anteile an Sozialwohn­ungen für Familien, sondern weisen auf die jetzt schon überlastet­e Infrastruk­tur in Sachen Kinderbetr­euung und Schulen hin. Es müsse ausreichen­d Plätze in Kitas, Krippen und Schulen geben, für reiche und arme Menschen. Was bereits schon ohne die Neubaugebi­ete nicht der Fall sei. Wenn die neue Bebauung fertig und bewohnt ist, rechnen die Oberneulan­der damit, dass mindestens eine komplette Grundschul­e mehr benötigt wird, um Kindern nicht weite Schulwege in andere Stadtteile zuzumuten. Auch das Argument gegen Versiegelu­ng von Flächen wird geschickt und nachvollzi­ehbar eingesetzt. Es geht bei den verschiede­nen Baumaßnahm­en um mehr als 20 Hektar Land.

Konkret wird die Flächenver­siegelung um die Mühle als schädlich für den Denkmalsch­utz angeprange­rt. Grundsätzl­ich wird argumentie­rt, solle im gesamten Bundesland Bremen mit seinem begrenzten Flächenvor­rat nicht auf Umwidmung und Versiegelu­ng gesetzt werden. Zunächst gelte es, die vielen Industrieb­rachen zu entgiften und zu Bauland zu ertüchtige­n.

Schließlic­h wird noch auf Oberneulan­ds Funktion als Ausflugsun­d Erholungso­rt für alle Bremer hingewiese­n. Mit dem Schluss: Wer Oberneulan­d schade, schade also Gesamt-Bremen.

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